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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Salome“ von Richard Strauss in der Oper Frankfurt

Weiß der Leib, schwarz das Haar, rot der Mund. „Ein wildes Stück mit fantastischer Musik“

von Renate Feyerbacher

Fotos: Monika Rittershaus  / Oper Frankfurt

Dunkelheit nur punktuell vom Lichtkegel durchbrochen, intensives Flügelschlagen, Figur mit großer Federkopfbedeckung und goldener Robe, den Rücken zum Publikum gedreht, so beginnt „Salome“, das Operndrama von Richard Strauss, das am 1. März Premiere hatte. Ein starker, faszinierender Beginn und so geht es weiter. Fast zwei Stunden lang eine dunkle Bühne, auf der anfangs fast nur die agierende Person, Salome, vom ihr ständig folgenden Lichtkegel hervorgehoben wird. Wichtig sei für Ambur Braid gewesen, immer auf der richtigen Position zu stehen, erzählt die Sänger-Darstellerin der Salome. Sie nennt und spielt sie als „durchgeknallten Teenager“.

Ambur Braid (Salome)

Die Stimme von Jochanaan, den Herodes, der Tetrarch (Herrscher des vierten Teils eines Landes), in einer Höhle gefangen hält, ertönt aus der Dunkelheit: „Nach mir wird Einer kommen, der ist stärker als ich. Ich bin nicht wert, ihm zu lösen den Riemen an seinen Schuh’n. Wenn er kommt, werden die verödeten Stätten frohlocken. Wenn er kommt, werden die Augen der Blinden den Tag sehn. Wenn er kommt, die Ohren der Tauben geöffnet. [..] Siehe, der Herr ist gekommen, des Menschen Sohn ist nahe.

Salome will von Hauptmann Narraboth, der die Prinzessin anhimmelt, wissen, wer dort ruft. Sie will den Propheten sehen, was streng verboten ist, aber der Hauptmann macht es dennoch widerstrebend möglich. Jochanaan will ihre Augen nicht auf sich gerichtet haben: „Zurück, Tochter Babylons! Komm dem Erwählten des Herrn nicht nahe! Deine Mutter hat die Erde erfüllt mit dem Wein ihrer Lüste, und das Unmaß ihrer Sünden schreit zu Gott.“ Salome reagiert: „Sprich mehr, Jochanaan, deine Stimme ist wie Musik in meinen Ohren.“

Als Narraboth mitbekommt, wie Salome, sich mehr und mehr in Jochanaan verliebt, seinen Körper umarmt, seine Haare berührt und versucht, seinen Mund zu küssen, ersticht er sich aus Verzweiflung. Es gibt Momente enger Umarmung von Salome und Jochanaan, die irritieren. Wird er schwach, lässt er sich verführen? Schroff, weist er sie jedoch zurück und verflucht sie sogar. Die Stimme, die sie liebt, hasst sie nun.

Christopher Maltman (Jochanaan) und Ambur Braid (Salome)

Diese perverse, widersprüchliche Liebesszene ist das Herzstück des Dramas. Diese Kind-Frau Salome liebt wirklich. Intendant Barrie Kosky hat „Salome“ als Liebes-, nicht als Rachegeschichte inszeniert. „Wir zeigen die ganze Handlung aus Salomes Perspektive und kein Stück über eine männliche Projektionsfläche“. (Programmheft S.6) Salome ist radikal, provozierend, immer klar sagend, was sie will. Sie ist eine eigenständige Frau, die nicht das Klischee der ‚femme fatale‘ bedient. Auch das Verhältnis zwischen Herodes und Salome ist frei von Gewalt, aber er begehrt seine Stieftochter, was Herodias immer wieder auf den Plan ruft.

Narraboths Tod und Jochanaans Worte beunruhigen Herodes, der den Propheten für einen Heiligen hält und seinen großen Einfluss bei den Menschen fürchtet. Herodias, seine zweite Frau und Mutter von Salome, schäumt vor Wut und möchte, dass Jochanaan verstummt. Um sich zu beruhigen, bittet Herodes seine Stieftochter für ihn zu tanzen. Zunächst Ablehnung, dann stimmt sie unter der Bedingung zu, ihr alles zu geben, was sie verlangt und lässt ihn schwören. Damit hat er nicht gerechnet: sie verlangt den Kopf von Jochanaan.

v.l.n.r. Ambur Braid (Salome), AJ Glueckert (Herodes) und Claudia Mahnke (Herodias)

Barrie Kosky lässt Salome nicht tanzen. Sie sitzt in schwarzem Kleid auf der Erde und zieht aus ihrem Schoß einen nicht enden wollenden Haarstrang, den Herodes nachher um seine Schultern legt. Zuvor die Szene, als sie dem Propheten Haare ausgerissen hat und sie entzückt in ihren Händen spielen lässt. Verrückt ist diese Salome nicht, sondern verblendet in Liebe. Salome bedeutet übrigens die Friedliche.

