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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Tristan und Isolde“ von Richard Wagner an der Oper Frankfurt

Wirkliche Liebe und ein Zusammenleben unmöglich

von Renate Feyerbacher

Fotos:  Barbara Aumüller

Diesmal wird nicht über die Premiere, die am 19. Januar war, geschrieben, sondern über die zweite Vorstellung, die vom Publikum gefeiert wurde. Es gab keine Buh-Rufe für die Sängerin der Isolde.

oben: Rachel Nicholls (Isolde) und Vincent Wolfsteiner (Tristan), unter dem Podest Claudia Mahnke (Brangäne; vorne links) und Christoph Pohl (vorne rechts) mit Herrenchor sowie Andreas Bauer Kanabas (König Marke; am rechten Bildrand)

Von Anfang an war die musikalische Spannung dieser „Handlung in drei Aufzügen“ präsent. Noch während des Vorspiels, das zunächst „langsam und schmachtend“  beginnt, öffnet sich der Vorhang. Ein komplett weißer Raum mit mehreren Türen, mit Neonröhren – Symbol für Licht – präsentiert sich…

Anfangs gewöhnungsbedürftig ist das Bühnenbild von Johannes Leiacker, mit zunehmendem Geschehen wird es verständlich. Dann schwebt ein braunes Podest mit einem schwarzen Boot herab. Minimalistisch, denn immerhin hat Tristan mit Gefolge Isolde als Brautvermittler nach Cornwall geholt, wo sie mit seinem Onkel König Marke verheiratet werden soll – übrigens ein Vorschlag von Tristan. Die Hochzeit der irischen Prinzessin mit König Marke sollte Frieden zwischen den verfeindeten Ländern stiften.

Die Farbgebung der Bühne ist in Weiß-Schwarz  gehalten – entsprechend dem Wechsel von Tag und Nacht. Im zweiten Aufzug ist das Boot weiß, aber eine große, sich in der Mitte bewegende Trennwand ist schwarz. Sie erlaubt eindrucksvolle Bewegungsabläufe. Dem Lichtdesign von Olaf Winter gelingen schöne Schattenspiele auf der weißen Bühnenumrandung. Schwarz ist der seltsam aufgehäufte Hügel, auf dem Tristan stirbt und wieder schwarz das Boot im dritten Aufzug .

Zur Vorgeschichte: Tristan hat im Zweikampf Isoldes Verlobten Morold getötet und wurde selbst schwer verletzt. Obwohl Isolde ihn als Feind ihres Landes erkannt hat, pflegt sie ihn gesund. Hat sie sich dabei in ihn verliebt und verfiel Tristan ihr?

Gemeinsam mit ihrer Vertrauten Brangäne in Cornwall gelandet, ist Isolde wütend, weil der „zage Held“, wie sie Tristan nennt, „weil eine Braut er als Leiche für seinen Herrn gewann.“ (1. 1. Szene). Sie macht ihm Vorwürfe, dass er sich bei der Überfahrt nicht einmal zu ihr gesellte, sich um sie kümmerte. Er begründet das mit „Sitte“. Zuvor hatte sie Brangäne angewiesen, ihr den Todestrank aus der mütterlichen Schatulle zu bringen, um Tristan und sich selbst zu töten – ein Sühneakt für Morolds Tod. Brangäne denkt nicht daran, den Todestrunk zu bringen, sondern sie vertauscht diesen mit einem Liebestrank. Isolde lässt daraufhin das Messer fallen und küsst Tristan heftig. Zwar umarmt Tristan sie, doch ist diese Umarmung noch lasch. Irritiert geht er davon.

