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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Rundgang 2020 in der Städelschulen (1)

Times are changing

von Petra Kammann

Kurz vor der Öffnung des Städelschulen-Rundgangs, Foto: Petra Kammann

Noch wird überall gewerkelt, bevor der alljährliche, im Februar traditionell stattfindende Rundgang der Städelschule stattfindet, auf dem die Studierenden einen Einblick in ihre aktuellen Arbeiten geben. Am Freitag, dem 14. Februar geht es dann um 10 Uhr los und endet am 16. Februar um 20 Uhr. Bevor die Besucher in die Städelschule strömen, hat der Direktor Philippe Pirotte, der seit sechs Jahren die renommierte Schule geleitet hat, noch zur Pressekonferenz geladen. Es ist eine besondere Station, weil er erst- und letztmalig im Duo mit Yasmin Raymond antritt, die nämlich ab April seine Nachfolge für die kommenden fünf Jahre antreten wird. Pirotte, der sich wieder stärker um inhaltliche Belange kümmern möchte, wird jedoch der Städelschule als Professor für Kunstgeschichte und Curatorial Studies erhalten bleiben.

Bevor Pirotte die neue Direktorin vorstellt, resümiert er noch einmal die Ergebnisse seiner vergangenen prägenden sechs Jahre und wirft einen Blick auf die 200-jährige Geschichte der Städelschule, die sich von Anfang an auf Wunsch ihres Stifters für eine unabhängige Ausbildung in der Freien Bildenden Kunst engagiert hat und die er bis heute für verbindlich halte, auch wenn die Schule inzwischen den Hochschulstatus bekommen hat und vom Land mitfinanziert wird. Da könnten bisweilen womöglich andere Erwartungen an Standards entstehen. Zur Erinnerung: Für Johann Friedrich Städel waren die Akademie und das Museum eine Einheit, um mündige Bürger und Künstler auszubilden. „Demokratie braucht einfach Freiräume, in denen Dinge ausprobiert werden können, ganz ohne pädagogische Doktrin“, lautet auch Pirottes Credo.

So kann eine Amtsübergabe aussehen: die künftige Direktorin Yasmin Raymond und der bisherige Direktor Prof. Philippe Pirotte, Foto: Petra Kammann

Heute lehren an der Hochschule neben dem Rektor Philippe Pirotte die Professorinnen und Professoren Johan Bettum, Daniel Birnbaum, Isabelle Graw, Judith Hopf, Hassan Khan, Tobias Rehberger, Willem de Rooij, Amy Sillman, Theodore Spyropoulos und Haegue Yang.

Ebenso international wie die Professorenschaft sei auch die Zusammensetzung der Studierenden. Darauf legte Pirotte großen Wert. Inzwischen kämen ca. 60 Prozent der Studierenden aus dem Ausland. Das habe auch ästhetische Auswirkungen, da die Studierenden andere ästhetische Paradigmen aus ihren jeweiligen Ländern mitbrächten, was die Wahrnehmung zweifellos verändere. Eine wichtige Voraussetzung daher auch, das von den meisten verstandene Englische als verbindliche Verkehrssprache zu erklären.

Da die Studierenden im Bereich Bildende Kunst kaum mehr als 150, und in den Architekturklassen um die 40 sind, sei das eine gute Voraussetzung für eine direkte und intensive Auseinandersetzung mit den Professorinnen und Professoren. Zum internationalen Renommee der Städelschule habe aber auch die Kunsthalle Portikus beigetragen, die seit 1987 Teil der Städelschule ist. Dort stellen Künstler aus der ganzen Welt aus, wovon die Studierenden der Hochschule in vielfältiger Weise profitieren.

Davon, wie auch von der Vielfalt und Offenheit der Studierenden war auch die 42-jährige Jasmin Raymond angetan, die zuletzt als Associate Curator in der Abteilung für Malerei und Skulptur am MOMA in New York gearbeitet hatte. Sie schätze „ambitious very independent minds, curious students who are aware of art as language you have to intend“, also offene, neugierige Grundhaltungen der Studenten, die sich dessen bewusst sind, dass Kunst eine eigene Sprache habe, die anzustreben sei.

Und dann geht es auf den ersten Rundgang. Da entstehen beim Eintritt in die Lichthalle zunächst einmal zwei verschiedene Perspektiven vor allem durch die Stellage des chinesischen Künstlers Yong Xiang Li aus Changsha, der Hauptstadt der chinesischen Provinz Hunan, in der Mao Zedong einst studierte. Der 1991 geborene Yong Xiang Li studiert bereits im 5. Jahr am Städel in der Klasse von Judith Hopf, nachdem er zuvor einen B.A. in Design in London absolviert hat.

Die Spiegelseite des Gemäldes von Yong Xiang Li, Foto: Petra Kammann

Beim Blick auf das Holzgestell begegnet der Betrachter zunächst einmal seinem eigenen Spiegelbild oder dem des ihn umgebenden Raumes. Geht man um das Gestell herum, so trifft man auf ein Gemälde mit auf dem Boden liegenden einsamen männlichen Jugendlichen, die entmutigt und erschöpft wirken und das zu Lesende fallen gelassen haben. Kühn, wie Yong Xiang Li das hochformatige Bild mit dem Blick von oben komponiert hat! Im Atelier kann man sich ein weiteres Bild von seiner Arbeitsweise machen.