Der Evangelist Markus berichtet von einem Mädchen aus der Familie des Herodes, die vor Herodes Antipas tanzt und, angestiftet von seiner Frau, Herodias, als Belohnung das Haupt Johannes des Täufers fordert. Der Wegbereiter Jesu Christi, Johannes der Täufer, hatte die Heirat von Herodes Antipas mit Herodias, Frau seines Halbbruders, kritisiert. Dafür kam er ins Gefängnis. Der Name des tanzenden Mädchens steht nicht im Neuen Testament.

Der irische Dichter Oscar Wilde (1854-1900) veröffentlichte 1891 sein Drama „Salome“ in französischer Sprache. Français de sympathie, je suis Irlandais de race, et les Anglais m’ont condamné à parler le langage de Shakespeare.“ („im Herzen Franzose, der Geburt nach aber Ire und von den Engländern dazu verurteilt, die Sprache Shakespeares zu sprechen.“) Die biblische Notiz war Ausgang für sein Liebesdrama, das zu den wichtigsten Werken der anglo-französischen Décadence gehört und in England einen Skandal auslöste.

Für den Komponisten Richard Strauss (1864-1949) war „Salome“, übersetzt von Hedwig Lachmann, der geeignete Text für ein Libretto, das er selbst verfasste. In Berlin hatte er sich in Max Reinhardts Kleinem Theater das Stück mit Gertrud Eysoldt angesehen. „Das Stück schrie nach Musik.“ Begeisterung, Ablehnung und Absetzung folgten.

Joana Mallwitz, Generalmusikdirektorin am Staatstheater Nürnberg, „Dirigentin des Jahres“ 2019, „Beste Dirigentin“ (Oper! Awards), die 2018 an der Oper Frankfurt „Die lustige Witwe“ und zuletzt „Pénélope“ dirigierte, sagt: „Die Musik macht wahnsinnig.“ Sie schweife in alle Extreme aus. Sie nennt das Drama ein „wildes Stück mit fantastischer Musik“. Sie lobt die Fokussierung der Inszenierung von Regisseur Barrie Kosky, die der Musik zugutekomme. Strauss liebte die „germanischen Fortissimi“, wie Mallwitz erzählt, daher sei es wichtig, dass die Dynamik sehr genau dosiert werden müsse. „Man darf diese Wildheit nämlich nicht pauschal bändigen, sondern nur im Detail.“ Das ist der Dirigentin und dem grandios musizierenden Frankfurter Opern- und Museumsorchester großartig gelungen. Frenetischer Beifall für die Musiker.

Ambur Braid, Foto: Renate Feyerbacher

Und was für eine tolle Besetzung: Ambur Braid als Salome, eine Wucht in Gesang und Spiel. Die kanadische Sopranistin gehört seit einem Jahr zum Ensemble. In diesem fast zweistündigen, pausenlosen Einakter ist sie fast ununterbrochen auf der Bühne. Es fasziniert, dass ihre Stimme bis zum Schluss, wo sie leidenschaftlich im Blut des toten Jonachaan Kopfes schier badet, auf höchstem Niveau die schwierige Partie bewältigt. Das Publikum feiert sie enthusiastisch.

Ambur Braid (Salome)

Christopher Maltman, derzeit einer der besten Baritone, in Salzburg und an der Metropolitan Opera New York singend, gibt dem elend-geschundenen Jonachaan seine gewaltige Stimme. Großartig auch Claudia Mahnke als keifende Herodias, die den Tod des Propheten will, und  AJ Glueckert als Herodes. Selbst die Nebenrollen: Gerard Schneider als Narraboth und Katharina Magiera als Page der Herodias und die Juden, Nazarener, Soldaten und die Sklavin sind gut besetzt.

Barrie Kosky, Intendant und Chefregisseur an der Komischen Oper Berlin, hat sich lange mit der „Salome“ beschäftigt. Nach seinen Inszenierungen von „Dido und Aeneas“ von Purcell und „Herzog Blaubarts Burg“ und „Carmen“ an der Oper Frankfurt kennt er das vorzügliche Ensemble. „In Frankfurt kriegt man singende Darsteller“, sagt er, warum er „Salome“ hier realisieren wollte. Vom Publikum will er, dass es eigene Assoziationen entwickelt, denn interpretieren will er nicht.

Sein Team: Katrin Lea Tag zuständig für Bühnenbild und Kostüme, die mit Kosky regelmäßig zusammenarbeitet, hat Salome in aufregende Kleider gesteckt, die oft gewechselt werden. Und Joachim Klein hat ein kompliziert-fokussierendes Lichtkonzept entwickelt, das einmalig ist.

Ein Opernabend, der langes Nachdenken nach sich zieht. Zu erleben in der Oper Frankfurt im März am 13., 20., danach Oper lieben, 26., am 29. nachmittags mit Kinderbetreuung, im April am 4., 10. und 13. (Ostermontag), danach Oper im Dialog.

 

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