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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„La Gazzetta“ von Gioachino Rossini an der Oper Frankfurt

Eine pfiffige musikalisch-szenische Verrücktheit

Eindrücke von Renate Feyerbacher

Fotos: Barbara Aumüller / Oper Frankfurt

Am 2.02.2020, dem außergewöhnlichen Datum des Jahres, erlebte das Dramma per Musica in zwei Aufzügen, das 1816 in Neapel uraufgeführt wurde, seine Erstauffürung im Bockenheimer Depot. Enthusiastisch feierte das Publikum das gesamte Team.

Der Text stammt von Giuseppe Palomba, der insgesamt 300 Libretti verfasste. Als Vorlage zu „La Gazzetta“ (Die Zeitung) diente die Komödie „Il matrimonio per concurso“ („Die Hochzeit im Wettbewerb“) des Venezianers Carlo Goldoni (1707-1793). Goldoni ist ein Meister der Possenreißerei, der Verwicklungen und Verwirrungen.

v.l.n.r. Sebastian Geyer (Don Pomponio Storione), Mikołaj Trabka (Filippo), Martin Georgi (Passepartout), Danylo Matviienko (Monsù Traversen), Statistin (sitzend), Nina Tarandek (Madama La Rose) und Matthew Swensen (Alberto)

Unerträgliche Väter

Der aus Neapel stammende, neureiche Don Pomponio – das Wort Pomp steckt in diesem Namen – sucht in der Zeitung per Inserat einen betuchten, besser noch einen adeligen Mann für seine Tochter Lisetta. Darin heißt es „[..] Geschäftsmann, sehr reich, mit vorzüglichen Talenten ausgestattet, ein ehrlicher Charakter, originell und außergewöhnlich, [..] je nachdem, wie gut die Partie ist, fällt die Mitgift aus. Es wird derjenige auserwählt, dessen Genie in jeder Hinsicht das des Vaters und der Tochter überflügelt.“

Ort der Handlung ist Paris, wo auf einem Bahnhof von vielen die neueste Zeitung erwartet wird. Was der Vater nicht weiß, dass Lisetta und der Hotelier Filippo schon seit einiger Zeit liiert sind. Im Bahnhof erscheint auch der viel gereiste Alberto, der Madama La Rosa sein Leid klagt. Er suche immer noch die perfekte Frau. Nun scheint er sie in Doralice gefunden zu haben und hält bei Pomponio, dem Vater von Lisetta, um Doralices Hand an.

Große Verwirrung. Vergebens bemüht sich Filippo bei Don Pomponio, Lisetta heiraten zu dürfen. Der bringt nun einen Quäker ins Spiel, der das Inserat las und Lisetta heiraten wolle. Neue Verwirrung beginnt.

Vater Anselmo hat mit Monsù Traversen die Heirat mit seiner Tochter Doralice vertraglich geregelt. Den will Doralice aber nicht, weil sie sich auch in Alberto verliebt hat.

Beide Väter sind jedoch unnachgiebig. Sie wollen die Macht über ihre Töchter nicht abgeben, ihnen keine Selbstbestimmung ermöglichen.

Es gibt durch die Täuschungsmanöver, Verwirrungen letztendlich auch Konflikte zwischen den Paaren. Aber Filippo hat eine verrückte Idee: ein arrangiertes Duell soll dafür sorgen, dass Pomponio und Lisetta nicht vorzeitig abreisen.

Schließlich verbünden sich Filippo und Alberto und sprechen sich mit den Frauen ab. Bei einem Fest entführt Filippo seine Lisetta und Alberto seine Doralice. Verheiratet treten sie später vor ihre Väter und bitten sie um Verzeihung.

Eine Geschichte, die heute undenkbar ist? Leider nicht. Heute noch werden Mädchen und junge Frauen gegen ihren Willen verheiratet, sogar in Deutschland. Eltern, die aus anderen Kulturen kommen, bestehen manchmal auf ihrem Recht, den Lebensweg ihrer Töchter zu bestimmen.

Matthew Swensen (Alberto) und Angela Vallone (Doralice)

Ein musikalisches Kleinod

Der Norditaliener Gioachino Rossini (1792-1868) hatte den Auftrag, ein Werk mit neapolitanischem Volksflair zu komponieren. Er schuf eine temporeiche Musik und scheute sich nicht, beachtliche Anleihen bei seinen anderen Opern zu machen. Es wird vermutet, dass die Ouvertüre ursprünglich für den „Barbiere di Siviglia“ gedacht war. Einige Nummern hat er neu komponiert, aber auch Mitarbeiter beschäftigt.

„La Gazzetta“ geriet jedoch in Vergessenheit. Das lag wohl unter anderem an der Tatsache, dass die Hauptfigur des Don Pomponio auf neapolitanisch sang – extra geschrieben für den damaligen Star des Volkstheaters in Neapel. Allerdings wurde kurz nach der Uraufführung die Rolle des Pomponio ins Italienische übertragen.

