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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Städtische Bühnen: Durchbruch, Aufbruch, und …

Eine Podiumsdiskussion im Architekturmuseum präzisiert die Perspektiven

von Uwe Kammann

Darauf haben viele lange gewartet: eine klar erkennbare Vorwärts-Perspektive bei den Städtischen Bühnen. Jetzt, endlich, können attraktive Visualisierungen von Modellvarianten möglicher Neubauten in unterschiedlichen örtlichen Konstellationen die Augen derer öffnen, die sich bislang unter Neubauten für Oper und Theater nicht viel oder gar nichts vorstellen konnten – und deshalb lieber beim liebgewordenen Bekannten verharren wollten: der langen Glasfassade am Willy-Brandt-Platz. Und eine Podiumsdiskussion, direkt an diese endlich realisierte Modellvorstellung geknüpft, hat den Eindruck bestärkt: Auf dieser Grundlage ist eine Verständigung über die künftigen Perspektiven möglich. Mithin: Es gibt einen Durchbruch, der jetzt auch einen dynamischen Aufbruch signalisiert. Und verspricht.

v.l.n.r.: Peter Cachola Schmal,  Direktor (DAM), Kulturdezernentin Ina Hartwig, Torsten Becker, Stadtplaner und Vorsitzender des Frankfurter Städtebaubeirats, Anselm Weber, Intendant des Frankfurter Schauspiels, Foto: Petra Kammann

Moderator Peter Cachola Schmal, DAM-Direktor, Foto: Petra Kammann

Zu Wort kamen unter der pointierten, bestens strukturierten Moderation von Peter Cachola Schmal, dem Direktor des Deutschen Architekturmuseums (DAM), drei Beteiligte an diesem Prozess: Ina Hartwig, welche ihn als Kulturdezernentin an vorderer Stelle steuert und verantwortet; Anselm Weber, der als Intendant des Schauspiels dringend auf Planungssicherheit wartet, um den 1100-Personen-Apparat der Bühnen möglichst sicher und unter erträglichen/zumutbaren äußeren Bedingungen durch mindestens zehn Jahre einer Übergangszeit zu führen und dabei auch das Publikum nicht zu verlieren; und schließlich Torsten Becker, der als Stadtplaner und Vorsitzender des Frankfurter Städtebaubeirats die übergreifenden Aspekte erörterte und bewertete, welche im Stadtraum mit diesem Großvorhaben verbunden sind.

Ein Gesamtfazit dieser Runde – die coronabedingt ihr Publikum im Netz fand – ist klar und eindeutig: Überaus positiv wurde aufgenommen, was das Hamburger Architektur-Großbüro gmp (Gerkan, Marg und Partner) in Zusammenarbeit mit dem Büro pfp (das bereits vor drei Jahren das erste Gutachten zur Sanierung der Theaterdoppelanlage erstellt hatte) mit vier Modellvarianten ausgearbeitet hat (wie gerade in FeuilletonFrankfurt aktuell vorgestellt).

Simulation der „Kulturmeile“, ©gmp · Architekten von Gerkan, Marg und Partner

Vor allem eine Variante, welche die Kulturdezernentin bereits im Vorfeld zur Favoritin erklärt hatte, fand große Zustimmung. Nicht zuletzt der Stadtplaner Torsten Becker begeisterte sich für die Idee, mit einer Art „Kulturmeile“ (Ina Hartwig) ein Süd-Nord-Bau-Band zwischen den luftigen Wallanlagen und der jetzt klammartigen Neuen Mainzer Straße zu entwickeln und damit von dieser zentralen Stelle aus der Innenstadt unter vielen Aspekten ganz neue Qualitätsimpulse zu verleihen. Ausgangspunkt dieser Perspektive ist der Vorschlag, eine neue Oper an Stelle des jetzigen Großbaus der Sparkasse zu errichten, kombiniert mit einem Turm, den der jetzige Grundstückseigentümer Helaba, eingepasst in die Bauflucht, in direkter Nachbarschaft errichten dürfte. Das Schauspielhaus bliebe (ebenfalls mit einem Neubau) am Willy-Brandt-Platz, der dann aber mit einer bis zum Jüdischen Museum reichenden Parkanlage (an Stelle des Operntrakts der Doppelanlage) neu definiert und gefasst würde.

