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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Skulpturen im Vorübergehen – „En Passant“. Impressionismus in der Skulptur. Ein Interview mit Alexander Eiling

Crossmediale Reflexe und Skulpturen

Die Werke von Degas, Rodin, Rosso, Troubetzkoy und Bugatti stehen in der Schau „En passant“ im Städel Museum für die Grundfrage nach der Existenz einer impressionistischen Skulptur schlechthin. Deswegen sind die künstlerischen impressionistischen Arbeiten in Malerei, Zeichnung und Druckgrafik denen der Bildhauerei dialogisch gegenübergestellt. Über das Konzept der Ausstellung sprach Petra Kammann mit Alexander Eiling, dem Leiter Kunst der Moderne des Städel.

Dr. Alexander Eiling, Leiter Kunst der Moderne des Städel und mit Dr. Eva Mongi-Vollmer Kurator der Ausstellung „En passant“, Alle Fotos: Petra Kammann

Petra Kammann: Skulpturen führen im Städel Museum eher ein Schattendasein. Wie kamen Sie auf die Idee, ausgerechnet dieses Thema hier in den Mittelpunkt einer Schau zu stellen, zumal in der benachbarten und mit dem Städel Museum verbundenen Liebieghaus Skulpturensammlung traditionell das Thema Skulpturen beheimatet ist?

Dr. Alexander Eiling: Da haben sie natürlich Recht. Das Liebieghaus wäre als Spezialmuseum für Skulpturen prädestiniert gewesen. Allerdings reicht die Sammlung dort nur bis zum Klassizismus, während das Städel Museum Skulptur ab der Mitte des 19. Jahrhunderts sammelt. Die Skulpturen aus der Zeit des Impressionismus sind damit ein Thema unseres Hauses. In der Dauerausstellung des Städel sind Skulpturen bislang wenig präsent. Unsere Ausstellung ist damit auch ein Impuls, dies in Zukunft zu ändern. Der 1921 eingeweihte Gartenflügel ist für die Präsentation von Skulpturen allerdings suboptimal. Die Architektur wurde schon kurz nach der Einweihung als nachteilig für moderne Kunst kritisiert, da man sich zu sehr an einer klassischen Galerie für großformatige Historiengemälde orientiert hatte. Bei kleineren Formaten, – seien es Gemälde oder Skulpturen – die auf Nahsicht angelegt sind, muss man in die Seitenkabinette ausweichen.

Entree der Ausstellung mit den neoklassizistischen Skulpturen von Ottin, die Monets „Mittagessen“ flankieren

Insofern erscheint mir der Peichl-Bau für Ihre jetzige Skulpturenausstellung besonders geeignet, weil die Räume kleiner und intimer sind. Da kann man hier leicht auch die Farben als Hintergrund für die impressionistischen Gemälde bestimmen oder Kontexte und Szene durch stark vergrößerte Schwarz-Weiß-Fotografien andeuten?

Der Peichl-Bau bietet ein „formbares“ Terrain durch den Zuschnitt der Räume und ist damit flexibler in der Ausstellungsarchitektur. Man kann größere und kleinere Raumeinheiten schaffen und auf diese Weise auf die jeweiligen Kunstwerke reagieren. Auch das Lichtsystem im Peichl-Bau ist flexibler, so dass wir von Raum zu Raum unterschiedliche Beleuchtungssituationen herstellen können, die für die ausgestellte Kunst angemessen sind.

Überrascht hat mich allerdings der Beginn der Ausstellung, wo das berühmte Monet-Gemälde „Das Mittagessen“ aus dem Städel von zwei statischen, neoklassizistischen Skulpturen von Auguste-Louis-Marie Ottin (1811–1890) flankiert ist.

