home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Van Gogh im Sturm erobert

Ein persönlicher Erfahrungsbericht

von Hannelore Kaus-Schwoerer

Vieles wurde in der Presse über die spektakuläre, in dieser Woche zu Ende gehende Ausstellung Making van Gogh im Frankfurter Städel geschrieben. Meist lobend wurde der Ansatz, die Rezeption  des umfangreichen Werkes des holländischen Malers in Deutschland einmal unter die Lupe zu nehmen, gewürdigt. Und natürlich wurde es geschätzt, dass 50 Originalgemälde und -grafiken Vincent van Goghs aus aller Welt und aus Privatsammlungen gezeigt wurden, die wohl in absehbarer Zeit nicht mehr in Deutschland zu sehen sein werden.

Außenwerbung am Städel für die Ausstellung, Foto: Petra Kammann

Aber auch Kritik gab es am Management des großen Besucherandrangs, der sich in fast täglich zu beobachtenden Warteschlangen vor der nach draußen verlegten Museumskasse zeigte. Nicht alle Besucherinnen und Besucher wussten offenbar, dass man das Eintrittsticket online vorbestellen und damit direkt zum Eingang gehen konnte. Wo dies nicht möglich war, da es das Onlinebestellsystem nicht hergab, halfen studentische Aushilfskräfte, die für ältere Besucher oder Behinderte und ihre Begleiter ohne langes Warten Karten direkt an der Kasse besorgen konnten.

Fast täglich wurde das Eintrittssystem vom Städelmanagement nachjustiert, wurden neue Öffnungszeiten, wie der Montag, hinzugenommen sowie die abendlichen Öffnungszeiten bis 21.00 Uhr bzw. am letzten Ausstellungswochenende bis 23.00 Uhr verlängert, um die Besucherströme zu kanalisieren. Und so war es tatsächlich am vergangenen Montag möglich, sich van Gogh in aller Ruhe anzusehen. Aufgrund des starken Sturmes hatten wohl Besucher auf die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln verzichten wollen oder müssen. Aber diejenigen, die es gewagt hatten und von dem zusätzlichen Öffnungstag Kenntnis erhalten hatten, wurden ganz besonders belohnt.

Ein Mann aus Aachen, dessen Zug erst vier Stunden verspätet in Frankfurt ankam, genoss seine drei Stunden in der Ausstellung, bevor er abends wegen Zugbindung wieder zurückfahren musste. Ihm konnten wir das Digitorial zur Ausstellung, das zwar zur Vorbereitung des Ausstellungsbesuches gedacht ist, aber durchaus auch zur Nachbereitung dienen kann, ans Herz legen ebenso wie den Podcast ‚Finding van Gogh‘ zur Geschichte des legendären Bildnisses des Dr. Gachet (www.findingvangogh.de) .

Lisa und Gaby aus Neustadt an der Weinstraße schrieben ins Gästebuch „Wir hatten heute großes Glück an dem Sturmtag. ‚Sabine‘ hat uns wunderbare Ausblicke auf die Bilder gewährt.“ Solches erfährt man, wenn man, wie ich und zahlreiche engagierte Mitglieder des Städelschen Museumsvereins ehrenamtlich an der Information im Foyer des Städels arbeitet.

Niemals hätte ich mir vorgestellt, mit welchen Fragen und auch Emotionen man hier konfrontiert wird. Als ich meinen zweiten regnerischen Tag absolvierte, hatte ich schon ein Handtuch dabei und konnte daher einer etwa 50jährigen Frau die nassen Haare, die sie sich in der Warteschlange geholt hatte, trocknen. Zur Vorbeugung gegen eine Erkältung empfahl ich ihr noch einen Tee im Museumscafé, bevor sie sich dann beruhigt der Kunst zuwenden konnte.

Eine Italienerin kam völlig aufgebracht aus der Ausstellung und beschwerte sich darüber, dass die Informationen neben den Bildern van Goghs nicht in Italienisch seien. Ich wies sie auf die Möglichkeit hin, ihre Kritik in das Gästebuch zu schreiben, was sie prompt tat. Während ich mich erinnerte, dass die Anweisung für uns Ehrenamtliche lautete, wir sollten auf jede, noch so skurrile Beschwerde immer freundlich antworten, machten die beiden herbeigeeilten und schallend lachenden Töchter der Frau ein Handyfoto vom Eintrag ihrer Mutter.

Meine persönliche Erfahrung in einigen italienischen Museen, in denen man froh sein kann, wenn Kunstwerke außer in Italienisch noch in Englisch beschriftet sind, hätte keinen vergleichbaren pädagogischen Effekt haben können.

Eine Mutter mit ihrer 14jährigenTochter war enttäuscht, dass die berühmten ‚Sonnenblumen‘ van Goghs hier nicht zu sehen seien. Eine Nachfrage im Potsdamer Museum Barberini, in dem fast zeitgleich die Ausstellung Van Gogh. Stillleben gezeigt wurde, ergab, dass die 6 existierenden Versionen von van Goghs ‚Sonnenblumen‘ aus Sicherheitsgründen generell nicht mehr ausgeliehen werden. Man könne jedoch eine Version der ‚Sonnenblumen in Arles‘ in der Münchner Neuen Pinakothek besichtigen.

Zahllose Male zeigten wir Besucherinnen und Besuchern, wie man den kostenlosen Audioguide aufs Handy herunterladen kann, wiesen auf die Homepage www.staedelmuseum.de hin, wo man sich mithilfe des Digitorials, des Podcasts und zahlreicher Zusatzveranstaltungen mit den ausgestellten Werken van Goghs, seiner Nachahmer und auch seiner Fälscher beschäftigen kann.

Dr. Iris Schmeisser berichtet interessierten Besucherinnen vor dem leeren Rahmen, in dem das legendäre Bildnis des Dr. Gachet ehemals hing, von ihrer Forschung zur Provenienz von Kunstwerken, die seit 2001 im Städel systematisch betrieben wird. Foto: Hannelore Kaus-Schwoerer

Denn dies alles wird der an Van Gogh interessierten Besucherschar seitens des Städels zur Verfügung gestellt. Und keineswegs ist es so, wie die FAZ am 13.1.2020 behauptete, „Denn allein auf sich gestellt steht der Kunstfreund in der Van-Gogh-Ausstellung …alsbald auf verlorenem Posten“, wenn man nicht eine der begehrten und gegen Ende ausgebuchten Führungen ergattern konnte.

In Erinnerung bleiben werden mir besonders die emotionalen Reaktionen, die Begeisterung vieler Besucherinnen und Besucher, die unmittelbar nach dem Besuch der Making van Gogh-Ausstellung das Bedürfnis hatten, das Gesehene und Erfahrene mit jemandem zu teilen. Und das waren dann oft wir, die Ehrenamtlichen an der Infothek im Städelschen Museumsfoyer.

Die Ausstellung Making van Gogh. Geschichte einer deutschen Liebe im Städel Museum endet am 16. Februar 2020. Am letzten Wochenende ist die Ausstellung Freitag und Samstag bis 23.00, aber am Sonntag bis 21.00 Uhr geöffnet.

 

 

Comments are closed.