Tristan ist gefühlsarm. Warum, das offenbart Kurwenal, als Tristan bereits auf seiner Burg Kareol im Sterben liegt, beziehungsweise sich das Leben nimmt, obwohl er sehnsüchtig auf Isoldes Ankunft wartet. (3. Aufzug). Gefühle konfrontieren ihn mit Schmerz und Verlust. Seit frühester Kindheit wünscht sich Tristan, in dessen Name schon das Adjektiv trist steckt, den Tod. Die Mutter starb bei seiner Geburt, auch der Vater starb. Tristan erinnert die Melodie des Hirten, von Romain Curt auf dem Englischhorn gespielt, an den Moment, als ihm vom Tod der Eltern erzählt wird. Unterstützt wird diese Szene durch die Holztrompete, die Matthias Kowalczyk bläst.

Nirgendwo findet der Junge Tristan Aufnahme. Er wird geraubt. Kaufleute bringen ihn auf ihr Schiff, setzen ihn dann aber in einem Kahn an der Küste von Cornwall aus. Dort wird er von Onkel Marke aufgenommen. Über sein Kindheits-Trauma hinweg kann kein Liebestrank zaubern. Richard Wagner hat im „Tristan“ wohl persönliche Erfahrungen verarbeitet. Sein Vater starb, als er noch ein Säugling war. Dieser Verlust belastete ihn ein Leben lang.

Claudia Mahnke (Brangäne), Rachel Nicholls (Isolde; sitzend), Andreas Bauer Kanabas (König Marke) und Iain MacNeil (Melot) sowie im Hintergrund Statisterie der Oper Frankfurt

Im zweiten Aufzug geben Isolde und Tristan sich ihrer Liebe hin, ersehnen aber den gemeinsamen Tod. Will  Isolde ihn wirklich? Brangäne warnt die Liebenden – vergeblich. König Marke überrascht sie. Dieser Verrat seines engsten Vertrauten verletzt ihn tief. „Du treulos, treuester Freund.“ Tristan stürzt sich in die Waffe von Melot, dem Begleiter von König Marke.

Die Regisseurin Katharina Thoma, die schon 2016 eine witzig-ernsthafte „Martha“ inszenierte, bietet hier eine kluge Inszenierung. Seit ihrer Assistenzzeit an der Oper Frankfurt hat sie eine eindrucksvolle Karriere als Opernregisseurin verwirklicht. Alle Personen zeigen eine psychologisch-klare Führung. Ihre Sicht auf Tristan hat ihre Regie geprägt: „Trotz ihrer Fantasie, gemeinsam zu sterben, verweigert Tristan es Isolde.“ „Massive Beziehungsunfähigkeit!“ (Gespräch Programmheft S. 5) Den Liebestod der Isolde, von dem immer wieder geredet wird, gibt es am Ende nicht. Bei Wagner selbst ist von Verklärung die Rede.

Katharina Thoma lässt Isolde, die zuvor verzweifelt über Tristan gebeugt ihrem Schmerz Ausdruck verleiht, am Ende mit angezogenem Bein locker entspannt auf der Bühne sitzen.„Ich weiß nicht, ob sie am Ende stirbt oder sich alles wie ein Traum auflöst, ob sie weitergeht oder in einem Zustand des Nirwana verbleibt. Aber ich sehe auf jeden Fall eine Frau, alleine und mit sich im Reinen.“ (Programmheft S. 9)

Der Begriff Nirwana ist nicht ohne Bedacht gewählt. Wagner selbst fühlte sich lebenslang dem indischem Denken verbunden.

Vincent Wolfsteiner (Tristan) und Rachel Nicholls (Isolde)

Vincent Wolfsteiner, im April wieder im Spielplan, er, der in Brittens „Peter Grimes“ die Titelrolle sang, gibt Tristan seine Stimme. Diese anstrengende Partie meistert der Tenor erstklassig.

Zum ersten Mal steht die britische Sopranistin Rachel Nicholls auf der Frankfurter Bühne. Die Isolde hat sie zuvor schon auf führenden europäischen Bühnen gesungen. Ihre Stimme ist wunderschön und doch bleibt der Eindruck, sie müsste für die Rolle der Isolde stärker sein. Am Ende der Aufführung tritt dieser starke stimmliche Moment zutage. Großartig ist ihr Spiel. Leider ist sie schwer zu verstehen. Dramatisch gestaltet sie den Umgang mit dem grandios-opulenten Mantel, den sie bei der Überfahrt trägt und den die Kostümbildnerin Irina Bartels entworfen hat. Gelungen sind auch die anderen Kostüme bis auf das von Tristan, den man vorteilhafter hätte einkleiden können.