Die Oper wirkt abends wie ein Leuchtkasten, ©gmp · Architekten von Gerkan, Marg und Partner

Wenn der Eindruck nicht täuscht, dann löste diese Vision nahezu Euphorie aus. Die stadträumlichen Versprechungen (inklusive vielfacher Möglichkeiten einer Funktionsbelebung) sind in den Augen von Torsten Becker enorm. Und die Einbettung zweier neuer, in ihren Angeboten offener und einladender Kulturbauten in diesem zentralen Quartier der Innenstadt entspreche genau den Eigenschaften und Besonderheiten, die Frankfurt auszeichneten: eine hohe Verdichtung und die markante Architektur der Türme. In der Verbindung mit Kulturbauten gebe es diese Konstellation anderswo nicht, das sei deutschland- und auch europaweit einmalig.

Torsten Becker, Stadtplaner und Vorsitzender des Frankfurter Städtebaubeirats, Foto: Petra Kammann

Wegen dieser dann einzigartigen und im großen Maßstab anziehenden Qualität sei es auch völlig verfehlt, auf andere Städte zu schielen und deren Ikonen als Vorbilder zu sehen. Als Beispiele nannte er die Elbphilharmonie und die Oper in Sidney mit ihren Segeldächern: Beide Bauten seien eben gebunden an richtige Hafenstädte. Der Frankfurter Osthafen – von der CDU als Theaterstandort gehätschelt – sei peripher. Er könne in keiner Weise bieten und vermitteln, was den städtischen Charakter Frankfurts präge: eben die hohe Dichte der Innenstadt mit ihren Hochhäusern und die enge Verbindung von Kultur, Handel, Finanzen.

Peripher: Dieses eindeutige Urteil teilte auch Ina Hartwig. Die auf dem Podium mit vielen klugen Argumenten für die jetzt favorisierte Variante focht – mit all’ den darin als Versprechen liegenden städtebaulichen und kulturellen Weiterungen. Allerdings, sie schloss dabei auch eine zweite vorgestellte Variante nicht aus: eine spiegelbildliche Anordnung von Oper (südlich) und Schauspielhaus (nördlich) direkt am Willy-Brandt-Platz (der früher ja mal Theaterplatz hieß). Damit, befand sie, „kann ich auch gut leben“. Aber, das war spürbar, in das Kulturmeilen-Modell ist sie geradezu verliebt. Vielleicht auch, weil es in der himmlischen Windrose die Museumsmeile kreuzen würde?

Kulturdezernentin Ina Hartwig, Foto: Petra Kammann

Wie auch immer: Zu verstehen ist diese Verliebtheit schon. Die Attraktivität der Bilder mit ihren Tag- und Nachtansichten (Hartwig: „Leuchtkörper“) trägt sicherlich dazu bei. Wobei die Kulturdezernentin mehrfach betonte, dass die jetzigen Visualisierungen lediglich architektonische Ideenskizzen seien, als Platzhalter für die Bauten dienten, deren tatsächlicher Gestaltung natürlich ein Architektenwettbewerb vorausgehen werde. Dass zum Raster der Ausschreibungen auch bestimmte Optionen gehören würden – beispielsweise Elemente wie die Kunst-Wolkendecke des jetzigen Foyers einzubeziehen –, sei selbstverständlich.