Blick auf die bemalte Seite, Foto: Petra Kammann

Verschiedene Perspektiven einzunehmen gehöre zu Yong Xiang Liswichtigen Grunderfahrungen, auch im Studium. So habe er ein Stipendium in Istanbul gehabt und Inspirationen von dort mitgebracht. Auf dem Markt habe er von dort die Folien mit Blümchen mitgebracht, die er nun auch weiter verwende, um seine Malerei in bekleidete Kästen einzubauen. Fast surreal wirkt das Gemälde mit der Katze auf der Rückseite, mit den Schraubstöcken im Hintergrund, in die der grell-grüne männlichen Oberkörper eingespannt zu sein scheint.

Der Kontakt des Einsamen mit der Katze wirkt förmlich bedrohlich. Und die Rückseite des mit der Folie ummantelten Holzkastens ist fast traditionell mit einer züngelnden Schlange bemalt, wie man sie aus der chinesischen Ikonographie kennt. So haben sich hier neben der existenziellen Situation auch Elemente verschiedener Kulturen miteinander verbunden.

Paula Kommoss von der Städelschule führt durch den Raum 10. Hier Der einsame junge Mann von Yong Xiang Li, Foto: Petra Kammann

Das Atelier, Raum 10, im Erdgeschoss zu besuchen, lohnt auf jeden Fall. Dort hat auch Andrew Wagner eine weitere witzige Installation mit lokalem Bezug aufgebaut. In eine bemalte Wand eingelassen ist ein Bildschirm, auf dem sich Szenen im Frankfurter Grüneburg Park abspielen: „Menschen am Sonntag“. Grundlage der bemalten Wand ist das traditionelle Spiel „Landslord’s Game“, das unserem Monopoly entspricht. Manche der eingelassenen filmischen Szenen erinnern an das von den Impressionisten gemalte „Déjeuner sur l’herbe“, das von den Motiven des Brettspiels konterkariert wird.

Ironisch und multiperspektivisch auch dieses Werk von Andrew Wagner, Foto: Petra Kammann

Auf der Rückseite der Stellage kommentieren comicartige Zeichnungen das „Reich werden mit Schnecken und Schildkröten… Foto: Petra Kammann

So schnell geht es eben doch nicht mit dem Reichwerden wie im Spiel.

Fortsetzung folgt…

Öffnungszeiten:

täglich von 10 – 20 Uhr
Dürerstraße 10, Dürerstraße 24 und Daimlerstraße 32
Eintritt frei

Öffnungszeiten: Fr–So, 10–20 Uhr
Dürerstraße 10, Dürerstraße 24 und Daimlerstraße 32, Frankfurt am Main
Eintritt frei

Kostenloser Shuttlebus zwischen Dürerstr. und Daimlerstr.
Fr, 13–21 Uhr und Sa–So, 11–20 Uhr

 

Das diesjährige Plakat

Offizielle Eröffnung & Preisverleihung: Freitag, 14. Februar, 18:00 Uhr
Dürerstraße 10

Programm-Highlights:

Freitag, 14. Februar
11 Uhr

Water Cooler Talks: Grey, Green, Gold (and Red)
mit Uriel Orlow und Lina Louisa Krämer, moderiert von Theresa Dettinger und Leonie Schmiese (Curatorial Studies)
Aula

14 Uhr
Water Cooler Talks: Teaching Art and Curating

mit Yasmil Raymond und Haegue Yang, moderiert von Asta Mandelsloh und Johanna Weiß (Curatorial Studies)
Aula

16: 30 Uhr
La Conférence des Femmes – Nairobi ‘85 by Françoise Dasque (1985)

Film Screening (64 min.)
Aula

18 Uhr
Official opening & award ceremony

Jury: Nina Tabassomi (Direktor, Taxispalais Kunsthalle Tirol), Nikolas Gambaroff (Gastprofessor Fine Art) und David Dreyfus (Städelschule Portikus e.V.)
Moderation: Jack Brennan and David Moser
Mensa

19 Uhr
Portikus Opening
Laura Langer: Liberty

Alte Brücke 2 / Maininsel

23 Uhr
Rundgang Party

mit Janusz und Flakka, Speckman, RIPP, Tanzhaus Ost, Schirin
Daimlerstraße 32

Samstag, 15. Februar
14 Uhr

Water Cooler Talks: Miriam Cahn in conversation with Philippe Pirotte
Aula

16 Uhr
Water Cooler Talks: On Thinking, Staging and Performing Plants

mit Lenka Kukurová (Artwall Gallery, Prague) und Bojana Kunst (Institut für Angewandte Theaterwissenschaften, Gießen), moderiert von Anneliese Ostertag und Teodora Talhos (Curatorial Studies)

Sonntag, 16. Februar
12 Uhr
Daimler Matinée: brunch, drinks & live music

Mensa, Daimlerstraße 32

18 Uhr
La Conférence des Femmes – Nairobi ‘85 by Françoise Dasque (1985)

Film Screening (64 min.)
Aula

Durchgehend

Filme im Deutsches Filminstitut & Filmmuseum
Schaumainkai 41
Freitag um 10 Uhr, 12 Uhr und 16 Uhr; Samstag um 12 Uhr, 14 Uhr und 16 Uhr

Magazine–Dürerstraße Film-Kitchen
Freitag um 14 Uhr und 16 Uhr; Samtag um 13 Uhr und 15 Uhr; Sonntag um 14 Uhr und 15 Uhr

Magazine–Daimlerstraße Mensa
Samastag 14 Uhr; Sonntag 12 Uhr (Matinée)

RADIO KRPT
Städelschule

Bibliothek
Städelschule

→ Städelschule: Rundgang 2019
Städelschule: Rundgang 2018

 

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