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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Museum Giersch zeigt „Die Welt im BILDnis“

Gesellschaftliche Bedeutung machte bildwürdig – Porträts als Spiegel der ständischen Ordnung

Von Hans-Bernd Heier

Die Faszination des Porträts hat eine lange Tradition, die bis heute anhält: Was sich derzeit in massenhaft digital verbreiteten Porträts und „Selfies“ ausdrückt, war früher das Bildnis als Gemälde oder als Druckgraphik. In der bürgerlichen Kultur waren Porträts Mittel der sozialen Selbstdarstellung und der Markierung der eigenen Position in einer ständischen Gesellschaftsordnung. Das Museum Giersch der Goethe-Universität blickt mit der Ausstellung „Die Welt im BILDnis. Porträts, Sammler und Sammlungen in Frankfurt zwischen Renaissance und Aufklärung“ in die spannende Geschichte der Porträtkunst und zeigt erlesene Meisterwerke.

Conrad Faber von Kreuznach „Doppelbildnis des Justinian von Holzhausen und seiner Frau Anna“, 1536, Mischtechnik auf Lindenholz; Städel Museum

Wenn von Porträts bekannter Frankfurter die Rede ist, kommt wohl vielen nach Goethe-Bildnissen zuerst die weitverzweigte Patrizierfamilie von Holzhausen in den Sinn. Für den im 16. Jahrhundert bedeutenden Bildnis-Maler Conrad Faber von Kreuznach waren die Holzhausens die wichtigsten Auftraggeber. Auch die Künstler Ziesenis, Urlaub oder Tischbein haben Angehörige der Holzhausen-Familie gemalt.

„An den von ihnen bestellten Werken lässt sich geradezu lehrbuchhaft die Entwicklung des deutschen Renaissanceporträts nachzeichnen. Stehen zu Beginn der Bildnis-Malerei die Porträtierten noch vor einem neutralen, einfarbigen Hintergrund wie im Fall der Bildnisse des Blasius von Holzhausen und seiner Frau Catharina, so hinterfängt die Dargestellten in einem nächsten Schritt ein Landschaftsausblick. Dieser zeigt zunächst noch eine Fantasielandschaft wie in der Darstellung Hamman von Holzhausens, doch bald finden sich topografisch bestimmbare, wenn auch nicht immer exakte Teilansichten von Städten“, erläutert Kurator Prof. Jochen Sander.

Anton Wilhelm Tischbein „Bildnis des Johann Christian Senckenberg“, 1772  Öl auf Leinwand; Porträtsammlung Dr. Senckenbergische Stiftung

In der Art der Inszenierung und der Auswahl der Maler gingen die anspruchsvollen Auftraggeber mit der Zeit. Ihre Bildnisse standen denen des Adels dabei in nichts nach. Selbst die jungen Angehörigen der Holzhausen-Familie wurden früh auf ihre gesellschaftliche Rolle vorbereitet und posierten wie kleine verkleidet wirkende Erwachsene. Bereits hier werden die unterschiedlichen und zu dieser Zeit festgeschriebenen Wirkungsbereiche von Mann und Frau deutlich: So stand den Knaben eine militärische oder politische Laufbahn bevor, während die Mädchen auf ihre häusliche Rolle als fürsorgliche Ehefrau und liebende Mutter vorbereitet wurden.

Johann Georg Ziesenis:“Bildnis der Marie Sophie Friedericke von Holzhausen“, um 1758, Öl auf Leinwand; Städel Museum, Frankfurt

Die Porträtkunst jener Zeit war vor allem eines – affirmativ: Gesellschaftliche Bedeutung machte bild(nis)würdig. Wem diese Bedeutung abging, der wurde nicht dargestellt. Diese Regel ließ nur wenige Ausnahmen zu, allen voran die Bildnisse von Personen, die als wirkliche oder vermeintliche Verbrecher beziehungsweise als sozial Geächtete aus der gesellschaftlichen Ordnung ihrer Zeit herausgefallen waren und die daher – damals wie heute – öffentliches Sensationsinteresse erweckten. Nicht nur ihre öffentliche Bestrafung, sondern auch ihre posthumen Porträts dienten dazu, die verletzte Ordnung symbolisch wiederherzustellen, beispielsweise im Falle des einem Justizmord zum Opfer gefallenen württembergischen Hoffaktor Joseph Süß Oppenheimer oder dem des Dresdner Priestermörders Franz Laubler. Unter dem Titel „Aus der Rolle gefallen“ sind diese Bildnisse in einem eigenen Raum versammelt.