Womit sie auch noch einmal klarstellte (auf eine aus dem Online-Publikum über das Netz eingehende Publikumsfrage), dass die Theateranlage nicht formal unter Denkmalschutz stehe (eine von interessierter Seite in die Welt gesetzte Falschdarstellung). Die – materiellen und ideellen – denkmalwerten Elemente und Momente des jetzigen Baus würden natürlich in alle Überlegungen einbezogen, darüber werde man auch konstruktiv mit dem Landesdenkmalamt sprechen, das selbstverständlich in die künftigen Planungen einbezogen werde.

Ansicht der Oper mit einem neuen benachbarten Helaba-Turm, bei Nacht, ©gmp · Architekten von Gerkan, Marg und Partner

Und der Zeitplan? In vielleicht fünf Jahren, so eine geschätzte erste Hausmarke, könne nach Abschluss des politischen Prozesses und sorgfältiger Vorbereitung der Architektenwettbewerb laufen. Was bedeuten würde, mit dann folgender Plan- und Bauphase: Frühestens in zehn Jahren wären Oper und Schauspiel in ihren neuen Häusern spielbereit. Bei der bevorzugten Variante Neue Mainzer Straße könnte die Oper direkt von alt nach neu umziehen, das Schauspiel hingegen müsste während der Abriss- und Bauphase ausweichen, also vom jetzigen Standort in ein Übergangsquartier ziehen. Hierfür, so ist zu hören, könnte das Gesellschaftshaus am Zoo in Frage kommen, das ohnehin unter der Perspektive einer künftigen Spielstätte für ein Kinder- und Jugendtheater entkernt und mit einem großen Saal (circa 600 Plätze sollen möglich sein) versehen werden soll. Das Bockenheimer Depot, schon jetzt als Spielstätte genutzt, bietet 400 Plätze. Beim Schauspielhaus am Willy-Brandt-Platz sind es 680.

Anselm Weber machte die Dringlichkeit des Neubaus deutlich, Foto: Petra Kammann 

Bei den genannten zeitlichen Prämissen und Rahmendaten fiel es Anselm Weber sichtbar schwer, sein Temperament zu zügeln. Er wehrte sich eingangs gegen manche äußere Vorwürfe, die Intendanten hätten wegen Luxuswünschen bei Sanierung oder Neubau die veranschlagten Kosten in die Höhe getrieben. (Im nachherigen Gespräch bemerkte er übrigens, oft geforderte Vor- und Grundsatzdebatten hinsichtlich neuer Raumkonzeptionen für neue Spielformen seien überflüssig: an der Grundkonstellation des Theater- und Opernbetriebs werde sich nicht viel ändern.)

Als Betrachter von außen oder auch als Besucher in den Sälen, so trug es Weber auf dem Podium mit leisem Sarkasmus vor, könne man es sich einfach nicht vorstellen, wie schwer, ja wegen der extremen Klimabelastung im Sommer eigentlich unzumutbar die Arbeitsbedingungen im Innern der Doppelanlage seien. Gleichwohl, alle der über 1000 Mitarbeiter von Theater und Oper fühlten sich (nach durchaus schwierigen Phasen) als eine „große Familie“, hätten mithin in vielen Momenten der nun schon drei Jahre dauernden Diskussion die Befürchtung gehegt, räumlich auseinandergerissen zu werden.

Theater bei Tag am Willy-Brandt-Platz, ©gmp · Architekten von Gerkan, Marg und Partner

Und genau wegen dieser Trennungs-Befürchtungen bei weit auseinanderliegenden Orten sehe er die jetzigen Varianten – mit einer auch bei der „Kulturmeile“ fußläufigen Verbindung zwischen Schauspiel und Oper und auch wegen der Möglichkeit, die Probebühnen jeweils zu integrieren – ausgesprochen positiv. Wie ohnehin ein Neubau von der großen Mehrheit der Mannschaft heiß ersehnt sei. Sein von einer endlosen Sanierungsgeschichte geplagter Kollege in Köln habe neidvoll angerufen, als sich in Frankfurt die Waagschale eindeutig neigte und die Stadtverordneten mit großer Mehrheit für Abriss und Neubau votierten: „Wie hast Du das bloß geschafft?“.

