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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Eine Reise in den Iran und ein Besuch in seine Kultstätten

Wo Engel hausen – Ein Land zwischen Tradition und Moderne

Das archäologische und historische Museum in Teheran, eingeweiht im Jahre 1937, beherbergt 7000 Jahre alte Kunstwerke des prähistorischen, antiken und islamischen Iran.

Paulina Heiligenthal,
die Künstlerin, Fotografin
und Schmuckdesignerin,
hat sich von der
alten Kultur des Iran
bezaubern lassen und
stellt uns besondere Orte
und Menschen vor

Die Kleidervorschriften im Iran besagen, dass alle Frauen in der Öffentlichkeit einen losen Schal um den Kopf tragen müssen und der Po zweimal bedeckt sein muss. Im Laufe einer kleinen Fotosession lässt eine der beiden Studentinnen ihren Hijab für ein Porträt fallen.

Zwei Studentinnen im Museum

In der Farbgebung gibt es keine Einschränkungen. Die selbst- und modebewusste Städterin lotet ihre Grenzen aus – mit engen, bunten Leggings, darüber einen Manteau oder Trenchcoat. Zudem besitzt sie die Kunst, den Hijab am letzten Drittel des Hinterkopfes so zu tragen, dass er nicht herunterfällt. Auf diese Weise kommen die blonden, brauen, mitunter auch schwarzen Haare in fast voller Schönheit zum Vorschein.

Hijab-Stilikonen vor dem Nationalmuseum

Apropos Schönheit. Schönheit ist hier ein Zauberwort und äußert sich in grell geschminkten Lippen, bunt lackierten Nägeln, Glamour-Augenbrauen und weißen Verbandkäppchen auf der Nase, Zeichen einer Nasen-Operation, bei der man unter 5 bis 6 Protonasen auswählen kann.

Märchenhaft schöne Oase – der  Golestan Palast

Der prächtige Golestan Palast, in seiner heutigen Form in 1865 umgestaltet, war einst die offizielle Residenz der Kadscharen-Monarchen, einer Herrscherdynastie. Umgeben von einer kleinen Grünfläche, ist er mit seinen Wasserspielen eine Oase, inmitten der Metropole. Die Außenseite des Palastes ist mit Keramikkacheln verkleidet, die sich zu bunten Ornamenten oder Miniaturdarstellungen zusammenfügen.

Atemberaubend, die Pracht im Inneren. Ein Meisterstück persischer Innenarchitektur

Im Spiegelsaal fällt das Licht durch die bunten Glasfenster, damit es sich dann tausendfach in den Spiegeln brechen kann.

Vom Pfauenthron, der mit Blattgold geschmückte und mit mehr als 25.000 Edelsteinen bestückte Thronsessel, ist nur eine Replik zu sehen. Dieser Thron war für die Lieblingsfrau von Nader Schah Tavus, deren Name Pfau bedeutet, gedacht. Er muss 1739 bei einem Raubzug gegen die Mogule in Indien erbeutet worden sein. Das Original befindet sich in der Sammlung des Juwelenmuseums im Untergeschoss der National Bank.

Es war einmal… ein Märchen und ein Diktator. Im Golestan Palast lebte einst Reza Pahlevi, der letzte Monarch des Iran

Vor der Kulisse des Elburs-Gebirges verbindet eine 270 Meter lange Fußgängerbrücke über eine Stadtautobahn hinweg zwei Parkanlagen miteinander.

Die raffinierte Konstruktion der geschwungenen 270 m langen Fußgängerbrücke

Die kunstvoll geschwungene Tabiat-Brücke aus dem Jahr 2014 gilt als Treffpunkt für lustwandelnde Pärchen, Familien, Radfahrer und Jogger. Durch ihre außergewöhnliche Architektur und Modernität vermittelt sie ein Gefühl von Freiheit und Lebensfreude.

