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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Das Osterlamm – Ein besonderer Brauch und ein Symbol des Lebens

Anschauungen zu Ostern 2020

von Petra Kammann

Das Schaf gilt seit jeher als Symbol des Lebens. Es bietet uns Speis und Trank (Milch, Käse, Fleisch), Kleidung, (Leder, Fell und Wolle) und Dach (Zelt), es liefert Material für die Herstellung von Trommeln, Hornblas- und Saiteninstrumenten, und wegen der guten Beziehungen zur Gottheit hat es sich in jüdisch-christlicher Tradition als Opfertier bewährt. So aß man traditionellerweise zum Pessach-Fest im Familienkreis ein Lamm in Erinnerung an die Befreiung des Volkes Israel aus der Sklaverei in Ägypten. Diese Tradition wurde von den Christen später übernommen. Da markiert das Lamm das Ende der Fastenzeit und das Wiederaufstehen des Lebens. Aber auch in der Geschichte der Malerei spielt das österliche Lamm keine unbeträchtliche Rolle, ganz besonders aber in dem berühmten Genter Altar der flämischen Meisters Jan van Eyck, der „das Lamm Gottes“ als Mittelpunkt seiner Bildkomposition geschaffen hat. Jahrelang wurde der berühmte Flügelaltar restauriert.

Detail aus: “Die Anbetung des mystischen Lammes” nach der Restaurierung, Genter Altar in der Kathedrale (c) Art in Flanders vzw, foto KIKIRPA, www.lukasweb.be

Das Bildnis des van Eyck’schen Lamms zieht derzeit zweifelsohne eine große Aufmerksamkeit auf sich, nicht nur wegen der Sonnenstrahlen, die auf sein Haupt fallen. Es bietet Anlass zum Jubeln. Denn: Mit dem Widderhorn, dem sogenannten Jobel – Ursprung unserer Worte Jubel und  Jubiläum – wurde seinerzeit zu großen Festen geblasen. Im Neuen Testament der Bibel wird Jesus von Johannes dem Täufer als „Lamm Gottes“  bezeichnet. Sowohl Petrus als auch Paulus sehen in Jesus das wahre Paschalamm /Osterlamm, womit sie sagen wollen: Jesus Christus ist für alle, die an ihn glauben, zum Inbegriff des Lebens geworden: „Speise und Trank, Boden und Dach, Geborgenheit und Festesfreude, Freiheit und Versöhnung mit Gott“.

Doch zurück zur Malerei. Das Lamm, das Christus symbolisierend im Zentrum des Altars zeigt, also die „Anbetung des Lammes Gottes“, war bei früheren Restaurierungen mehrfach übermalt worden. Sogar vier Ohren waren dabei zum Vorschein gekommen. Die Restauratoren, die in den letzten Jahren die Übermalungen aus fünf Jahrhunderten abgetragen hatten, waren nun aber erstmals auf das originale Lamm van Eycks gestoßen. Da trat eine wirkliche Überraschung zutage: Denn der zum Vorschein kommende Lammschädel trägt mit seinem intensiven Blick durchaus menschliche Züge und scheint den Betrachter unmittelbar und herausfordernd anzuschauen.

Als dann die Innentafeln des Genter Altars restauriert wurden, erstrahlte nicht allein das besondere Paneel “Die Anbetung des mystischen Lammes” wieder in völlig neuem Glanz. Die Farben, die vom vielen Firniss überzogen und dunkel geworden waren, wirken nun wieder kräftig und strahlend. Jetzt offenbaren sie viel mehr Details und eine größere Tiefenwirkung als jemals zuvor; da spiegeln die Gesichter den Seelenzustand der Menschen wider, da wirken Stoffe und Pelze täuschend echt, da schillern die Engelsflügel und funkeln die Juwelen ganz frisch. Die das Lamm umgebenden Wiesen liegen satt und grün da. Dahinter scheint die Silhouette der florierenden Stadt Gent auf.

Van Eycks Bemühen, jede noch so kleine Nebensache detailgetreu, exakt und fast haptisch erfahrbar abzubilden, war vor fast 600 Jahren ganz neuartig und versetzt uns bis heute in Erstaunen. Wegen Corona kann man das Bild über Ostern in der Genter St. Bavo-Kathedrale aber leider nicht anschauen. Glücklicherweise können wir uns durch die Möglichkeiten des Internets ein Bild davon machen. 

Auch das gebackene Osterlamm symbolisiert das Ende der Fastenzeit und verbindet die wiedergewonnene Süße mit dem Symbol des Lebens, Foto: Petra Kammann

Und was können wir in Zeiten der Kontaktsperre sonst noch erleben? Denn glücklicherweise existiert für uns neben der digitalen Welt auch noch eine ganz reale. Beginnen wir bei der Speise en famille. Da die Fastenzeit am Ostersamstag zu Ende gegangen ist, ist das Essen von Fleisch also wieder erlaubt. Daher ist es uns unbenommen, auch in Coronazeiten zum Festtag ein Osterlamm zu verspeisen, das wegen der satt-grünen Wiesen in dieser Jahreszeit ganz besonders köstlich ist. Und da gibt es noch andere Lammerlebnisse der besonderen Art, so dass man den Süßigkeiten des Lebens wieder frönen kann.

Da haben die wunderbaren Freunde Nina und Peter als Gabe für FeuilletonFrankfurt ein herrlich geschmücktes und nach allen Regeln der Kunst gebackenes Lamm ganz nah vor die Eingangsstür gestellt und dabei auch den derzeit geforderten gebührenden Abstand eingehalten. Eine wirklich noble Geste der Freundschaft in einer Zeit, in der alle einen Bogen umeinander machen, häufig die untere Gesichtshälfte verdeckt ist und die Menschen sich nicht einmal mehr trauen, einander in die Augen zu schauen, könnte man doch aus dem Blick einen neuen Funken Vertrauen in die Welt und die uns umgebenden Mitmenschen schöpfen! Den Freunden danken wir daher, dass sie eine neue wunderbare Geste der Verbundenheit gefunden haben. Wenn das kein Zeichen der Hoffnung ist!

Daher wünscht FeuilletonFrankfurt allen Leserinnen und Lesern der Krise zum Trotz:

Ein frohes Osterfest!

 

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