Deshalb auch am Schluss der Diskussion der beschwörende Appell des Intendanten an die Politik: Rauft euch zusammen, bringt das Vorhaben endlich im konstruktiven Miteinander auf den Weg. Vielleicht hätte es ihn zuversichtlich gestimmt bei seinem Ruf nach Einsicht, Vernunft und praktischer Verständigung, hätte er schon die Reaktion des kulturpolitischen Sprechers der CDU-Fraktion im Stadtparlament gekannt. Denn Thomas Dürbeck reagierte inzwischen prompt auf die jetzt vorliegenden und vorgestellten Modellpläne.

Vor allem der erste Satz seiner acht Punkte umfassenden Stellungnahme lässt aufhorchen, weil er eine positive Kernaussage enthält: „Es ist ein interessanter Vorschlag, die Oper zwischen den Japan-Tower und ein weiteres zu errichtendes Hochhaus mit Blick auf die Wallanlagen zu bauen.“ Auch wegen der damit verbundenen Option und Modalität eines Grundstück-Tauschs mit der Helaba gegen das Turm-Baurecht sieht Dürbeck in diesem Modell „eine ernsthaft zu prüfende Variante“. Wobei er, seine alte Vorliebe nicht ganz preisgebend, parallel fordert, der Standort Osthafen solle ebenfalls noch geprüft und rechnerisch mit den anderen Varianten verglichen werden.

Michael Guntersdorf, Leiter der Stabsstelle Zukunft Städtische Bühnen, Foto: Petra Kammann

Auch dieses vorsichtig formulierte, aber durchaus erkennbare Einlenken belegt: Die Stabsstelle Zukunft Städtische Bühnen hat mit der Ausarbeitung der Varianten, mit der Wahl des Büros gmp (in Verbindung mit dem Büro PFP) und nicht zuletzt mit der vorläufigen realitätsnahen Aushandlung eines für die Stadt sehr vorteilhaften Grundstück-Übereinkommens mit der Helaba eine sehr gute Grundlage geschaffen, um endlich auch zwischen den bislang weit auseinanderliegenden Positionen von SPD und CDU eine Brücke zu bauen. Auch die Grünen, die ja immer am Standort Willy-Brandt-Platz festgehalten haben, dürften dem jetzt erkennbar so stark favorisierten Modell ohne jedes Bauchgrimmen zustimmen können. Denn die Wallanlagen werden darin nicht nur respektiert, sondern sogar deutlich ausgeweitet und aufgewertet.

Der Sanierungsfall Städtische Bühnen war lange Zeit für viele Beteiligte nur der Ausgangspunkt für eine Mesalliance. Jetzt könnte er sogar zu einer Liebesgeschichte werden. Allerdings, erst einmal muss es zum altmodischen Modell einer Verlobung kommen. Und die muss mindestens fünf Jahre halten. Bis dann die Vorbereitungen zur großen Feier beginnen. Die in weiteren fünf Jahren zu einem Jubelchor führen können.

Simulierter Blick aus dem Opernfoyer auf die Taunusanlage, ©gmp · Architekten von Gerkan, Marg und Partner

Und wo? Das ist jetzt klar. Nämlich in einem festlichen Opernhaus mit zweifachem Ausblick: westlich ins Grüne, östlich in städtische Hochhausdichte (New-York-Gefühl, befindet Ina Hartwig); und in einem strahlenden Schauspielhaus, das schon tagsüber mit Dachterrassen und Glastransparenz die Flanierenden auf dem Theaterplatz unterm Willy-Demokratie-Versprechen zur großen Bühnenschau einlädt. Lustvoll aufgeführt wird dabei ein selbstinszeniertes Dauerstück: die lebendige Stadtgesellschaft – im Gespräch mit sich selbst.

 

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