Das Wahrzeichen der Stadt ist der monumentale, an expressionistische Architektur erinnernde, 45 Meter hohe Azadi- oder Freiheitsturm. Anlässlich des 2500-jährigen Jubiläums der iranischen Monarchie wurde er 1971 als Schayid-Turm, Denkmal der Schahs, erbaut, während die von Engeln behütete Palastanlage einer anderen Zeit entspringt.

Der Palast, ein geschmückter und von Engeln behüteter Ort

Auf dem Weg nach Shiraz

Die antike Stadt Bischapur

Der Weg in die Oasenstadt Shiraz führt über die antike Sassanidenstadt Bischapur. In einer beachtlichen Höhe stehen hier die Ruinen einer prunkvollen Palastanlage mit Felsreliefs vor einem Gebirgsmassiv. Durch das Koran-Tor fahren wir ins Herz der Großstadt Shiraz in den Süden des Landes. Die Stadt ist bekannt für ihre üppigen Rosengärten, Nachtigallen und die berühmtesten Poeten Persiens: Saadi, etwa 1210 – 1292 und Hafez, etwa 1315 – 1390.

Lyrikliebhaber und Liebespaare pilgern zu den Ruhestätten der großen Dichter, um hier voller Hingabe, Verse der Poeten zu rezitieren. Allen voran zum Grab von Hafez, der in einem Paradiesgarten am Rande der Stadt seine letzte Ruhe fand und doch allgegenwärtig ist.

Foto: Hier ist die Poesie zu Hause: Grabmal von Hafez in einer anmutigen Gartenanlage 

Die Umgebung von Shiraz, der Hauptstadt der Provinz Fars, war vor mehr als 2500 Jahren das Kernland der altpersischen Dynastien der Achämeniden (559 bis 330 v. Chr.) und der Sassaniden (224 bis 651).

Shiraz kann mit seiner Universität und seinen hervorragenden Krankenhäusern dem internationalen Vergleich durchaus standhalten. Hier lassen sich zudem iranische Damen ihre Nasen verschönern und die Herren der Schöpfung Haare transplantieren.

Farbenprächtige Mosaiken

Die Nasr-el-Molk-Moschee ist ein Juwel aus dem Jahr 1876. Ihre Mosaiken: ein Kaleidoskop aus Formen und Farben. Nischen und Kuppeln wie Bienenwaben. Am frühen Morgen, wenn das Sonnenlicht durch die farbige Glasfassade fällt, bietet der Innenraum ein atemberaubendes Farbenspiel.

Ein Kleinod in Shiraz ist die historische Gartenanlage Bagh-e Narenjestan, der „Bitterorangengarten“, mit prächtigen Blumen- und Rosenbeeten. Der Kadscharenkönig Naser ad-Din Schah erbaute hier eine Herrschaftsresidenz mit Palast. Der Innenbereich des Palastes ist vollständig mit Spiegelmosaiken verziert, die Kassettendecken mit wunderschönen Malereien.

Vor 250 Jahren bescherte König Karim Khan Zand der Stadt Frieden, Wohlstand und feinste Architektur wie zum Beispiel den historischen Vakil-Basar oder das Vakil-Hammam, das  jetzt ein Museum ist. Hier stellen Wachsfiguren die Badegepflogenheiten dieser Epoche dar.

Die majestätische Zitadelle, ein 4000 m² großes Bauwerk mit vier 15 Meter hohen Ziegeltürmen, das einer mittelalterlichen Festung ähnelt, geht ebenfalls auf sein Wirken zurück. Um das beeindruckende Bauwerk zu errichten, lud Karim Khan die besten Architekten und Künstler seiner Zeit ein. Türkisfarben leuchtet die Kuppel in Form einer geschlossenen Tulpe aus der Ferne.

Drittheiligster Ort im Iran – Grün leuchten die funkelnden Mosaiken mit der Kuppel des Schah Cheragh Mausoleums

Unter den mächtigen Kuppeln des Schah Cheragh Mausoleums ruhen Amir Ahmad (gestorben 835), genannt „König des Lichts“, und Mir Muhammad. Beide waren Brüder des Imam Reza, die vor der Verfolgung durch die Abbasiden in Shiraz Zuflucht gefunden hatten.

