Warum in die Ferne schweifen? Reizvolle Entdeckungstour durch Eppstein
Die „Perle der Nassauischen Schweiz“ und Stadt der „Tempel“
Von Hans-Bernd Heier
Eppstein –Trotz der Corona-Lockerungen sind Reisen in die Lieblingsländer der Deutschen derzeit noch nicht möglich. Doch warum in die Ferne schweifen, liegt das Gute oft so nah? Auch im näheren Umkreis lässt sich viel Neues und Überraschendes entdecken, wie beispielsweise in Eppstein, der „Perle der Nassauischen Schweiz“ und Stadt der „Tempel“
Eppsteins geschichtsträchtige Burgruine
Über der kleinen Altstadt Eppsteins erhebt sich die altehrwürdige, ursprünglich romanische Burgruine. Das auf dem Felssporn eines Bergrückens errichtete Gemäuer wurde im Jahre 1122 erstmals urkundlich erwähnt. Es war die Hauptresidenz der Herren von Eppstein, einem alte deutschen Adelsgeschlecht, das von den Herren von Hainhausen abstammte, sich aber später nach seiner Stammburg benannte. Bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts hatte sich am Fuße der Burg eine Siedlung gebildet, die 1318 Stadtrechte erhielt. Aus ihr erwuchs die heutige Burgstadt Eppstein.
Die Herren von Eppstein gehörten einst zu den mächtigsten Geschlechtern, deren Besitztümer vom Odenwald bis zur Lahn, vom Mittelrhein bis zum Spessart reichten. Im 13. Jahrhundert wurden vier von ihnen gar Kurfürsten und Erzbischöfe von Mainz. 1420 standen die Grafen auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Doch nur fünf Jahre später begann der Niedergang. Geblieben ist nur die Burgruine, die heute die malerische Kulisse für traditionelle Ritterfeste, Theaterdonner und Freiluftkonzerte bildet.
Das älteste bekannte Fachwerkhaus des Main-Taunus-Kreises
Eppstein erlebte seit dem späten 15. Jahrhundert eine äußerst wechselvolle Geschichte. Ein Teil des Städtchens des Städtchens wurde schon 1492 an den hessischen Landgrafen verkauft, die andere Hälfte mit den Orten Bremthal, Ehlhalten, Niederjosbach und Vockenhausen fiel 1581 Kurmainz zu, nachdem 1535 die Linie der Eppsteiner ausgestorben war. Später geriet der Ort unter französische Herrschaft, wurde dann dem Herzogtum Nassau zugeschlagen und 1866 dem Königreich Preußen. Seit Ende des Zweiten Weltkrieges gehört die „Perle der nassauischen Schweiz“ zu Hessen. (Besonders schöne Regionen schmückten sich seit der Romantik gerne mit dem Beinamen „Schweiz“).
Zu Füßen der mächtigen Burgruine liegt die gepflegte historische Altstadt mit den schmucken Fachwerkhäusern aus barocken Zeiten. Am zentral gelegenen Werner-Platz – benannt nach dem aus Eppstein stammenden Erzbischof von Mainz – können Besucherinnen und Besucher das älteste bekannte Fachwerkhaus des Main-Taunus-Kreises von 1459 bewundern. Nur wenige Meter weiter ließen die Herren von Eppstein in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts auf den Fundamenten von zwei alten Gotteshäusern die Talkirche im spätgotischen Stil erbauen. Die heute evangelische Kirche ist das älteste erhaltene Bauwerk der Burgstadt, das die Macht der Erbauer angemessen repräsentieren und als würdige Grablege dienen sollte. Markant ist der mit Schieferplatten eingedeckte Kirchturm mit der „Haubenlaterne“ sowie der Sonnenuhr aus dem Jahre 1620.
Blick auf den Kaisertempel und dem beliebten Ausflugslokal
Ein herrlicher Blick auf Eppsteins dicht gedrängte Altstadt bietet sich von dem hoch auf dem Staufen gelegenen Kaisertempel. Dieser wurde 1894 von dem rührigen Verschönerungsverein Eppstein im klassizistischen Stil erbaut. Der ästhetische, weiß getünchte Bau besteht lediglich aus der Tempel-Vorhalle mit vier Säulen. Er wurde zum Andenken an die deutsche Einigung von 1871 errichte. Der Name bezieht sich auf die in der Vorhalle abgebildeten deutschen Kaiser Wilhelm I. sowie seinem Nachfolger Friedrich III. Obwohl Kaiser Wilhelm II zum Zeitpunkt des Baus schon regierte, ist er nicht abgebildet. Geehrt werden sollten vielmehr die Einiger des deutschen Vaterlandes. Aus diesem Grunde wurden neben den beiden Kaisern auch Reichskanzler Otto von Bismarck sowie Generalfeldmarschall Helmut von Moltke mit Büsten bedacht. Ansprechend gestaltete Hinweistafeln informieren die Besucherinnen und Besucher über die geschichtlichen Hintergründe.