Christian Albrecht Wortmann „Bildnis des Franz Laubler“, 1726; Kupferstich, UB Frankfurt, Porträtsammlung Holzhausen

Die Werke der Holzhausen-Kollektion, die jahrhundertelang die Wände des „Holzhausenschlösschens“ geschmückt hatten, kamen im Jahre 1923 ins Städel Museum, weil mit Adolph von Holzhausens Tod die älteste und in der Stadtgeschichte wohl bedeutendste Frankfurter Patrizierfamilie in der männlichen Linie erlosch. Doch nicht alle Teile dieses Erbes blieben – wie die Gemälde im Städel Museum – im Blick der Öffentlichkeit, wie jüngst die zufällige Wiederentdeckung eines Bestandes von über 1.250 Porträtgrafiken in der Frankfurter Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg belegt. Dies gab „den Anstoß zu einem Forschungsprojekt durch die Städel-Kooperationsprofessur am Kunstgeschichtlichen Institut der Goethe-Universität. Dabei zeigte sich sehr schnell, wie reich und vielfältig, aber auch wie unbekannt das Material zur Porträtkultur und zu den Porträtsammlungen im Frankfurt des 16. bis 18. Jahrhunderts teilweise ist. So entstand die Idee zu dieser Ausstellung, die erneut in enger Kooperation mit Studierenden des Frankfurter Kunstgeschichtlichen Instituts realisiert worden ist“, erläutert der Kurator.

Elias Christoph Heiss und Bernhard Vogel „Bildnis des Johann Georg von Holzhausen“, 1721, Schabkunst; UB Frankfurt, Porträtsammlung Holzhausen

Meisterwerke der Porträtkunst waren von jeher auch als Sammelobjekt hochgeschätzt. Bereits die Fürstenhöfe legten gemalte Porträtgalerien in ihren Residenzen an, in denen der Rang der eigenen Dynastie und ihre Verflechtung mit den Höfen Europas inszeniert wurden. Wohlhabende Patrizier ließen mehrteilige Ahnengalerien oder „Ahnenbäume“ für ihre Villen anfertigen und die Städte präsentierten in Rathäusern oder Bibliotheken stolz die Bildnisse der berühmtesten Vertreter ihrer Gemeinwesen.

Frankfurter Werkstatt: „Ahnenbaum von Maria Justina und Johann Maximilian zum Jungen“, 1634, Öl auf Leinwand; Städel Museum, Frankfurt.

Die privaten Sammler, also wohlhabende Bürger, griffen hingegen zum sog. „Klebealbum“. Diese Technik erinnert an die heute verbreiteten kommerziellen Sammelbände, in die kleine bunte Sammelbilder von Prominenten, vorzugsweise aus den Bereichen Sport und Unterhaltung, eingeklebt werden. Bei den Klebealben handelte es sich dagegen um großformatige Bände, in die Porträtdruckgrafiken, also Holzschnitte, Kupferstiche, Radierungen und Schabkunstblätter in Schwarz-Weiß eingeklebt wurden, gelegentlich auch als Loseblattsammlungen. Nur wenige dieser ursprünglichen Präsentationsformen sind erhalten geblieben, da die meisten Klebebände und Loseblattsammlungen im 19. und 20. Jahrhundert aufgelöst wurden.