Das ursprüngliche Grabmal aus dem 12. Jh. wurde im Laufe der Epochen im 16. und 18. Jahrhunderts restauriert und vergrößert. Im  Grabraum mit dem Sarkophag sind alle Flächen mit funkelnden Spiegelmosaiken geschmückt. Überwältigend, das grüne Leuchten! Für gläubige Schiiten ist diese erhabene, friedvolle Pilgerstätte nach Mashad und Qom der drittheiligste Ort im Iran.

Shiraz – das Tor nach Persepolis

Shiraz gilt als Tor zur nordöstlich gelegenen, weltberühmten Königsstadt Persepolis, eine der Hauptstätten des antiken Perserreichs. Das weitläufige und glanzvolle Palastareal des einstigen Weltreiches von Darius I. wurde  im Jahr 520 v. Chr. errichtet.

Am Fuße des „Berges der Barmherzigkeit“ und über der „Ebene des Lichtes“ gelegene ca. 15 ha große Terrasse entstand unter Darius I. eine prunkvolle Palaststadt, die durch seine Nachfolger mit eigenen Palästen vergrößert wurde. 330 v. Chr. wurde die Residenz durch Alexander den Großen zerstört. Da die Bewässerungsanlagen ebenfalls zerstört wurden, hat der Wüstensand die Gebäude weitgehend konserviert.

Diese Stätte gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. Mit ihren vielleicht schönsten Palästen der Antike zieht sie nicht nur Touristen in ihren Bann, sondern ist vor allem für viele Iraner selbst ein geschichtsträchtiger Identifikationsort. Erhaben und majestätisch liegt die Ruinenstadt da – ein krönender Abschluss der ersten Reise-Etappe.

Hamadan

Diese Aufnahme entstand vor der bedeutendsten Sehenswürdigkeit der Stadt Hamadan am Fuße des mächtigen Zagrosgebirges.

Die Gedenkstätte mit Museum ist dem Arzt und Philosophen Avicenna (980 – 1037) gewidmet, besser bekannt als der „Medicus“. Avicenna zählt zu den berühmtesten Persönlichkeiten seiner Zeit .

In Hamadan führt mein Weg auch zur jüdischen Grab- und Pilgerstätte von Esther, der legendären Königin, Ehefrau von Xerxes I sowie ihres Stiefvaters Mordechai. Durch Fasten und Beten soll die Königin ihren Ehemann im 5 Jahrhundert v. Chr. davon abgehalten haben, alle persischen Juden ermorden zu lassen. Das Purimfest erinnert an die Rettung der Juden im Achämeniden-Reich.

Esther und Mordechai sind nicht nur ein Teil der jüdischen, sondern auch der iranischen Identität. Im Iran leben heute etwa 25.000 Juden. Die größten jüdischen Gemeinden sind in Teheran, Shiraz und Isfahan. In der Hauptstadt gibt es elf Synagogen, die zwar schwer auffindbar, doch allesamt für den jüdischen Gottesdienst geöffnet sind.

Kermanschah

Eine ehemalige Karawanserei in Bisotun

Die Weiterfahrt verläuft entlang der historischen Karawanenroute zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannte Dariusrelief in Bisotun, östlich der Stadt Kermanschah. Hier befinden sich viele Spuren verschiedener Kulturen. Auf einer Strecke von 3 km x 5 km sind dort etwa 28 antike Fundstätten registriert worden.

Während Straßenarbeiten entdeckten Arbeiter unter Geröll ein großes Herkules-Denkmal. Es wird auf das Jahr 153 v. Chr. datiert und zeigt Herkules auf einem Löwenfell ruhend. Die 1.47 Meter lange Skulptur wurde aus einem Felsen herausgeschlagen.