Blick in den ersten Ausstellungsraum mit Federico Zandomenehis „Erwachen“, Gauguins Holzrelief „La Toilette und Cézannes  „Landschaft“

Im ersten Raum der Ausstellung geben wir einen Einblick, wie heterogen die vermeintlich homogene Gruppe der Impressionisten war und welche Skulpturen eigentlich auf den acht berühmt gewordenen Ausstellungen zwischen 1874 und 1886 zu sehen waren. Der Anteil der Skulpturen lag unter 1 %. Gerade einmal 17 Werke sind nachweisbar. Zehn davon stammen vom neoklassizistischen Bildhauer Auguste-Louis-Marie Ottin. Sowohl Ottins Werke als auch Monets „Déjeuner“, das Bestandteil der Städel-Sammlung ist, waren auf der ersten Ausstellung der Impressionisten zu sehen. Weitere sechs Skulpturen stammten von Paul Gauguin, der bei uns mit einem Holzrelief vertreten ist. Um sich von der akademischen Salonkunst abzugrenzen, experimentierte Gauguin mit Holz als Material. Das Relief war zudem eine Antwort auf die Kritik von Charles Baudelaire, Skulptur sei im Grunde langweilig, da ein Bildhauer keinen festen Betrachterstandpunkt festlegen könne. Die Malerei sei der Skulptur in dieser Hinsicht überlegen. Das, was wir heute als Vorteil der Skulptur betrachten, die Multiperspektivität, war für Baudelaire also interessanterweise ein Nachteil. Gauguins Relief, das – wie auch ein Gemälde – den Standpunkt des Betrachters zwingend vorgibt, entkräftet Baudelaires Argument. Unter den 17 Skulpturen auf den Impressionisten-Ausstellungen befand sich schließlich noch eine Arbeit von Edgar Degas, die „Kleine 14-jährige Tänzerin“, die in unserer Ausstellung eine zentrale Rolle spielt.

Edgar Degas‘ „Kleine 14-jährige Tänzerin“ spielte eine Rolle in der 6. Impressionistenausstellung

Warum ist gerade diese Arbeit von so zentraler Bedeutung in der Ausstellung?

Degas’ „Kleine 14-jährige Tänzerin“ wurde zum Skandalwerk. Auf sie bezogen sprach der Kunstkritiker Jules Claretie im Jahr 1881 zum ersten Mal von „Impressionistischen Bildhauern“. Wir zeigen die Genese dieses Begriffs anhand einer Vitrine mit historischen Publikationen, in denen er verwendet wurde. Die Debatte um den Begriff war jedoch harmlos gegenüber der Kritik, die sich anhand der „Kleinen 14-jährigen Tänzerin“ entlud. Degas’ Werk überschritt eine Grenze. Es war aus kunstfernen Materialien wie Wachs und Textilien hergestellt und glich damit mehr einem Fetisch als einem für die damalige Zeit ernstzunehmenden Ausstellungsbeitrag. Wachs wurde für Modelle in anatomischen Schausammlungen verwendet und natürlich auch für Bozzetti in der Bildhauerei, aber nicht für das fertige Werk. Das niedere Material ging für die Kritiker einher mit der skandalösen Thematik. Während Degas mit seinen Gemälden von Balletttänzerinnen auf der Bühne keinen großen Anstoß erregte, entzündete sich an der Plastik ein Streit darüber, ob eine Balletttänzerin überhaupt ausstellungswürdig sei. Ihre Darstellung wurde mit der Prostitution verknüpft, leider ein gängiges Phänomen hinter den Kulissen der Pariser Oper im 19. Jahrhundert. Die Abonnenten, meist Herren der Pariser Oberschicht, konnten sich in den Proberäumen der Tänzerinnen frei bewegen, die für sie mehr oder weniger ein Erotikmarkt waren. Aufgrund der harschen Kritik stellte Degas nie wieder eine Plastik aus, hörte mit dem Modellieren aber keineswegs auf.

Anschaulich wird gezeigt, wie Degas arbeitete –  mit den Schattenspielen konnte er Konturen verfolgen 

In der jetzigen Ausstellung haben Sie viel mit Blickachsen gearbeitet. So entdeckt man, wenn man den Degas-Raum betritt, zum Beispiel auch ein Schattenkabinett, in dem sich etwas bewegt.  Sobald man sich dreht, fällt der Blick auf Degas’ Gemälde vom Orchestergraben und die Skulptur der kleinen Tänzerin. Wie sind Sie darauf gekommen?

