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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Hilfen des Landes Hessen für den Neustart von Kunst und Kultur in Corona-Krise

Hessens dynamischer Rettungsschirm für die Kultur

Hessens Kunst- und Kulturministerin Angela Dorn (Grüne) stellte am 11. Mai in der Staatskanzlei ein in drei Phasen abgestuftes Hilfs-Kulturpaket für den Neustart von Kunst und Kultur in der Corona-Krise vor. Dieses soll den hessischen Künstlern, Festivals und Kultureinrichtungen helfen, die noch geltenden Einschränkungen zu überstehen, den Einnahmeausfall zu verkraften und den Neubeginn zu schultern. Festivals, die ihre Veranstaltungen absagen oder in den digitalen Raum verlegen müssen, erhalten finanzielle Unterstützung ebenso wie freie Künstlerinnen und Künstler, Kultureinrichtungen und Spielstätten. Außerdem werden Künstlerinnen und Künstler mit innovativen Ansätzen beim Neustart gefördert. Insgesamt stellt das Land für dieses Förderprogramm bis zu 50 Millionen Euro zusätzliche Mittel bereit. Ein beachtliches Paket, findet Petra Kammann

Hessens Wissenschafts- und Kunst-Ministerin Angela Dorn (Grüne); Fotos: Petra Kammann

Da in Coronazeiten auch in der Staatskanzlei die üblichen Abstandsregeln und Hygienevorschriften herrschen, konnten – nach Voranmeldung – nur wenige Journalisten an der Pressekonferenz teilnehmen, in der Ministerin Angela Dorn ihr Konzept erläuterte, wie das Land Hessen dazu beiträgt, die Kulturschaffenden darin zu unterstützen, den Ausstieg aus der Krise vorzubereiten. Neuartig war hier nicht nur der Abstand zwischen den Journalisten, sondern, dass vorangemeldete Journalisten der Pressekonferenz per Skype zugeschaltet wurden, um mit zu diskutieren, was von einer kleinen technischen Panne mal abgesehen, auch gut funktionierte.

Möglicherweise ist dieser Mix aus Live-Konferenz plus Zuschaltmöglichkeit für die ein oder andere Veranstaltung ein kleines Vorbild-Experiment, wie man unter den neuen Distanzbedingungen das Problem größerer Menschenansammlungen kanalisieren kann. Dennoch: Kultur ist auch ein Gemeinschaftserlebnis. Auf Dauer löst das nicht das Problem der Theater, Opern- und Konzerthäuser, zu denen nun mal der Live-Auftritt größerer Gruppen von Darstellenden wie auch die geballte Präsenz der Zuschauer mit ihren unmittelbaren Reaktionen ohne jedes Wenn und Aber dazugehört, wenn ein ungewöhnlich emotionales Bühnen-Erlebnis uns bewegt, man beseelt nach Hause geht und die Aufführung auf Dauer im Gedächtnis bleibt.

Pressekonferenz in der Staatskanzlei auf Abstand, auf dem vorderen Bildschirm wurden Teilnehmer per Skype zugeschaltet – live mit Pressereferent Volker Schmitz (li) und Ministerin Angela Dorn (re)

Ausgesprochen sympathisch war das klare Bekenntnis und Engagement der Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Angela Dorn, zur Kultur. Die sei nun mal kein Luxus oder gar oder ein „Sahnehäubchen in guten Zeiten“, sondern ein elementarer Bestandteil unseres Lebens und damit auch eine wichtige Grundlage für eine offene Gesellschaft. Deshalb habe sie daran gearbeitet, finanzielle Brücken zu bauen, um etlichen Kulturschaffenden, die unverschuldet durch den plötzlichen Einbruch des Virus Covid 19 in prekäre Situationen geraten sind, ein Stückchen Planungssicherheit mit auf den Weg zu geben.

Dabei sieht Dorn, dass, ausgelöst durch die Krise, zwischenzeitlich auch im Netz etliche kreative Ideen zum Tragen gekommen sind, die man mit in die Zukunft hinüberretten und in innovative Formate einbinden könne. Gleichwohl sieht sie, dass ohne finanzielle Unterstützung etliche prekäre Existenzen gefährdet sind. Aus diesem Grund hat sie sich für ein 3-Phasen-Modell und einen Etat von 50 Millionen stark gemacht, das ab dem 1. Juni und bis zum 1. November greifen soll.