Der Verschönerungsverein veranstaltet jedes Jahr am ersten Sonntag im September das sogenannte „Kaisertempel-Fest“. Der Tempel ist Ausgangspunkt mehrerer Wanderwege. Ein nahes Ziel ist der „Große Mannstein“ (Felsen östlich des höchsten Punktes des Staufen) mit guter Sicht auf weite Teile des Rhein-Main-Gebietes und der Skyline von Frankfurt.
Villa Anna mit Neo-Renaissance- und Jugendstil-Fachwerk
Die Büsten hat der wohlhabende Frankfurter Bankier Alfred von Neufville gestiftet. Dieser hatte oberhalb des Eppsteiner Stadtbahnhofs in den 1880er Jahren die herrschaftliche Villa Anna bauen lassen. Zusammen mit seiner Frau Anna, geb. Mumm von Schwarzenstein, und den beiden Töchtern Clara und Hilda verbrachte er jedes Jahr mehrere Monate in dem großzügigen Anwesen am Jähenberg, um die Taunusluft zu genießen.
Das schräg hinter der Villa 1898 erbaute „Kavaliershaus“
Die Villa Anna ist umgeben von einem herrlichen Bergpark. Nur zwei Parks in Hessen werden als Bergparks bezeichnet: der am Jähenberg und der Bergpark Kassel Wilhelmshöhe, der größte seiner Art in Europa. Die Blickachsen des Landschaftsparks in Eppstein sind zwar mittlerweile zugewachsen, aber die exotischen Bäume: Douglasien, Mammutbäume, Weymouthskiefern, griechische Tannen und orientalische Fichten beeindrucken noch heute.
Im Garten hinter der Villa ein Madonnenrelief im Stile der Werkstatt des Florentiner Bildhauers Lucca della Robbia
Die Villa Anna wurde 1933 Müttererholungsheim der Evangelischen Frauenhilfe in Hessen und Nassau und 1981 zu einer Therapeutischen Einrichtung der Jugendberatung und Jugendhilfe von Frankfurt am Main.
Der dringend sanierungsbedürftige „Neufvilleturm“
Oberhalb der Villa liegt der „Neufvilleturm“ – eine Miniatur-Kopie einer mittelalterlichen Burg. Dieser war für die Aufnahme der Jagd- und Kunstsammlung der Neufvilles gedacht und sollte an die Stammburg der hugenottischen Familie in Frankreich erinnern. 1933 erwarb die Stadt Eppstein die im historisierenden Stil errichtete kleine Burg als Aussichtsturm. Leider ist das Bauwerk derzeit ein Sanierungsfall und der Turm nicht besteigbar.
Sehenswert sind heute in dem rund zehn Hektar großen Bergpark noch Nachbauten: das Schweizer Haus, das große Taubenhaus sowie die künstliche Ruine.
Eppstein bietet eine Reihe abwechslungsreicher Wanderwege. Besonders vielfältig ist der Panoramaweg mit schönen Ausblicken auf die Altstadt, die Eppsteiner Burg und die Taunuslandschaft. Zur Überraschung mancher Wanderfreunde führt er an einer Reihe von Tempeln vorbei. Eppstein ist nicht nur die „Perle der Nassauischen Schweiz“, sondern auch „Stadt der Tempel“. Zwar kann sich keiner dieser sogenannten Tempel mit der Größe und Lage des Kaisertempels messen, aber auch diese meist im Pavillon-Stil errichteten Stätten, können mit spannenden Geschichten aufwarten.
Der schlichte Männerchor-Tempel
Der evangelische „Männerchor-Tempel“ liegt inmitten des „Kriegerwaldes“. Er war zunächst Treffpunkt aller Sänger und die davor liegende Plattform wurde für Gesangsdarbietungen und Sängerwettstreite genutzt. Doch bereits wenige Jahre später spaltete sich der katholische Gesangsverein ab und errichtete in der Nähe den etwas kleineren und filigraneren „Concordia-Tempel“. Nicht weit davon entfernt befindet sich auch der „Georg-Sparwasser-Tempel“, der nach dem langjährigen Vorsitzenden des Verschönerungsvereins Eppstein benannt ist. Neben dem nach dem Forstmeister Ernst Krekel benannten „Krekel-Tempel“, sei noch der „Pionier- oder Blechtempel“ erwähnt.
Wegen seiner Dachform wird der Pavillon auch „Omnibustempel“ genannt
Der oberhalb des Eisenbahntunnels gelegene eiserne Aussichts- und Schutzpavillon wurde bereits 1889 im Zuge des aufblühenden Fremdenverkehrs errichtet. Der Verschönerungsverein Eppstein hat den im Volksmund wegen seiner Dachform als „Omnibustempel“ bezeichneten Eisen-Pavillon 1990/91 mit Unterstützung der Stanniolfabrik und der Stadt Eppstein renovieren lassen.
Fotos: Gisela Heier