Unsere Ausstellung stellt zwar die Plastiken von Degas in den Mittelpunkt, möchte aber auch ihre Beziehungen und Wechselwirkungen zu den anderen von ihm verwendeten Techniken aufzeigen. Degas fertigte sein ganzes Leben lang Plastiken von Tänzerinnen, Badenden oder Pferden. Sie ermöglichten ihm, einen Bewegungsablauf besser nachzuvollziehen. Darüber hinaus übernahmen diese Kleinplastiken aber auch eine klärende Funktion in Hinblick auf seine Gemälde und Pastelle. So arbeitete Degas etwa mit dem Schattenwurf. Die dreidimensionale Figur wird dadurch in die Zweidimensionalität zurückgeführt. Dies war enorm hilfreich für einen Künstler, der zeitlebens auf der Suche nach dem idealen Linienverlauf, nach der idealen Kontur war. In dieser Hinsicht zeigt sich Degas als Erbe des großen Klassizisten Jean-Auguste-Dominique Ingres, den er sehr verehrte. Konsequenterweise stand in der ersten Ausstellung der Impressionisten 1874 auch eine Porträtbüste von Ingres des Bildhauers Auguste-Louis-Marie Ottin, die wir ja im ersten Raum unserer Ausstellung gesehen haben. Ingres und der Impressionismus schließen sich also nicht aus.

Degas setzt sich mit den Bewegungen im Raum auseinander

Die Bewegung ist ja schließlich auch ein Thema in einer Zeit, in der das bewegte Bild, das Kino, erfunden wurde. Haben Sie deshalb die Chronofotografien von Eadweard Muybridge (1830–1904) ausgewählt, die so eine Art analytischer Bewegungsstudien sind?

Das Nachvollziehen von Bewegungsabläufen ist in unserer heutigen Zeit mit moderner Kameratechnik kein Problem mehr. Vor der Erfindung der Fotografie stellte dies aber zahlreiche Künstler vor durchaus knifflige Probleme. Wie bewegt sich ein Pferd beim Galopp? Sind zu einem bestimmten Punkt alle Hufe in der Luft? Dies sind Fragen, mit denen sich Künstler in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunehmend beschäftigten; nicht nur die Impressionisten. Muybridge schaffte es durch die Anordnung hintereinander geschalteter Fotoapparate erstmals einen komplizierten Bewegungsablauf in Einzelbilder zu zerlegen. Diese Aufnahmen vertrieb er in Publikationen mit dem Titel „Animal Locomotion“, die sich vor allem an Künstler richteten. Degas war mit den Werken von Muybridge vertraut und nutzte sie sowohl für seine Zeichnungen und Gemälde als auch für seine Plastiken. In unserer Ausstellung zeigen wir daher eine Vitrine mit Pferdeplastiken von Degas in Gegenüberstellung mit Fotografien eines galoppierenden Pferdes von Muybridge.

Nach welchen Gesichtspunkten haben Sie denn die Güsse ausgewählt, um Degas‘ Arbeitsweise zu dokumentieren? Wäre es nicht besser gewesen die ursprünglichen Wachsmodelle zu zeigen, da er selber viele Skulpturen erst gar nicht hat gießen lassen?

Degas‘ Bewegungsstudien Pferdestudien

Degas hatte seine Plastiken aus unterschiedlichsten Materialien gefertigt, meist aus Wachs oder Plastilin über improvisierten Drahtgestellen. Viele dieser Wachse haben sich erfreulicherweise erhalten, dürfen aber aufgrund ihrer Fragilität nicht reisen. In unserer Ausstellung zeigen wir daher Bronzegüsse, die nach dem Tod von Degas von der Gießerei Hébrard in Absprache mit den Erben ausgeführt wurden. Sie geben die skizzenhafte Modelliertechnik Degas’ detailreich wieder. So sind etwa Fingerabdrücke und Spuren von Rakeln oder Messern erkennbar. Bei der „Kleinen 14-jährigen Tänzerin“ musste man dem Bronzeguss natürlich Materialien hinzufügen, da sich ein Tutu aus Tüll schlecht in Bronze gießen lässt. Bis heute gibt es Diskussionen darüber, ob Degas mit dem Guss der Skulpturen einverstanden gewesen wäre. Er selbst ließ zu Lebzeiten ein paar seiner Plastiken in Gips gießen, scheute aber wohl vor dem finalen Bronzeguss zurück. Bronze ist ein unveränderliches Material. Für einen Künstler, der seine Plastiken immer wieder überarbeitete, um bestimmte Bewegungsabläufe präziser nachvollziehen zu können, war die unveränderliche Form problematisch.

