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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Die Bibel der Armen, für Reiche und für Alle

Lasst Bilder sprechen im Buch der Bücher

Von Petra Kammann

„Bleib in Gottes Wort, bleib gesund, bleib zuhause“. So heißt es oft in dieser schwierigen Corona-Zeit. Wer Angst vor dem Virus hat, der kann sich von einem 7-Tages-Leseplan ermutigen lassen, in dem er die Quelle der Bibel stückweise (wieder) entdeckt. Die sogenannte Wiedmann-Bibel illustriert nämlich das komplette Alte und Neue Testament in 3.333 aufeinanderfolgenden handgemalten Bildern auf 19 Leporello-Büchern mit einer Gesamtlänge von 1,17 km. Benannt wurde die Bibel nach dem Stuttgarter Künstler Willy Wiedmann (1929-2013), der 16 Jahre an dem Werk gearbeitet hat, das Bilder sprechen lässt. Wurden im Mittelalter mit der ,Biblia Pauperum‘ in der Kirche die Menschen mit illustrierten Szenen an den Wänden der Kirche angesprochen, die nicht des Lesens und Schreibens mächtig waren, so spricht die visuelle Interpretation der Wiedmann-Bibel heute Menschen in der ganzen Welt an. Mit der ästhetischen Vermittlung der Bibel war der Künstler seiner Zeit weit voraus.



Gemalte Streifen aus der Wiedmann-Bibel: das Paradies mit Adam und Eva, die Arche Noah und der Kreuzweg

Wie kam es zu dieser außergewöhnlichen Bibel? 

Als Willi Weidmann , u.a. auch Galerist, 2013 starb, räumte sein Sohn Martin die Galerie des Vaters auf. Bei dieser mehrtägigen Aufräum-Aktion fand er auf dem Dachboden vier große Aluminiumkisten vor, in denen sich grüne Leporellos mit unendlich vielen Bildern befanden. Martin Wiedmann wusste zunächst nicht, was das zu bedeuten hatte. Glücklicherweise fand er in einer der Kisten dazu die entsprechende Erklärung: sein Vater hatte nämlich einen Essay über seine Gefühle, seine Ideen, biblische Geschichten zu verbreiten, geschrieben. Er wollte seine Vorstellung von der Bibel mit Menschen auf der ganzen Welt teilen.

Wie passen 1,2 km Bibel in ein Buch? Aus den 3333 Bildern entstand ein 1,2 km langer Leporello 

Und da ihm bewusst war, dass es weltweit über eine Milliarde Analphabeten, also Menschen, die weder lesen noch schreiben können, gibt, wollte er diesen Menschen auch die Möglichkeit geben, sich über Bilder mit der Bibel vertraut zu machen, die allen verständlich sind. Die Idee sei dem Künstler Wiedmann 1984 bei Arbeiten in der Pauluskirche in Stuttgart-Zuffenhausen gekommen, als er Bibelverse in Bilder umsetzen wollte und zu dem Schluss kam, dass die Bibel einfacher gestaltet werden müsste, wenn sie allen Menschen zugänglich sein sollte.

Im Jahre 2000 konnte er endlich sein umfangreiches Werk, das er im Verborgenen von 1984 an geschaffen hatte, abschließen. Zu Lebzeiten des Künstlers musste diese umfangreiche Bibel jedoch unveröffentlicht bleiben. Daher hatte Willy Wiedmann seine Bibelbücher auf dem Dachboden seiner Galerie in Kisten verstaut. Als sein Sohn Martin sie dann wiederentdeckte, war der so fasziniert davon, dass er den Traum seines Vaters weiterspinnen wollte. Er ließ die Bilder zunächst einmal einscannen, was lange Zeit technisch und finanziell unmöglich erschien. 

Das Leporello ist sogar in Virtual Reality zu erleben. So können auch die heutigen „digital natives“ für die Bibel gewonnen werden.

Also wurden die Bilder zunächst einmal digitalisiert, woraus sich dann sowohl reale, als auch virtuelle Bilderwelten entwickeln sollten, die es ermöglichen, dieses ungewöhnliche Werk auf vielfältige Weise zu verbreiten. Gemeinsam mit der Deutschen Bibelgesellschaft konnte das Kunstwerk zunächst einmal in zwei limitierten Buchversionen, in einer roten und einer goldenen Buchausgabe, in zwei exklusiven Bänden heraus gebracht werden (Wiedmann Bibel ART-Edition). Außerdem arbeitete Martin Wiedmann – aus der Initiative entwickelte sich ein funktionierender Familienbetrieb – an einer App, ließ eine interaktive Erlebniswelt (VR) entwickeln und bauen. Daneben präsentiert er die Bilder und das künstlerische Werk seines Vaters in musealen Ausstellungen, wie zum Beispiel im Museum of the Bible in Washington DC. Zuletzt war die Wiedmann-Bibel auch im Frankfurter Bibelhaus zu sehen, in dem jetzt ein Exemplar liegt. Nicht zuletzt eignen sich die Motive zu einer „Luminale“, bei der die Bilder auf Häuser und Plätze ausgestrahlt werden können.

Lichtinstallationen mit biblichen Szenen der Wiedmann Bibel von Gerry Hofstetter auf dem Zürcher Großmünster

Glücklicherweise war schon vor Corona ein KURZFILM mit der Geschichte der Wiedmann Bibel (7 Min) fertig geworden, so dass man sich in diesen Tagen auch in den eigenen vier Wänden wieder näher mit dem „Buch der Bücher“ beschäftigen kann.

Selbst für Papst Franziskus eine Sensation: die umfangreich illustrierte Wiedmann-Bibel. Der Sohn Martin Wiedmann präsentierte seine „goldene“ Wiedmann-Bibel im Vatikan

Weitere Infos: 

https://thewiedmannbible.com/de/

Alle Fotos: Wiedmann Media AG

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