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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Theater überall! 50 Jahre Schauspielhaus von Bernhard Pfau…

Düsseldorf feiert: 50 Jahre Schauspielhaus, vom Pfau-Bau zum D´haus und alles Schuuuuulz!

Von Jürgen Pitzer

Der Pfau-Bau – eine Ikone der Moderne mit der geschwungenen weißen Aluminiumhaut: Zur Wiedereröffnung des Schauspielhauses wurde schon mal der orangefarbene Teppich ausgerollt, Foto: Jürgen Pitzer

16. Januar. Vor genau 50 Jahren starteten nach der feierlichen Einweihung des von Bernhard Pfau entworfenen Schauspielhauses die Feierlichkeiten anlässlich der offiziellen Wiedereröffnung des sanierten, wenn auch noch nicht komplett fertigen Hauses. Alles war anders damals: Der Bau, die Gäste und Zaungäste, das Programm und die Stimmung insgesamt. Wesentlichen Anteil daran hatten der Intendant des nun unter D´haus modernisiert firmierenden Schauspielhauses sowie der Architekt der Sanierung, Christoph Ingenhoven.

Waren vor 50 Jahren nur ausgewählte Gäste und die unter lautem Protest der abgewiesenen Theaterfreunde in das komplette Haus zur Eröffnungsfeier dort eingezogen, erstreckte sich diesmal der Festakt über 11 Tage und bot allen Besuchswilligen ausführlich Gelegenheit, sich über den Stand bzw. den Erfolg der Sanierungsarbeiten, den Zusammenhang von Architektur und Kultur, deren Zukunft in den kommenden 50 Jahren und anderen wichtigen Fragen zu informieren.

Auch zahlreiche Aufführungen in dem Großen, dem Kleinen Haus und dem neu geschaffenen Unterhaus, darunter wichtige Premieren und Voraufführungen, sie zählten diesmal zu den Highlights des insgesamt 38 Veranstaltungen umfassenden Eröffnungsprogramms.

Der Kö-Bogen 2 mit Dreischeibenhochhaus, Pfau-Bau und Ingenhoven-Tal in Arbeit, Foto: Jürgen Pitzer

Ministerpräsident Armin Laschet ließ es sich nicht nehmen, für den „Miteigentümer“, das Land NRW, den Festakt am 16. zu einer Grundsatzrede zu nutzen, in der er einerseits auf die bedeutsame Rolle der Kulturarbeit für den Zusammenhalt einer immer weiter auseinander driftenden Gesellschaft hinwies, um andererseits auf die deutlich erhöhte finanzielle sowie personelle Ausstattung in NRW zu verweisen.

Den größten Beifall bekam er für die Würdigung der Arbeit von Generalintendant Schulz, der seit 2016 mit großem Erfolg dafür gesorgt hat, auch an den provisorischen Ausweichquartieren ein überaus spannendes Programm auf die Beine zu stellen. Ferner war es ihm zusammen mit seinen Mitarbeitern und den Künstlern gelungen, neue Spielformate und ungewöhnliche Spielorte attraktiv zu machen und damit zugleich das alte wie auch ein neues Publikum dauerhaft zu gewinnen.

Spielorte wie ein Zirkuszelt, das Dreischeibenhaus oder Kirchen für die populären „Theater to go“- Aufführungen, oder die unter Beteiligung von Bürgern inszenierten Stücke zeigen die ungebrochene Vitalität der Kunstform Theater. Und quasi nebenbei habe er sich unter Anleitung von Christoph Ingenhoven zu einem Baufachmann entwickelt.

Viel Wabi Sabi

In den nachfolgenden Reden von Schulz, der noch vor dem verspäteten Stadtoberhaupt Geisel sprach, ging es dann um die detailliertere Würdigung des Theaterprojektes, wobei so getan wurde, als fehlten nur noch Restarbeiten für die endgültige Fertigstellung. In Wirklichkeit präsentierte sich die Außenfläche in einem noch sehr vorläufigem Teilzustand:  Die charakteristisch geschwungene weiße Aluminiumhaut war kaum sichtbar und eine der wesentlichen Neuerungen, nämlich das auf den Vorplatz als Pavillon ausgelagerte Ticketbüro, befindet sich immer noch im im Rohzustand.


 
Auch nach der Eröffnung geht die Sanierung im Foyer weiter, Foto: Jürgen Pitzer

So präsentiert sich eine der wichtigsten Ikonen der Düsseldorfer, ja bundesrepublikanischen Architektur, mit deutlich sichtbaren Fehlstellen, viel Wabi Sabi. So bezeichnen die ja in Düsseldorf zahlreich lebenden Japaner die bewusst eingearbeiteten Fehlstellen in einer ansonsten vollkommenen Form. Auch der zum Jubiläum erschienene umfangreiche und sehr informative Katalog musste auf aktuelle Fotos des Gebäudes im Endzustand verzichten; sie werden demnächst auf Anforderung nachgeschickt!

Der Zukunft entgegen: der Blick zurück nach vorn

Aus dem umfangreichen Eröffnungsprogramm seien zwei Punkte herausgegriffen, die den Bogen in die Zukunft schlagen. Zum einen das Thema Architektur und deren Bedeutung für den städtischen Raum und die Kultur. Die klug ausgesuchte Thematik war Thema für zwei Gesprächsrunden. In einer diskutierten der Philosoph Peter Sloterdijk mit dem für die Sanierung des Hauses zuständigen Architekten Christoph Ingenhoven.

Besonders Ingenhoven ging auf die spezifischen Probleme der Verankerung von öffentlicher Architektur in einem urbanen Umfeld ein, das zunehmend von den kommerziellen Bedürfnissen geprägt ist. Für den Pfau-Bau stellte sich das Problem, ohne größere Eingriffe in den denkmalgeschützten Bau den Erfordernissen der Zeit Rechnung zu tragen. Ferner kam es darauf an, die bislang etwas abgekehrte Lage hin zu einer neuen Transparenz für neue Besucher zu öffnen.