Und wie sah es bei den anderen, ebenfalls in der Schau ausgestellten Künstlern aus?

Im Unterschied zu Degas haben andere Künstler wie Rembrandt Bugatti oder Paolo Troubetzkoy auf den Bronzeguss ihrer Werke geradezu hingearbeitet. Zentral ist für alle in der Ausstellung gezeigten Güsse, dass die Gießerei über große Fertigkeiten und Expertise verfügen musste, um der skizzenhaften Modelliertechnik der Künstler im Material der Bronze gerecht zu werden. Besonders gute Resultate ließen sich mit dem Wachsausschmelzverfahren erzielen, das wir in einer didaktischen Sektion und in einem Film vorstellen. In der Ausstellung gibt es gerade von Bugatti einige wunderbare Beispiele, in denen die Überführung in die Bronze meisterlich gelungen ist.

Rembrandt Bugatti, „der Segantini der Skulptur“?

Und dann gibt es in der Ausstellung ja noch eine italienische Variante. Welche Rolle spielt dabei die Beziehung von Rembrandt Bugatti (1884–1916) zu Giovanni Segantini (1858–1899), der auch als Schweizer italienisch geprägt ist. Gab es auch zwischen den Bildhauern direkte Bezüge, z. B. zu oder über Bugatti?

Bugatti kommt aus einer berühmten Familie. Sein Vater Carlo war Designer, sein Bruder Ettore der bekannte Autokonstrukteur. Rembrandt widmete sich in seinem leider kurzen Leben vor allem der Tierplastik. Zunächst waren es Kühe oder Ziegen, später exotische Zootiere, die er in Plastilin modellierte. Die Oberfläche seiner Skulpturen wurde mit dem Non-Finito der impressionistischen Malerei vergleichen. Eine besonders schöne Querverbindung, die wir in der Ausstellung zeigen, ist die Nähe der Oberflächen von Bugattis Skulpturen zum Farbauftrag in den Gemälden seines Onkels Giovanni Segantini. Bugatti selbst kokettierte mit diesen Ähnlichkeiten: „Die Journalisten nennen mich den Segantini der Skulptur“. Das aufgeworfene und schrundige Farbmaterial der strichelnd gemalten Werke Segantinis zeigt tatsächlich Parallelen zu Bugattis Plastiken. Das Auge des Betrachters kann einen Punkt schwerlich lange fixieren. Ständig wandert der Blick.

Bei Rosso lösen sich die Konturen auf wie bei der „Pförtnerin“(Portinaia (1883/84, Guss 1887; Museum of Fine Arts, Budapest) 

Kommt daher auch der Titel der Ausstellung „En Passant“?

Die Titelfindung war einfach und schwer zugleich. Das Flüchtige, Vorbeigehende, im Übergang Begriffene, das dem Impressionismus eigen ist, verbildlicht die Konzentration auf den Wahrnehmungsprozess. „En Passant“ schien uns daher ein geeigneter Titel, zumal darin die Anspielung auf Baudelaires Gedicht „A une passante“ enthalten ist, in der er die Beobachtung einer vorbeieilenden Fußgängerin schildert. Gleichzeitig waren wir aber auch skeptisch, ob der Begriff im deutschen Sprachgebrauch heute noch präsent ist. Allerdings fasst die Wahrnehmung „en passant“ zentrale Aspekte der impressionistischen Skulptur dermaßen treffend zusammen, dass wir uns letztlich doch dafür entschieden haben. Medardo Rosso etwa hat seine Skulpturen so angelegt, als würde man sie in einem flüchtigen Moment aus den Augenwinkeln erhaschen. Ein überaus sprechendes Beispiel ist seine Darstellung der „Portinaia“, der Pförtnerin; einer Figur, die er wahrscheinlich wirklich täglich „en passant“, beim Durchschreiten der Eingangstür wahrnahm. Rosso löste seine Figuren nicht von ihrem Hintergrund, sondern erfasste auch einen Teil des Umraums, der Atmosphäre. Es scheint, als wollte er den Gegenbeweis zu der Feststellung antreten, dass man Luft nicht plastisch wiedergeben kann. Dies war ja ein häufig geäußerter Vorwurf an die Skulptur, in Abgrenzung zur Malerei.