Die Ministerin bei der Erläuterung der drei Phasen

Phase 1: Soforthilfe

Zusätzlich zu den bereits bekannten Soforthilfen richtet sich Hessen an die Kulturfestivals (Musik, Theater, Film) und ihre drängenden Probleme, die mit mehr als 100 Teilnehmern –  wie zum Beispiel das Rheingau Musik Festival  – aufgrund der Corona-Pandemie als Großveran-staltung komplett abgesagt werden mussten oder solche, die in den digitalen Raum verlagert und daher neue Vorkehrungen treffen werden müssen.

In einer solchen ersten Phase, in der die Unterstützung von Festivals im Fokus steht, können Anträge zwischen dem 1. Juni 2020 und bis zum 30. November beim Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst gestellt werden… In diesem Zusammenhang wies die Ministerin darauf hin, dass dies nicht ausschließe, auch zusätzliche Sponsoren anzusprechen. Dies sei kein Ausschlusskriterium. Bedingung dafür sei der Nachweis eines Liquiditätsengpasses durch einfache Auflistung unter Beifügung des Wirtschaftsplans. Bisherige Zuschüsse durch Soforthilfe und Vereinshilfen müssten angegeben werden und würden angerechnet. Der Betrag ist insgesamt auf 500.000 Euro gedeckelt.

Soforthilfen können aber auch privatwirtschaftlich organisierte Einrichtungen, Selbständige und Freiberufler sowie Kultureinrichtungen, Kulturvereine, Veranstalter, wirtschaftlich tätige Vereine, gemeinnützge Vereine sowie Zweckbetriebe beantragen. Beantragt werden kann eine finanzielle Unterstützung – je nach Situation – bis zu 10.000 Euro. Vereine müssen dann eine existenzbedrohende Liquiditätslücke vorweisen. Das betrifft insbesondere Vereine, die so genannte Zweckbetriebe unterhalten, also kulturelle Einrichtungen wie Museen oder Theater, und die Träger von kulturellen Veranstaltungen wie Konzerten und Kunstausstellungen, Musikschulen oder Gesangsvereine.

Wenn diese Vereine sich dauerhaft am Markt als Unternehmen betätigen, sind Liquiditätslücken, die durch die Corona-Pandemie in diesem Betrieb entstehen, förderfähig. Das heißt, dass Verluste, die etwa aus entgangenen Eintrittsgeldern oder Unterrichtsgebühren entstehen, geltend gemacht werden können. Die maximale Höhe richtet sich nach der Zahl der verkauften Eintrittskarten im Schnitt der vergangenen drei Jahre: 2,50 Euro pro Ticket im Falle öffentlich getragener Festivals, 5 Euro pro Ticket bei von gemeinnützigen Vereinen oder von privaten Institutionen getragenen.

Solo-Selbstständige und Freiberufler können hier etwa Hilfen für die Miete von Ateliers oder Büros bekommen oder für die Zahlung bestehender Raten für den notwendigen Kauf technischer Geräte. Es geht darum, deren nicht reduzierbare Betriebskosten zu sichern. Solo-Selbstständige können auf die kombinierten Liquiditätshilfen von Land und Bund zurückgreifen. Davon sind ihre persönlichen Rücklagen und Vermögen wie zum Beispiel eine Lebensversicherung nicht betroffen. Was hingegen nicht abgedeckt werden kann, sind deren Lebenshaltungskosten. Dafür hatte Ministerin Angela Dorn sich zwar beim Bund eingesetzt, dem wurde jedoch nicht zugestimmt.

Da in Hessen die Hilfen von Land und Bund gemeinsam verwaltet werden, sorge das  – so die Ministerin –  für einfache unbürokratische Antragstellung und hohe Verbindlichkeit. Die Soforthilfe unterstützt kleine Unternehmen bis zu 50 Beschäftigten bei ihren laufenden Betriebsausgaben wie Mieten, Pachten oder Leasingverträgen. Wichtiger Vorteil in dieser ersten Säule ist, dass persönliche Rücklagen und Vermögen wie zum Beispiel eine Lebensversicherung bei Personengesellschaften nicht angetastet werden. Es geht ausschließlich darum, die nicht reduzierbaren Betriebskosten zu sichern. Das Geld daraus wird als Zuschuss gewährt.

