Aktueller denn je, die bewegende Geschichte des Friedenspreises – Erinnerung an den ersten Preisträger Max Tau
Am Anfang des Friedenspreises stand eine Idee – Vor 70 Jahren erhielt Max Tau den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels
Max Tau © Friedenspreis-Archiv
Im Jahr 1949 überzeugte der Schriftsteller Hans Schwarz eine Gruppe von deutschen Verlegern und Buchhändlern von seinen Überlegungen, eine Stiftung für einen Friedenspreis zu gründen, der erstmalig an Max Tau und anschließend weiter an andere Humanisten und Schriftsteller vergeben werden sollte. Am 3. Juni 1950 wurde dann der Verleger und Autor Max Tau als erster Preisträger des “Friedenspreises Deutscher Verleger“ ausgezeichnet. Sie erhofften sich damals, dass der Preis dazu beitragen würde, Deutschland aus seiner kulturellen Isolation herauszuholen und das humanistische Gedankengut wieder in die Gesellschaft einzubringen. Immanuel Kants Ansichten über den Menschen als freies Wesen mit weltweit gültigen Menschenrechten, welche in seinem Werk „Zum ewigen Frieden“, die Grundlage ihrer Überlegungen wurden, sind noch heute ganz frisch.
Die Verleihung fand im Juni 1950 in einem Privathaus eines Weinhändlers in Alsterdorf bei Hamburg statt. Die Laudatio unter dem Titel „Im Zeitalter des Unmenschen ein Mensch“ hielt der damalige Generaldirektor des Rundfunks in Hamburg Adolf Grimme. Diese erste Preisverleihung traf damals, bei uns, in Skandinavien und auch in anderen Ländern auf ein damals unerwartet großes Interesse. Auf Vermittlung des späteren Börsenvereins-Vorstehers, Friedrich Wittig, wurde aus der privaten Stiftung von Hans Schwarz und fünfzehn Verlegern und Buchhändlern eine Sache des gesamten Buchhandels. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels nahm den Preis in seine Obhut, und er wird heute alljährlich in der Frankfurter Paulskirche verliehen.
Im Statut des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels formulierten die Verleger ihren Anspruch, der sich an den Ansichten Immanuel Kants über den Menschen als freies Wesen mit weltweit gültigen Menschenrechten und den in seinem Werk „Zum ewigen Frieden“ aufgezeigten Thesen für ein friedliches Zusammenleben der Staaten orientiert: „Die Stiftung dient dem Frieden, der Menschlichkeit und der Verständigung der Völker. Dies geschieht durch die Verleihung des Friedenspreises an eine Persönlichkeit, die in hervorragendem Maße vornehmlich durch ihre Tätigkeit auf den Gebieten der Literatur, Wissenschaft und Kunst zur Verwirklichung des Friedensgedankens beigetragen hat. Der Preisträger wird ohne Unterschied der Nation, der Rasse und des Bekenntnisses gewählt.“
Die Gründer waren: (C. Bertelsmann Verlag (Gütersloh), Deutsche Buchgemeinschaft (Hamburg), Furche Verlag (Hamburg-Berlin), F.A. Herbig Verlag (Berlin), Hans von Hugo Verlag (Hamburg), Gustav Kiepenheuer Verlag (Weimar), Wolfgang Krüger Verlag (Hamburg), Paul List Verlag (München), Paul List Verlag (Leipzig), Emil A. Schaffner (Zürich), Steingrüben Verlag (Stuttgart), Universitas Verlag (Berlin), Verlag Kurt Desch (München), Verlag Marie Honeit (Hamburg), Friedrich Wittig Verlag (Hamburg)
Die Lage in den 50er Jahren
Man muss sich dazu auch die Situation der 50er Jahre vor Augen führen:
+++ Im Januar 1950 erklärt der israelische Ministerpräsident Ben Gurion Jerusalem zur Hauptstadt Israels und verstößt damit gegen UN-Beschlüsse. +++ Nach insgesamt 3,7 Millionen Verfahren wird die Entnazifizierung in der Bundesrepublik abgeschlossen. Etwa 1600 Personen werden zu Hauptschuldigen erklärt, 20 000 als schwer und 150 000 als minder belastet eingestuft. +++ In der DDR billigt die Volkskammer das Gesetz zur Bildung des Ministeriums für Staatssicherheit. Das Abspielen von angloamerikanischer Tanzmusik in der Öffentlichkeit wird verboten. +++ Polen und die DDR erklären im Juni die Oder-Neiße-Linie zur endgültigen deutsch-polnischen Grenze. +++ Die Koreakrise erreicht die Bundesrepublik: Im Juni marschieren Truppen des kommunistisch regierten Nordkoreas im Süden des Landes ein. Daraufhin verstärken die USA und Großbritannien ihre Bemühungen, die Bundesrepublik an das westliche Lager zu binden. +++ Kanzler Adenauer plädiert für eine baldige Wiederbewaffnung, wogegen sich der heftige Widerstand der Friedensbewegung richtet. Im Oktober tritt Bundesinnenminister Gustav Heinemann aus Protest gegen die Wiederbewaffnungspläne zurück. +++ Der nationalchinesische Führer Chiang Kai-shek proklamiert auf der Insel Taiwan die Republik China. In New York wird im September die Vollversammlung der Vereinten Nationen eröffnet. Auf ihrer ersten Sitzung lehnen die Delegierten die Aufnahme der Volksrepublik China in die UNO ab. Der tibetische Dalai Lama bittet in Indien um Asyl, nachdem Truppen der Volksrepublik China mit der Besetzung seines Landes begonnen haben. +++
Aus der Friedenspreisrede Max Taus
„Die deutschen Verleger, die den Geist des Friedens zu erneuern versuchen, wissen, daß nichts mehr in der Welt gelingen kann, wenn nicht überall die guten Kräfte zueinanderfinden. Daher ist ihr Friedenspreis gleichzeitig eine Aufforderung, einen praktischen Beitrag zur Friedensbereitschaft zu leisten.