Paolo Troubetzkoys Skulptur „Adelaide Aurnheimer (Nach dem Ball)“ von 1897 und John Singer Sargent Gemälde der „Lady Agnew of Lochnaw“ von 1893 im Dialog

Und warum haben Sie der Plastik des russisch-italienischen Bildhauers Troubetzkoy das Porträt der eleganten Lady von John Singer Sargent (1856 – 1925) aus der schottischen Nationalgalerie zur Seite gestellt?

Troubetzkoy und Singer Sargent repräsentieren für uns zwei Spielarten des „Salonimpressionismus“. Die skizzenhafte Modelliertechnik Troubetzkoys findet eine formale Entsprechung im lockeren Duktus der Malerei Singer-Sargents. Natürlich kann die Bronze des Bildhauers nur mit einem eingeschränkten Farbspektrum aufwarten, dennoch wurde Troubetzkoy aufgrund der reich changierenden Tonwerte seiner Figuren als „Impressionist“ und „Kolorist der Skulptur“ bezeichnet. Darüber hinaus handelt es sich bei beiden, Singer-Sargent und Troubetzkoy, um sehr weltläufige Künstler mit einem kosmopolitischen Familienhintergrund, die sich um Auftraggeber aus der europäischen Oberschicht bemühen. Eine Gegenüberstellung der Werke beider Künstler erschien und daher sehr lohnend.

Die Ausstellungsarchitektur des Rodin-Saals in Anlehnung an den Pavillon d’Alma mit der Eva als Zentrum

Bleibt noch Auguste Rodin (1840–1917), dem Sie eine ganze Halle widmen… Wie arbeitet er im Verhältnis dazu?

Rodin nimmt in unserer Ausstellung besonders viel Raum ein. Wir zeigen eine Reihe seiner bekannten Motive, von den „Bürgern von Calais“ über die Figur des „Johannes“ bis hin zum „Balzac“. An Rodin hat uns besonders interessiert, dass er sehr großen Wert auf die Inszenierung seiner Skulpturen legte. Um seine Idealpräsentation zu realisieren, baute er sogar eine eigene Ausstellungshalle, den Pavillon de l’Alma, an dessen Architektur sich die Gestaltung unseres Rodin-Raums anlehnt. Wir haben darin auch eine historische Ausstellungssituation rekonstruiert. So hatte Rodin seine Skulptur der „Eva“ in einer Ausstellung in Sand eingegraben. Es sollte so aussehen, als stünde die Figur mit nackten Füßen auf dem Boden. Damit erzeugte Rodin eine Wahrnehmung, die sich von einer Begegnung mit Skulpturen in „normalen“ Ausstellungssituationen radikal unterschied. Rodin arbeitete darüber hinaus mit einer Reihe von Fotografen zusammen, die seine Werke in verschiedenen räumlichen Kontexten und Lichtsituationen aufnahmen. Diese teilweise hochgradig inszenierten Fotografien verkaufte er auch auf seinen Ausstellungen. Außerdem nutzte er sie, um die Rezeption seiner Arbeiten aktiv zu steuern.

Den „Bürgern von Calais“ wurde Monets Bild „Häuser am Ufer des Zaans“ gegenübergestellt

Um ihn herum sind ja auch andere Künstler vertreten, wie zum Beispiel Camille Claudel, seine einstige Lebensgefährtin, die auch Bildhauerin war und das Porträt von Rodin modelliert hat?

