Peter Loewy „Artists‘ Studios“ in der L.A. Galerie Lothar Albrecht
Der intime Raum der Künstler als Background der Person
Von David Hockney über Gerhard Richter bis hin zu Jeff Koons – Peter Loewys fotografische Atelierbesuche, aus denen sich die Schaffensprozesse und Vorgehensweisen in ganz persönlichen Annäherungen ablesen lassen.
von Petra Kammann
Peter Loewy in der Ausstellung „Artists‘ Studios“, Foto: Petra Kammann
Im zweiten Stock der Galerie Albrecht in der Domstraße 6 geht man geradewegs auf eine Szene zu, die pars pro toto als eine Art Auftakt zu Peter Loewys Foto-Ausstellung „Artist’s studios“ darstellt. Auf einem schlichten abwaschbaren Tisch stehen bündelweise Malpinsel in Einweckgläsern und einer leeren Konservendose, von hauchfein bis dick und buschig. Ein einzelner Pinsel ist über einer gefärbten Wasserlache auf einem weißen Emailleteller abgelegt. An der Wand wurde ein Blatt Papier mit Farbtests angepinnt. Es ist der erste frische Blick in Vija Celmins Atelier.
Als einzelner Besucher kann man sich in Coronazeiten bestens auch auf die spannenden Details der in der Galerie ausgestellten Bilder von Künstlerateliers einlassen, die dem scharfen fotografischen Blick Peter Loewys nicht entgangen sind. Man kann jetzt ganz anders hinschauen, als während einer Vernissage, wo sich die Menschen vor den Bildern nur so drängeln, einander zuprosten und den Blick auf die eigentlichen Exponate verstellen. Derzeit können während der Kontaktsperre auf Voranmeldung einzelne Personen vom Galeristen empfangen werden.
Wie es zu diesen Atelierszenen kam? Nur ein Beispiel: Die in Riga geborene und inzwischen in New York lebende Künstlerin Vija Celmins jedenfalls hatte der Frankfurter Fotograf Peter Loewy 1999 schlicht während einer Ausstellung im Frankfurter MMK angesprochen und sie gefragt, ob er sie in ihrem Atelier besuchen könne. Sie sagte spontan zu. „Und als ich dann vor ihrer Tür in New York stand, kamen ihr Zweifel“, sagt Loewy. „Ich beruhigte sie, ich wolle ja gar nicht sie, sondern lediglich ihr Atelier fotografieren. Da erwiderte sie, ein Porträt von ihr selbst sei längst nicht so intim wie das Atelier.“ Sie hatte ihn durchschaut. Dennoch ließ die Künstlerin ihn gewähren und gab ihm freie Hand. Ihre Aussage über den Blick auf das Intimste der Künstler ist gewissermaßen auch die Schlüsselszene und das Verbindende der verschiedenen Atelieransichten Peter Loewys.
Was die Ateliers der so unterschiedlichen und von Loewy ausgewählten Künstler zwischen Los Angeles, New York, London, Köln, dem Schweizerischen Rüschegg und dem japanischen Tochigi verbindet, sie alle sind menschenleer und zeigen Spuren auf, welche die Künstler in ihren Arbeitsstätten hinterlassen haben, die sie weder vorher eigens für den Fotografen arrangiert und aufgeräumt, noch bewusst durcheinandergebracht haben. „Gestellt haben sie ganz sicher nichts. Schließlich kam ich ja nicht von der New York Times. Möglicherweise wäre es dann anders gewesen“, meint lakonisch der eher zurückhaltende Peter Loewy.
Die baltisch-amerikanische Künstlerin Vija Celmins, bekannt für ihre minimalistisch konzentrierten Bilder vom gestirnten Himmel, von Galaxien, Wüsten und Weltmeeren, meisterhaft gemalt mit Nuancen von Licht und Schatten, hat Loewy eine eigene Wand in der Galerie gewidmet. Eine Szene in ihrem Atelier: Wie mächtige Zeugen einer stummen Welt stehen da auf den Fotos zur Linken deren schwarze Tafeln auf der Staffelei. Das Auge des Zuschauers wandert nach rechts, zoomt sich in ein kleineres Format und dringt tiefer in die höchst strukturierte Welt der Künstlerin ein, um sich nach und nach an die Sache selbst heranzutasten. Dafür scheint sie eigens Pinzetten und feine Instrumente auf dem Tisch ausgelegt zu haben. Könnte ein Porträt Vija Celmins tatsächlich mehr über ihre akribisch-systematische Arbeitsweise aussagen?