Tatsächlich könnte aber der Verlust der Noten des Quintetts aus dem 1. Akt bereits kurz nach der Uraufführung gravierender für die Tatsache gewesen sein, dass die Oper vergessen wurde. Denn die Lücke von acht Minuten wurde mit unterschiedlicher Musik überbrückt.

Seit wenigen Jahren, also nach 200 Jahren, ist die Oper wieder komplett. Denn 2012 fanden Musikwissenschaftler in Palermo einen Autografen des Komponisten, und die Lücke konnte geschlossen werden.

„Wir haben es bei dieser Oper mit einem echten Schatz zu tun, der es wert ist, gehoben zu werden“, schwärmt Simone  Di Felice. Di Felice leitet das Frankfurter Opern- und Museumsorchester und spielt das Hammerklavier. Es ist wieder eine wahre Freude, dieses vorzügliche Musiker-Team zu hören. Der frenetische Beifall für die Musiker bestätigt ihn.

Sebastian Geyer (Don Pomponio Storione) und Elizabeth Sutphen (Lisetta)

Sebastian Geyer als Don Pomponio Storione zieht einen sofort in seinen Bann. Elegant gekleidet, kommt er groß und schlank daher. Er gibt sich wie ein feiner Pinkel, ist herrisch, schnoddrig, eingebildet, dünkelhaft. Und er hat das Gebaren eines Neureichen. Der vielseitige Bariton, langjähriges Ensemblemitglied, ist stimmlich wie schauspielerisch eine Wucht.

Aus der braven, dem Vater scheinbar gehorchenden Lisetta, wird bald eine kecke, moderne Frau – angetrieben durch Filippos Tricksereien. Diese Entwicklung gelingt Elizabeth Sutphen vorzüglich. Am Ende der Oper beweist ihre Stimme die Wandlung zur selbstbestimmten Frau. Eine mitreißende Leistung der amerikanischen Koloratursopranistin Elizabeth Sutphen, Absolventin der renommierten Juilliard School in New York, einst  Mitglied des Frankfurter Opernstudios, die dem Frankfurter Publikum aus „Xerxes“ schon bekannt ist.

Der Bariton des jungen Polen MikoŁaj Trabka, der in Krakau studierte und zum Ensemble gehört, besticht als Filippo. Eine beeindruckende Stimme hat er und pfiffig ist sein Spiel.

Geschmeidig die Tenorstimme von Matthew Swensen als Alberto, auch er ist ein Absolvent der New Yorker Juillard School. Seit der Spielzeit 2018/19 verstärkt der Amerikaner das Ensemble. Wieder ein  bemerkenswerter „Zugewinn“.

Und auch Angela Vallone, schon länger an der Oper Frankfurt, die Doralice ihre schöne Stimme gibt, kommt aus der New Yorker Musik-Schmiede. Last but not least ist die Mezzosopranistin Nina Tarandek als flotte Madama La Rose zu erwähnen.

In der kleinen Rolle des Vaters Anselmo gefällt Kammersänger Franz Mayer, der fast 40 Jahre lang eine feste Instanz an der Oper Frankfurt war. Noch im Opernstudio, aber bereits auf der Karriereleiter, steht der gebürtige Ukrainer Danylo Matviienko, dessen eindrucksvolle Baritonstimme in der kleinen Rolle des Monsù Traversen nur kurz zu hören ist.

Beeindruckend ist immer wieder, welch großartige Sängerinnen und Sänger zum Ensemble gehören, so dass teure Einkäufe von Gastauftritten in Frankfurt nicht notwendig sind.

Regisseurin Caterina Panti Liberorvici, Regieassistentin am Frankfurter Haus, die bereits 2016 ein prickelndes italienisches Sängerfest auf die Bockenheimer Bühne brachte, beschert dem Publikum auch jetzt wieder einen spritzigen einfallsreichen Opernspaß. Herrlich die Szene am Zeitungskiosk. Die Figur des Passepartout (Martin Georgi), choreografisch geführt von David Laera, hat sie zur Belebung hinzugefügt.

Danylo Matviienko (Monsù Traversen), Statistin der Oper Frankfurt, Nina Tarandek (Madama La Rose) und Matthew Swensen (Alberto)

Mit dabei wieder Sergio Mariotti, der mit beweglichen Bühnenelementen dem flotten Geschehen geschickt nachkommt. Beleuchtungsmeister Jan Hartmann kann seine flirrenden Lichtspiele vor allem beim Tohuwabohu des Festes voll einsetzen. Die fantasievollen Kostüme, geschaffen von der gebürtigen Frankfurterin Raphaela Rose, bezaubern.

Unbedingt versuchen, noch eine Karte zu ergattern.

Weitere Vorstellungen von Rossinis „La Gazzetta“  – italienisch mit deutschen Obertiteln – am 8., 10.,12.,14. und 16. Februar.

 

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