Flott in blau-grüner Kombination kommt Brangäne daher. Die Mezzosopranistin Claudia Mahnke, seit Jahren immer wieder gefeiertes Ensemblemitglied, singt ob ihrer fürsorglichen Liebe zu Isolde in herrlich-warmen Tönen. Später im zweiten und dritten Aufzug, als sie sich ihres Verrats bewusst wird,  – sie bedauert ihn und gesteht ihn auch König Marke –, klingt ihre Stimme ganz aufgewühlt und sie läuft zur Hochform auf.

v.l.n.r. Claudia Mahnke (Brangäne) und Rachel Nicholls  

In späteren Aufführungen wird Ensemble-Mitglied Tanja Ariane Baumgartner, weltweit unterwegs, die Partie der Brangäne singen. Ich selbst erlebte sie in dieser Rolle 2016 an der Deutschen Oper Berlin zusammen mit Nina Stemme, Stephen Gould und Matti Salminen, der seinen Abschied nahm, aber immer noch auftritt.

Grandios ist Andreas Bauer Kanabas als König Marke. Das international agierende Ensemble-Mitglied begeistert durch die außergewöhnliche Ausdrucksstärke seines Basses. Dunkel und warm ist das Timbre seiner Stimme. Das Publikum bejubelte ihn.

In weiteren Vorstellungen wird Falk Struckmann die Rolle übernehmen. Auch Bariton Christoph Pohl als Tristans Vertrauter Kurwenal, der ihn aufopfernd und fürsorglich pflegt, gefällt  in dieser Rolle ebenso wie Iain Macneil als Melot, der Gefolgsmann von König Marke. Das ehemalige, beliebte Ensemble-Mitglied Simon Bailey wird später Kurwenal übernehmen.

Selbst die kleinen Rollen sind gut besetzt mit Tianji Lin, noch Mitglied des Opernstudios, außerdem durch die Ensemble-Mitglieder Michael Porter und Liviu Holender. Mächtig klingt auch der Herrenchor, den Tilman Michael einstudierte.

v.l.n.r. Vincent Wolfsteiner (Tristan) und Christoph Pohl

Last but not least die Musik. Als das Musikdrama “Tristan und Isolde” 1865 im Hoftheater München uraufgeführt wurde, sah man es als Wagners „musikalische Revolution“ an. Neuartig war die Polyphonie. Die Musik vermittelt den Eindruck eines permanenten Suchens „mit ständig wandernder, schweifender Chromatik“ und „Widerspruch zwischen konkretem Orchesterkommentar und rätselhafter Expression. [..] Wagners Orchester macht auf psychoanalytische Weise Zusammenhänge deutlich.“ Hans-Christian Schmidt weist in seinem Beitrag „Wagners musikalische Revolution“ (Programmheft S. 12) auf die zwei unauflöslich miteinander verbundenen Seiten des Werks aufmerksam, auf die „Seelensprache“ und die „körperliche Gebärdensprache“ hin.

Immer hört man den sogenannten Tristanakkord – ein Leitmotiv der Handlung – durch. Die Dissonanz wird später aufgelöst. Einfühlsam und spannend durchdringt Generalmusikdirektor Sebastian Weigle mit dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester die damals so neuartige hochinteressante Musik. Der Abend brachte auch mir diese Wagner-Musik näher.

 

Weitere Vorstellungen am 1. 2., am 9.2.2020 – danach Oper im Dialog, kritisches Nachgespräch –, am 14.2.2020 – danach Oper lieben mit Rachel Nicholls, Vincent Wolfsteiner und Intendant Bernd Loebe -, am 23. und 29.Februar. Später noch drei Aufführungen im Juni und am 2. Juli 2020.

 

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