Rundgang mit Peter Loewy, Foto: Petra Kammann
Es ist schon erstaunlich, wie die so unterschiedlichen Atelieransichten etwas so Intimes und Individuelles von der Persönlichkeit des jeweiligen Künstlers widerspiegeln und auch preisgeben. Ähnlich minimalistisch und aufgeräumt wie das Studio von Vija Celmins wirkt auch das Atelier von Gerhard Richter im Kölner Hahnenwald. Man muss dafür nicht sein Gesicht anschauen, um zu begreifen, dass in seinem Kopf Ordnung und Überlegung herrschen. Seitlich auf dem Arbeitstisch liegt gekippt im schwarzem Rahmen Richters „Betty“ von 1977 – eine der Ikonen der Gegenwartskunst. Über dem Arbeitstisch sind Rahmenmuster und Farbproben praktisch auf Augenhöhe angebracht, eine Zeichenschiene hängt korrekt und griffbereit an der Wand. Unter der Sperrholzarbeitsplatte liegen säuberlich sortiert die beschrifteten Skizzen oder ungerahmten Bilder in Zeichenschränken, links daneben auf dem Boden steht hochkant ein neues typisches Richter-Rakelbild.
Spärlich möbliert und fast neutral wirken Richters Arbeitsräume, auch in einem anderen Raum, einsam nüchtern die Arbeitsdrehstühle zum Beispiel oder das andere eher karge Mobiliar, das Loewy auf seinen Fotos zeigt. Dieser Künstler entspricht so gar nicht dem romantischen Bild vom genialen Künstler, der inmitten seiner Unordnung auf die göttliche Inspiration wartet. Nichts ist in diesen Räumen von Gemütlichkeit oder gar Nostalgie zu verspüren. „Er ist die präziseste Malmaschine, die man sich vorstellen kann – ein bisschen wie die japanischen Violinisten, die alle präziser spielen, als je irgendjemand in der Geschichte der Violine gespielt hat, aber denen jeder Makel, jeder Widerspruch, jedes Drama fehlt.“ So drückte es der Malerkollege Daniel Richter, der weder künstlerisch noch real mit Gerhard Richter verwandt ist, fast boshaft aus.
Richter möchte sich aber nicht ablenken lassen und auf das Wesentliche konzentrieren. Und er wollte – so schien es zunächst – Peter Loewy auch gar nicht erst empfangen. Aber Loewy lässt so schnell nicht locker, wenn er einmal einen Plan gefasst hat. Er schrieb Richter nochmals einen Brief, wobei er ihm seinen inzwischen leider vergriffenen Fotoband „Lèches-vitrines“ aus dem Keyahoff Verlag beilegte. Da war das Eis gebrochen. Es waren die so reizvoll fotografierten Pariser Schaufenster, die Gerhard Richter überzeugt hatten. Daraufhin sagte er zu. Und so entstanden Fotos, die so ganz anders sind als etwa die Film-Bilder aus der Richter-Kino-Doku „Painting“ von Corinna Belz. Richter bedankte sich anschließend nochmal ausdrücklich bei Loewy, sein Atelier sei nicht einmal so schön von ihm selbst fotografiert worden.
In der Frankfurter Galerie hängen die so unterschiedlichen Atelieransichten schlicht und ungerahmt in gleichem Format (30 x 45 cm) aufgereiht an der Wand. Damit kommt jedem der Künstlerateliers die gleiche Bedeutung zu. Nicht alle der besuchten Künstler haben zwischenzeitlich soviel Weltruhm erlangt wie Gerhard Richter, David Hockney, den Peter Loewy mehrmals in Los Angeles besuchte, oder Jeff Koons, bei dem eher das grell Bunte und das Quelldesign zu Hause ist. Auf seinem Arbeitstisch sieht es eher aus wie auf einem Kinderzimmer-Spieltisch.