Phase 2: Übergang sichern

Da vor allem freie Kulturschaffende als auch Soloselbstständige einen Einnahmenausfall nur schwer verkraften können, greift in der zweiten Phase die Hilfe für deren Existenzsicherung. Da die Lebenshaltungskosten vom Bund nicht übernommen werden, hat Hessen sich an das Vorgehen in Rheinland-Pfalz angelehnt, nach dem freie Künstlerinnen und Künstler – dazu zählen ausdrücklich Angehörige der Künstler Sozialkasse mit Erstwohnsitz in Hessen – durch Arbeitsstipendien von je 2.000 Euro unterstützt werden. Das ermöglicht ihnen, neue Projekte zu erarbeiten oder bestehende fortzuentwickeln. Damit soll ihnen die Möglichkeit gegeben werden, neue Projekte für den allmählichen Übergang aus der Pandemie-Zeit zu erarbeiten.

Diese Arbeitsstipendien werden durch die Hessische Kulturstiftung vergeben und können mittels eines einfachen Antrags und unbürokratisch vom 1. Juni an  dort mit einer kurzen Projektskizze beantragt werden.

Auch dieser Zuschuss wird nicht als Einkommen auf etwaige Grundsicherungsleistungen angerechnet. Darüberhinaus sollen die freien Künstlerinnen und Künstler auch die Möglichkeit erhalten, in einem digitalen Schaufenster besondere künstlerische Ergebnisse einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen.

Phase 3: Neues und Innovatives fördern

Da es absehbar ist, dass es nach der Sommerpause nur zu einer langsamen Rückkehr wieder in die „Normalität“ kommen wird, soll sowohl Kulturorten, Gruppen und Künstlerinnen und Künstlern ein Neueröffnungs-Fonds als auch jeweils ein Stipendien ihnen dabei helfen, begehbare Brücken in die Zeit nach der Pandemie zu bauen. Das können sowohl bauliche und technische Veränderungen sein, die in Theatern oder ähnlichen Institutionen vorgenommen werden müssen oder auch neue Werbemaßnahmen bzw. Öffentlichkeitsarbeit, die ergriffen werden müssen. 

Kinos, Konzertsäle und Musik-Locations, Soziokulturelle Zentren, Freie Bühnen, Literaturhäuser und andere kulturelle Spielstätten können etwa für die Entwicklung neuer Formate, bauliche Anpassungen Unterstützung mit einem Pauschalbetrag von je 18.000 Euro erhalten. Insgesamt werden 500 Fonds-Pakete für solche Fälle vergeben. Eine Kombination mit anderen Hilfen wie etwa den angekündigten Programmen des Bundes soll darüberhinaus möglich sein.

In der Zeit der Pandemie sind viele neuartige Ansätze für Kulturveranstaltungen und künstlerische Formate, für Vermittlung und Pädagogik sowie für die Präsentation von Kultur entstanden. Die Projektstipendien für freie Gruppen und Einzelkünstlerinnen und -künstler ermöglichen somit die Realisierung, Dokumentation und Publikation dieser Ansätze. Der Fonds hält Mittel für 250 Gruppen in Höhe von je 18.000 Euro sowie für 1.000 Künstlerinnen und Künstler in Höhe von je 5.000 Euro bereit. Er wird über die Hessische Kulturstiftung abgewickelt und um die Seriosität zu unterstreichen, werden die Einreichungen von einer Fachjury beurteilt. Der Fonds „innovativ neu eröffnen“ greift für Kultureinrichtungen und Spielstätten sowie Projektstipendien für freie Gruppen und Einzelkünstlerinnen und -künstler. Die entsprechenden Anträge sind ab dem 1. Juli (Fonds) und 1. August 2020 (Stipendien) möglich.

50 Millionen für den Neustart von Hessens Kunst und Kultur in derartig schwierigen Zeiten, das ist schon eine stolze Summe. Natürlich wird der Kulturbetrieb über einen viel längeren Zeitraum als bis zum Herbst nicht in diesem Umfang förderbar sein. Aber Hessen ist es mit einer Portion Augenmaß angegangen. Die abgewogene 3-Phasen-Entwicklung klingt überzeugend. Das müsste die Kulturschaffenden dazu ermutigen, maßvoll mit diesem Angebot umzugehen. Bleibt nur zu hoffen, dass diese großzügige Angebot auch wirklich die Richtigen in prekären Lagen erreicht und die Kultur wieder ins Rollen kommt!

 

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