Über der Krönungszeremonie spannt sich eine Art Himmelsbogen

Bei Kermanschah an der antiken Seidenstraße, wunderschön an einem kleinen See gelegen, besichtige ich das archäologische Kleinod Tagh-e Bustan. Ein Komplex von gut erhaltenen, bogenförmigen Felsreliefs und Inschriften. Die kleine Bogennische zeigt eine Krönungszeremonie des Sassaniden-Herrschers Ardashir II. (379 -383), der Julianus, den Kaiser von Rom, tötete. In der fast 12 m großen Bogennische sind neben Krönungsfeierlichkeiten auch Darstellungen von Jagdszenen aus der Sassaniden-Zeit zu sehen. Man schätzt, dass sie aus der Zeit um 590 – 628 n. Chr. stammen.

Das antike Susa und der Tempel vonTschogha Zanbil

Ländliches Leben, wo Frauen in Tschadors gehüllt sind

Das Zagrosgebirge mit seinen tiefen Schluchten, schroffen Berggipfeln und malerischen Dörfern bietet Einblicke in das ländliche Leben. Hier sieht man die Frauen meistens in Tschadors („Zelt“) gehüllt.

Unweit der Grenze zum Irak besuche ich die antike Stadt Susa, eine der ältesten durchgehend besiedelten Städte der Welt, wahrscheinlich um 4200 v. Chr. errichtet. Verschiedene archäologischen Ausgrabungen förderten reiche Funde zu Tage, die heute in der ganzen Welt verteilt sind.

Allen voran den Fund des Codex Hammurapi – eine babylonische Sammlung von Rechtssprüchen aus der Zeit um 1800 v. Chr., die als eines der bedeutendsten literarischen Werke des antiken Mesopotamiens gilt. Dieser Codex war schon im Altertum als Beutegut nach Susa verschleppt worden und hatte entsprechend für Aufsehen gesorgt. Die nahezu komplett erhaltene Dionitstele mit großen Teilen des Codex Hammurapi befindet sich heute im Pariser Louvre.

Das Grabmal des Propheten Daniel in Susa

Nach biblischer Überlieferung hat sich der Prophet Daniel während seines babylonischen Exils in Susa aufgehalten. Denn unterhalb des sehenswerten Susa-Museums befindet sich sein Grabmal. Das Mausoleum hat die Form eines asymmetrischen weißen Turmes und gilt heute als Pilgerstätte.

In der Dämmerstunde erreiche ich 40 km von Susa entfernt schließlich den einzigartigen Tempelbezirk von Tschogha Zanbil. Der Stufentempel wurde um 1935 von Geologen, die nach Öl suchten, vom Flugzeug aus entdeckt. Die Residenzstadt, die 1275-1240 v. Chr. errichtet worden ist, ist von größtem Wert für die Forschung und gehört heute zum UNESCO-Welterbe. Die beeindruckende Anlage beherbergte kostbare Funde wie Rollsiegel, Waffen und Tierskulpturen. In der Mitte der Anlage befindet sich eine ummauerte Zikkurat, jetzt noch 25 m hoch, die als eine der am besten erhaltenen Tempeltürme Mesopotamiens gilt. Keilinschriften in den Steinen bezeugen, dass der Tempel der Elam-Hauptgottheit Inschuschinak geweiht war. Majestätisch die Größe der in warmes Licht getauchten Tempelanlage, und geradezu mystisch ihre Ausstrahlung!

Nachdem ich diese herrlichen Stätten und warmherzigen Menschen im Iran erlebt habe, bei der ich in die alte persische Kultur eingetaucht bin, muss ich zum Schluss meiner Reise kommen: In diesem vielgesichtigen Land leben heute Menschen, die unbewusst mit den Waffen der Sympathie gegen den unverdient schlechten Ruf, der ihnen anders vorauseilt, kämpfen und für das sie mit ihrer menschlichen Wärme werben. Für mich ist es nicht die Politik, nicht die politische Bedrohung einer Großmacht, sondern das empathische Naturell der Menschen, das dieses Landes so liebenswert macht!

→ Fotografie von Paulina Heiligenthal im Kunstverein Bad Homburg Artlantis
→ Paulina Heiligenthal: „Menschen in Äthiopien“

→ Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis … Fotografien von Paulina Heiligenthal

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