Loewy hatte in den 90er Jahren begonnen, die Künstler an den verschiedenen Orten aufzusuchen: John Baldessari in Los Angeles, den Turner-Preisträger Howard Hodgkin in London, die plakativen Porträtisten Alex Katz und Elizabeth Peyton sowie den Streeatart-Skulpteur John Ahearn in New York, Franz Gertsch in einem fast klösterlich-bescheidenen Umfeld in der Schweiz, Yoshimiito Tichigi in Japan, und Ulrich Erben in seinem Atelier im Düsseldorfer Medienhafen. Einige seiner Atelierporträts sind noch von einer feinen schwarzen Linie eingerahmt. Sie sind noch analog entstanden, weil hier bei der Vergrößerung und Ausbelichtung des Films der Rand des Negatives auf dem Filmstreifen sichtbar wurde. Da wird einem nochmal die Entwicklung des Mediums Fotografie bewusst, die Begrenztheit des Zelluloidstreifens früherer Filme, an dem sonst nicht viel zu manipulieren war, es sei denn in der Dunkelkammer.
Warum wollte Loewy, der 1951 in Israel geboren wurde, und später in Frankfurt aufgewachsen ist, eigentlich immer die Räume fotografieren und nicht die Künstler selbst?“ „Die kennt man ja sowieso.“ Aber er gibt auch zu, dass er, als er begeistert im Alter von 13 anfing zu fotografieren, sich immer schon für Architektur interessiert habe. Allzu gern wäre er Architekt geworden, leider war der damalige Schüler der Ernst-Reuter-Schule viel zu schlecht in Mathe. Heute fragt er sich, „wieviel Mathe man eigentlich wirklich braucht, um Architektur zu studieren“. Andrerseits wäre er wiederum auch nicht gerne in einem Großraumarchitekturbüro gelandet, „wo man dann nur noch Fensterrahmen entwerfen darf“.
Dazu hatte er viel zu sehr das Ganze im Blick. Eine Zeitlang begeisterte den Schüler die eindrucksvolle Fotografie in der legendären, von Willy Fleckhaus gestalteten Zeitschrift „Twen“. Da er in seiner Zeit als Praktikant in der Odenwald-Schule auch äußerst schüchtern war und auch eher einen gewissen Hang zur Melancholie hatte, ergriff er dann aber erst einmal einen lebenspraktischen Beruf und wurde Sonderschullehrer. Sich selbständig zu machen, traute er sich damals einfach nicht zu. Da kam ihm etwas Soziales, bei dem auch auch Psychologie eine Rolle spielt, eher zu pass. Das Lehrerdasein allein reichte ihm aber auf Dauer auch nicht aus. Dringend brauchte er einen Ausgleich. Und so entwickelte er parallel dazu ein Fotoprojekt nach dem anderen, bis er sich nach seiner Verrentung endlich voll und ganz der Fotografie widmen konnte. Dabei kann er inzwischen auch auf einige spannende Ausstellungen zurückblicken.
Was ihn aber bis heute interessiert, ist der Raum, das Umfeld als Background der Person, wie Menschen sich einrichten, zum Beispiel mit einem besonderen Möbelstück wie dem schlichten hässlichen Drehstuhl, den er mehrfach vorfand, bevor etwas, das in diesem Fall die Künstler geschaffen haben, dann den Weg in den öffentlichen Raum findet. Humor und Ironie sind ihm dabei nicht fremd. So sagt er rückblickend liebevoll über Richter, dass der, wenn er dann „mit seinem kleinen Köfferchen und im Nadelstreifenanzug und Mantel weggeht, so aussieht wie sein eigener Vorstandsvorsitzender“ und schmunzelt dabei.
Wie gut, dass er mit dieser Anekdote Raum für die Phantasie lässt, und sich der Betrachter selbst ein Bild von den anderen, aus den Fotos weggelassenen Künstlern machen kann…
Die Ausstellung „Artist’s Studios“ in der L.A.Galerie Lothar Albrecht wäre am 4. April 2020 eröffnet worden. Sie geht noch bis zum 27. Juni 2020. Die Ausstellung ist nach Vereinbarung geöffnet. Ein Teil der Werke ist auf der Homepage http://lagallery-frankfurt.de zu sehen.
Einen Teil der Künstlerateliers kann man als Kartenbox bei Fröhlich und Kaufmann erwerben.
Peter Loewy
Private Collection.
17,5 x 24 cm,
79 farbige Karten in einer Kunststoffbox.
24,80 €