Camille Claudel ist mit zwei Arbeiten in unserer Ausstellung vertreten. Sie wird im Kontext der Zeit nicht als impressionistische Bildhauerin wahrgenommen, ist aber natürlich eine zentrale Figur in Rodins Leben und in der Bildhauerei um die Jahrhundertwende. Ein weiterer Künstler im Rodin-Raum ist Claude Monet, der zusammen mit Rodin 1889 in einer Doppelausstellung der Pariser Galerie Georges Petit zu sehen war. Die ungeglätteten Oberflächen von Rodins Skulpturen wurden mit den offenen Strukturen von Monets Malerei verglichen. Skulptur und Malerei im Impressionismus können zwar nicht immer dieselben Themen bearbeiten – wie sollte man einen Spaziergang an der Seine auch plastisch umsetzen –, sie treffen sich aber in der Lebendigkeit der Oberflächen, im Non-Finito, im komplexen Lichtspiel und der Betonung des künstlerischen Materials. Von diesen Wechselwirkungen erzählt unsere Ausstellung.

Was heißt es, eine Ausstellung im Shutdown vorzubereiten? Alexander Eiling ist selbst mit Maske Optimist

Man kann nur Details herausgreifen. Mit mehr als 160 Werken versuchen Sie in Ihrer Ausstellung einen umfassenden Überblick über die Möglichkeiten und die Herausforderungen des Impressionismus in der Skulptur zu geben und haben dazu aus den verschiedensten Museen Leihgaben bekommen. Sie haben zwei Jahre Vorarbeit geleistet. Dann war alles so gut wie aufgebaut und wegen Corona konnten Sie die Ausstellung dann nicht wie geplant eröffnen. Was hat das in Ihnen ausgelöst? Waren Sie so kurz vor Toresschluss vor allem frustriert oder eher damit beschäftigt, sofort die Verträge zu verlängern, und das, obwohl Sie nicht wussten, wann und ob Sie diese Ausstellung jemals würden eröffnen können?

Die Corona-Krise hat unsere Ausstellung natürlich beeinflusst. Ein Großteil der Rosso-Leihgaben sollte aus Italien, vor allem aus der Lombardei kommen. Der Katalog unserer Ausstellung wurde in Trento gedruckt. Wir wussten nicht, ob unsere Transport-LKWs überhaupt noch über die Grenze kommen würden. Das waren durchaus herausfordernde Bedingungen. Viele Kuriere konnten nicht mehr zum Aufbau anreisen, haben uns aber ihre Leihgaben vertrauensvoll überlassen. Am Ende war klar, dass keine Eröffnung stattfinden konnte. Meine Kolleginnen Eva Mongi-Vollmer, Fabienne Ruppen und Juliane Betz haben den Aufbau abgeschlossen und sind dann ins Home Office gegangen. Wir haben aber relativ schnell den Kontakt zu unseren Leihgebern gesucht und um eine Verlängerung der Leihgaben ersucht. Privateigentümer sowie die Kolleginnen und Kollegen weltweit waren mehr als hilfsbereit und großzügig, so dass wir die Ausstellung nun bis zum 25. Oktober verlängern können. Ein Glück für unsere Besucher!

Wie können Sie denn jetzt überhaupt in diesen Zeiten schon für das kommende Jahr weiterplanen?

Wir haben auch während der Corona-Pause natürlich weiter an unseren kommenden Projekten gearbeitet. In Planung ist derzeit eine Ausstellung zu Ottilie Roederstein, die ab Mai 2021 im Städel zu sehen sein wird sowie ein großes Projekt zu Renoir und seinen Verbindungen zur Kunst des französischen 18. Jahrhunderts.

EN PASSANT. IMPRESSIONISMUS IN SKULPTUR  Kuratoren: Dr. Alexander Eiling (Leiter Kunst der Moderne, Städel Museum), Dr. Eva Mongi-Vollmer (Kuratorin für Sonderprojekte, Städel Museum) unter Mitarbeit von Dr. Juliane Betz und Fabienne Ruppen

BIS 25. OKTOBER 2020 im Städel Museum

 

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