Der Mensch ist einsam geworden. Er kann alle technischen Verbindungen in einem Augenblick herstellen, aber die einzige Verbindung, die ihm unentbehrlich ist, die Verbindung zum Menschen, ist abgebrochen. Die mechanisierte Welt erschwert, was die menschliche fordert. Zu Menschen kann man nur hinwachsen. Wer den Frieden will, muß erst den Frieden in sich selbst schaffen.
Jeder Mensch wird mit einem Traum geboren. Er will das Wesentliche seines Eigenen in der Welt verwirklichen.
Immer sind es Kinderaugen, und in diesem Augenblick erleben alle die Ehrfurcht vor dem Leben. Darum müssen wir versuchen, den Geist des Friedens in den Kinderherzen zu bewahren. Darum vermag nur die Jugend eine unpolitische neue geistige Friedensbewegung ins Dasein zu rufen. Die jungen Menschen in allen Ländern, die Überlebenden aus den Konzentrationslagern, sie wissen, daß nur der, der sich überwunden hat, die Versöhnung finden kann. Er sieht das Licht in allen Dingen. Er glaubt, weil er sich selbst gefunden hat. Er besitzt Vergebung, weil er die Leiden kennt. Von ihnen strahlt der neue Geist der Versöhnung aus.„
Vita Max Tau
Max Tau wird am 19. Januar 1897 im oberschlesischen Beuthen als ältester Sohn eines jüdischen Tuchhändlers geboren. Die schwere Kindheit mit vielen Krankheiten verschüchtert ihn – richtig sprechen kann er erst mit dreizehn Jahren – und fördert zugleich sein Interesse an der Literatur, die er im väterlichen Arbeitszimmer vorfindet.
Nach Studium und anschließender Promotion über Theodor Fontane (1928) wird Tau Lektor in dem Trierer Verlag von Friedrich Hintz, später Cheflektor im Verlag Bruno Cassirer in Berlin.
Auch durch seine Essays über Literatur entwickelt er sich zu einem der einflussreichsten Anreger im Hintergrund der deutschen Literatur. Er fördert und entdeckt Autoren wie Marie Louise Kaschnitz, Karel Èapek und Wolfgang Koeppen, wobei schon früh seine Liebe der skandinavischen Literatur gilt, gefestigt durch die Freundschaft mit Knut Hamsun. Obwohl ihn nach dem Machtantritt Adolf Hitlers Freunde immer stärker zur Ausreise drängen, emigriert Max Tau erst 1938 nach Norwegen und findet dort Arbeit als Lektor im Johan Grundt Tanum-Verlag. Während der Besetzung Norwegens durch deutsche Truppen flüchtet Max Tau nach Schweden. Dort trifft er Tove Filseth, seine spätere Frau, die sich für Verfolgte und Leidende einsetzt.
Nach dem Krieg kehrt er in Besitz der norwegischen Staatsbürgerschaft, die er für seine besonderen Verdienste um die Verbreitung norwegischer Literatur erhalten hat, nach Oslo zurück. Taus spätere Lebensjahre sind geprägt von seinem Bemühen um Völkerverständigung, Versöhnung zwischen Juden und Christen sowie zwischen den Generationen. Durch seine Hartnäckigkeit erreicht er, dass Albert Schweitzer, den er 1951 für den Friedenspreis vorschlägt, ein Jahr später mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wird. 1956 gründet er die »Friedensbücherei«, die in Zusammenarbeit mit internationalen Verlagen weltweit bedeutende Werke, die dem Frieden und der Versöhnung dienen, ediert.
Am 13. März 1976 stirbt Max Tau im Alter von 79 Jahren..
Bibliographie
Das Werk von Max Tau umfasst vor allem die Romane „Glaube an die Menschheit“ (1948), „Denn über uns ist der Himmel“ (1955), und die Autobiografien „Das Land, das ich verlassen mußte“ (1961), „Ein Flüchtling findet sein Land“ (1964) und „Auf dem Weg zur Versöhnung“ (1968) – Werke, „die seinen Willen zur Humanität in der Tradition Mendelssohns, Lessings und Arendts dokumentieren. Taus Schaffen spiegelt vor allem die kulturellen und literarischen Tendenzen seiner Zeit wieder; daher lässt sich an seinem Werk nicht nur die Signatur der Epoche, sondern auch die widerspruchsvolle geistes- und mentalitätsgeschichtliche Entwicklung vor 1945 nachvollziehen“ (Detlef Haberlandt im Börsenblatt 101/1997).
Weitere Infos unter:
https://www.friedenspreis-des-deutschen-buchhandels.de