Johann Martin Bernigeroth „Bildnis des Michael Servet“, 1748, Kupferstich; UB Frankfurt, Porträtgrafiksammlung Dr. Senckenbergische Stiftung

Die Porträtsammlungen des Arztes und Naturforschers Johan Christian von Senckenberg sowie des heute vergessenen Buchhändlers Grohte strebten – anders als die Sammlung derer von Holzhausen – keinen vollständigen Überblick über die ständisch gegliederte Gesellschaft ihrer Zeit an, sondern konzentrierten sich auf die Bildnisse von Ärzten und Naturwissenschaftlern beziehungsweise von Schriftstellern und Gelehrten.

„Das Gelehrtenporträt folgt“, laut Sander, „einem seit dem frühen 16. Jahrhundert festgelegten Schema: Der in seiner Amtstracht gekleidete Dargestellte – Frauen kommen zeitbedingt in dieser Gesellschaft nicht vor – ist meist in Halbfigur in seinem Studierzimmer zu sehen, ein Buch in seinen Händen haltend oder an einem Text schreibend. Um die Bildnisse des Frankfurter Juristen Johann von Fichard herum sind zahlreiche weitere Porträts von Theologen, Schriftstellern und Verlegern versammelt, die diesem Bildtypus entsprechen. Häufig werden sie durch spezifische Attribute in ihrer beruflichen Tätigkeit näher charakterisiert – so etwa die Theologen und Prediger durch ein Kruzifix“.

Durch die ursprüngliche Präsentation der Bildnisse in Klebealben waren sie „Ausdruck der zeitgenössischen Wissenskultur, spiegelten sie doch in ihrer Bildgestaltung die Rolle des Dargestellten in Politik oder Wissenschaft“, schreibt Prof. Dr. Brigitta Wolff, Präsidentin der Goethe-Universität Frankfurt, in dem Grußwort des profunden Begleitbuchs.

Angelica Kauffmann „Johann Isaak von Gerning“, Ölgemälde von, 1798; Museum Wiesbaden

Exponate aus den Kollektionen von zwei weiteren großen Frankfurter Sammlern seien noch besonders erwähnt: das bisher gänzlich unbeachtet gebliebene spektakuläre Kunstbuch aus dem Jahre 1588 des Frankfurter Patriziers Heinrich Kellner sowie einige zoologische Präparate, die Johann Christian Gerning und Sohn Johann Isaak von Gerning systematisch zusammengetragen haben. Die äußerst breitgefächerten Kollektionen der Gernings umfassten neben Kunstsammlungen mit Zeichnungen, Drucken und Gemälden, Bücher, Münzen, Altertümer und Volkskunst sowie die zoologischen Präparate, die sich teilweise sogar bis zu der berühmten Naturforscherin und Künstlerin Maria Sibylla Merian zurückführen lassen. Die Sammlungen vermachte Johann Isaak von Gerning auf Goethes Anraten an die Nassauischen Museen in Wiesbaden, deren Grundstock sie bildeten.

Das ungewöhnlichste Porträt: „Senckenbergs Kater“ von Johann Benjamin Ehrenreich, 1751, Öl auf Leinwand; Porträtsammlung Dr. Senckenbergische Stiftung

Die thematisch geordnete Schau bietet insgesamt eine abwechslungsreiche Auswahl von 42 Gemälden und 105 Druckgraphiken, welche die soziale Ordnung der ständisch organisierten Gesellschaft Frankfurts vom 16. bis 18. Jahrhundert hervorragend widerspiegeln.

Die beeindruckende Ausstellung, welche die neue Direktorin Dr. Birgit Sander als „besonderen Glücksfall“ bezeichnet, entstand in Zusammenarbeit mit der Städel-Kooperationsprofessur und Studierenden am Kunstgeschichtlichen Institut der Goethe-Universität.

Die Ausstellung „Die Welt im BILDnis“ im Museum Giersch, Foto: Petra Kammann

Die Welt im BILDnis. Porträts, Sammler und Sammlungen in Frankfurt zwischen Renaissance und Aufklärung“ ist bis zum 13. September 2020 im Museum Giersch zu sehen; weitere Informationen unter: www.museum-giersch.de sowie ein Einführungs-Video mit Prof. Sander auf: https://www.youtube.com/watch?

 

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