Architekt Christoph Ingenhoven, Architekt mit visionären Ideen: Foto: Petra Kammann 

Dafür wurde z.B. ein Teil der neuen Videotafel, die auf der benachbarten Schadowstrasse installiert wird, für das Schauspielhaus frei gemacht. Auch die neu geschaffenen Grünflächen werden – so jedenfalls die Hoffnung – dem Gesamtkomplex neue und neugierige Zuschauer bringen. Mit Nachdruck verwies Ingenhoven auf die im globalen Maßstab zu beobachtende Tendenz zur Urbanisierung und in diesem Kontext auf die gewachsenen Strukturen der Städte Mitteleuropas, die anders als viele neuen Städte z.B. in Asien sich ein eigenes Gesicht bewahrt hätten.

Dazu zähle in Düsseldorf auch die besondere Konstellation von alter und neuer Moderne auf engstem Raum, wie dies an der Kreuzung von Kö und Schadowstrasse zu finden sei. Hier, am sogenannten Kö-Bogen, treffen das vom Architekturbüro Hentrich, Petschnigg, Eller, Moser & Walter geplante Dreischeiben-Bürohochhaus aus den 50er Jahren, das Schauspielhaus von Pfau aus den 60ern zusammen auf die Kaufhäuser P & C von Richard Meier vom Beginn des zweiten Jahrtausends und dem Bau von Daniel Libeskind am Jan-Wellem-Platz mit seinen Cuts und als jüngsten den von ihm selbst entworfenen Kaufhaus.

Anders als z.B. in asiatischen Großstädten wie Tokio, wo durch überwachte Disziplin viele Stadtentwicklungen exakt geplant werden könnten, sei dies in Europa wegen des anderen kulturellen Hintergrundes nicht so möglich. Ob also der neugestaltete Platz vor dem Schauspielhaus künftig die Rolle als Treffpunkt und zentrale Kommunikationsstätte einnehmen wird, das ließe sich erst mittelfristig beantworten.

Weiter noch wurde der Denk- und Debattenhorizont für die Teilnehmer der Podiumsdiskussion über die Frage aufgeworfen, wie Düsseldorf in 50 Jahren wohl aussehen könne. Naturgemäß gab es dafür keine wirkliche Lösung, was neben dem Thema, dem engagiert zu Werke gehenden Generalintendanten Schulz als Moderator, auch dem von Flüchtlingshelferin über Chefredakteur bis zum Wirtschaftsprofessor reichenden sehr illustren Teilnehmerkreis zuzuschreiben ist.

Stiller, weil nachdenklicher machend, ging es bei der Uraufführung  eines Projektes der Bürgerbühne zu, bei der Düsseldorfer Bürger die Irrungen und Wirrungen in ihrer jeweiligen Familiengeschichte erzählerisch veranschaulichten und damit gleichzeitig für sich einen Weg suchten, das Wissen um Taten und Täter wachzuhalten, einzuordnen und für die Zukunft daraus Lehren zu ziehen. Angesichts der Thematik um den neuaufkommenden Antisemitismus ein bereits für die Gegenwart berechtigtes Anliegen !

A stitch in time saves nine – Vorbeugen ist besser als heilen

Vielleicht lassen sich aus dem Sanierungsprojekt des Düsseldorfer Schauspielhauses über die spezifische Situation dieser Stadt hinaus auch noch wertvolle Hinweise für die vielen Sanierungsprojekte ziehen, die inzwischen quer übers Land verteilt in vielen Städten anstehen, zum Beispiel in Frankfurt. Düsseldorf hatte da noch verhältnismäßig viel Glück.

Die Bausubstanz war verhältnismäßig gut und die aufgetretenen Schäden geringer als anderswo. Dennoch war es – wie so häufig – eingesickertes Wasser, welche die umfängliche Sanierung notwendig machte. Glück hatte Düsseldorf auch mit einer eingeschworenen und gut organisierten Theatergemeinde, welche die Versuche der Politik, an der Spitze der dortige Oberbürgermeister, die Sache zu verschleppen, bzw. durch Abriss und Umwidmung aus der Welt zu schaffen, wirksam und schnell verhindern konnten.

Auch hat die Bereitschaft der Bürgerschaft, sich mit einem namhaften Betrag an dem auf 60 Mio € angesetzten Sanierungsbudget zu beteiligen, sicher dazu beigetragen, die Diskussion nicht aus dem Ruder und in andere „antibürgerliche“ Fahrwasser geraten zu lassen. Und schließlich ein doppeltes Glück, dass hier ein Generalintendant nicht die erstbeste Gelegenheit zur Flucht ergriff, als es Probleme gab, sondern sich mutig, kooperativ und mit Geschick zusammen mit dem Architekten den nicht geringen Zusatzarbeiten stellte.

Es lohnt sich also aus vielen Gründen, nach Düsseldorf zu kommen, nicht zuletzt des Theaters wegen! Allerspätestens im Mai, wenn die Theater der Welt hier ihr Gastspiel geben.

„Theater der Welt“ vom 14. bis 31. Mai 2020:

400 Künstler aus aller Welt werden im Rahmen dieses Festivals nach Düsseldorf kommen. Als Besonderheit verspricht Festivalleiter Stefan Schmidtke ein gleichrangiges Programm für junge Zuschauer. Ferner wird Europa eine bedeutende Rolle spielen, z.B. im Rahmen eines „Eurovision Song-Contest“ , zu dem 12 Philosophen eingeladen wurden, Texte und Reflexionen beizutragen.

 

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