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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

literaTurm Frankfurt RheinMain 2020 – Nach 10 Jahren down to earth? Dafür mit Ausstrahlung

Vom Ende der Gereiztheit zur großen Abkühlung?

Ausgehend von den Leuchttürmen Frankfurts, den Hochhäusern, aus deren oberster Etage Weitblick garantiert ist, hätte in seinem 10. Jubiläumsjahr heute das Lesefestival LiteraTurm 2020  (23. bis 29. März) in der Deutschen Nationalbibliothek feierlich eröffnet werden sollen. Da die geplanten Veranstaltungen mit über 100 Autoren ausfallen müssen, holt hr2-kultur nun einen Teil des Programms ins Radio und ins Netz.

Hochhausspitzen der Frankfurter Skyline, von dribbdebach aus, Foto: Petra Kammann

War im ersten Jahr das Lesefestival noch in der Stadt am Fluss gefeiert worden, wurde es schon im zweiten Jahr in „LiteraTurm“ umbenannt, weil es in Frankfurter Hochhäusern stattfand, welche die Skyline von Frankfurt prägen. Mit seinen „himmelhohen Veranstaltungsorten“ (so Kulturdezernentin Ina Hartwig) wie in dem nagelneuen Omniturm, im OpernTurm, im Park Tower, im TaunusTurm oder im Westend Duo, den attraktiven „Leuchttürmen des Weitblicks“  hätten bei strahlendem Frühjahrswetter Veranstaltungen stattgefunden und der Diskussion um das Buch in Frankfurt noch ein weiteres atmosphärisches Alleinstellungsmerkmal hinzugefügt, so dass sich eine Lesung nicht nur auf das Event, den Blick von oben zu genießen, beschränkt hätte. Denn immer war das Lesefestival auch mit einem gesellschaftlich relevanten Thema verknüpft.

Festivalleiterin Sonja Vandenrath, Foto: Petra Kammann

Die Gegenwart analysierend, „Affekte treten an die Stelle von Argumenten“, hatte in diesem Jahr die umtriebige Programmleiterin Sonja Vandenrath das Thema „Erregungen“ ins Zentrum der Auseinandersetzung gestellt und unter diesem Aspekt die Novitäten unter den Büchern ausgewertet, darunter die neuen Romane von John von Düffel, Uwe Preuss, Leif Randt, Julia Malik, Peter Wawerzinek und des Journalisten Henrik Müller, aber auch Sachbücher, die sich dem Thema widmen wie zum Beispiel das Buch des Medienwissenschaftlers Bernhard Pörksen, einen der Kritiker der „großen Gereiztheit“ oder die Soziologin Elke Wagner, die darauf pocht, dass Argumente verhandelbar seien.

Stattdessen hat nun das Corana-Virus nicht nur die Macht über den Alltag übernommen und damit auch das Kulturleben auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, sondern auch die Macht über die intellektuelle und literarische Szene, die derzeit am Boden liegend, nach Befreiungsschlägen sucht.

Sich im öffentlichen Raum zusammenschließen und sich behaupten war gestern. Die beliebten „Fridays for Future“-Aktionen, die bisweilen auch so manche Innenstadt lahmgelegt haben, sind in den Hintergrund gedrängt. Stattdessen herrscht Stille in den Städten. Apokalyptische Visionen und Verschwörungstheorien machen sich breit, Rückbesinnung auf den kleinen individuellen Rahmen wegen der Kontaktsperre ist für viele mehr als gewöhnungsbedürftig. Wo bleibt die so oft beschworene Freiheit der Äußerung und an welche Grenzen stoßen unsere viele Jahre gelebten Vorstellungen von Demokratie? Hier sind natürlich jede Menge kreative Zukunftsideen gefragt.

Aber mit welchen Elemente können wir dabei spielen? Die Buchhandlungen kämpfen verzweifelt und suchen nach Auswegen, wie sie die Bücher an die Menschen bringen können, ohne dem Fulfillment-Center Amazon noch weitere Gewinne in den Rachen zu werfen.

Börsenvereinspressesprecher Thomas Koch wirbt für den örtlichen Buchhandel

Thomas Koch, der Pressesprecher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, macht in den sozialen Medien-Kanälen darauf aufmerksam, wie pfiffig so manche kleine und mittlere Buchhändler sind und nicht aufgeben, alles für ihre Kunden zu tun. Da ist Solidarität bei den Kulturaffinen gefragt. Eine erste Anlaufstelle bietet dafür die zentrale Netzadresse: www.buchhandlung-finden.de.

Das Wort, das gehört werden will, sucht sich aber auch andere Auswege. Argumente, Lesungen, Gespräche lassen sich auch beim Radiohören verfolgen. Thesen wie  etwa „Das Selbstverständnis einer bürgerlichen Öffentlichkeit, die sich über ihre Werte und Normen argumentativ verständigt, erodiert an den Rändern. Empörung, Zorn und Wut als Auswüchse überschießender Aggressivität im realen, vor allem aber im virtuellen Raum verändern das gesellschaftliche Klima. Unser demokratisches Gemeinwesen muss diese Neigung ins Extreme permanent austarieren“, mit denen Festivalleiterin Sonja Vandenrath das Thema „Erregungen“ im Vorfeld begründete, können dort diskutiert oder weiter entwickelt werden.

Da also die aufwändig geplanten Veranstaltungen mit über 100 Autoren ausfallen müssen, hat sich hr2-kultur entschlossen, einen Teil des Programms ins Radio und ins Netz zu holen. Sie sollen das Festival teilweise ersetzen, das im kommenden Jahr nachgeholt werden soll. Ein Ersatz für die unmittelbare Begegnung mit Autoren, die auch immer wieder Überraschungen bereithält, ist das freilich nicht. Das Radiohören lässt uns aber wenigstens ein Stückchen am öffentlichen Diskurs teilhaben, auch wenn uns der Zugang zu den Türmen und anderen attraktiven Veranstaltungsorten im RheinMain-Gebiet derzeit versperrt ist und wir mit den Autoren nicht in unmittelbaren Kontakt kommen können.

Der Hessische Rundfunk hat sich daher entschlossen, Gespräche mit ausgewählten Festival-Mitwirkenden im hr2-Kulturfrühstück und hr2-Kulturcafé stattfinden zu lassen.

Bleiben Sie also dran am Radio,

meint Petra Kammann.

 

Hier ein erster kleiner Überblick:

Die Gesprächsgäste

Montag, 23.3.

08:50 Uhr – Dr. Sonja Vandenrath, Leiterin literaTurm
17:05 Uhr – Bernhard Pörksen: Die Kunst des Miteinander Redens

Dienstag, 24.3.
07:35 Uhr – Jackie Thomae: Was darf die Kunst?
17:00 Uhr – Henrik Müller: Keine Kurzschlusspolitik

Mittwoch, 25.3.
07:35 Uhr – John von Düffel: Der Klimawandel
17:10 Uhr – Leif Randt: Germanys next lovestory

Donnerstag, 26.3.
07:35 Uhr – Elke Wagner: Intimisierte Öffentlichkeiten
17:10 Uhr – Julia Malik: Grenzen setzen

Freitag, 27.3.
07:35 Uhr – Synke Köhler: Von Hütten und Palästen. Wohnen heute
17:10 Uhr – Patrick Stegemann: Die rechte Mobilmachung

https://www.hr2.de/programm/literaturm-zu-gast-bei-hr2-kultur,literaturm-104.html

 

 

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