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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Erster Hessischer Dokumentarfilmtag

„Näher an der Wirklichkeit“

Informationen von Renate Feyerbacher

v.l.n.r.: Hannes Karnick, Regisseurin Melanie Gärtner, Leiterin der Geschäftsstelle Frankfurt, Thomas Frickel, Filmregisseur, Produzent und seit 1986 Geschäftsführer der AG Dok, Foto: Renate Feyerbacher

Mit Unterstützung von Hessen Film und Medien GmbH startet das Regionalteam der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm – kurz AG DOK genannt – den 1. Hessischen Dokumentarfilmtag. Vom nördlichen Witzenhausen bis zum südlichen Darmstadt werden am Sonntag, den 26. Januar 2020, in neun Kinos neuere, aber auch ältere Dokumentarfilme aus dem Filmerbe gezeigt. In Frankfurt zum Beispiel sind das „Mal Sehn‘ Kino“, in Wiesbaden die Filmbühne „Caligari“ beteiligt. Nach den Vorstellungen gibt es Gespräche mit den Machern*Innen.

Seit 40 Jahren gibt es die AG Dok. Mit etwa 900 Mitgliedern, Dokumentarfilmer*innen, Regisseuren, Autoren, Produzenten ist sie der größte unabhängige Filmverband in Deutschland. Zu den 84 Gründungsmitgliedern 1979 gehörte Hannes Karnick vom Hessischen AG Dok Team. Ein Drittel waren Filmemacherrinnen.

Die mangelnde Akzeptanz des Dokumentarfilms bei Filmkritikern, bei Filmfestivals, bei den Fernsehanstalten ARD und ZDF, den Produzenten brachte die Aktiven auf die Barrikaden. So besetzten Mitglieder der AG Dok einst die Bühne der Oberhausener Kurzfilmtage, (offizieller Name heute: Internationale Kurzfilmtage Oberhausen), die der spätere Frankfurter Kulturdezernent  Hilmar Hoffmann von 1954 bis 1970 und Karola Gramann (heute Kinothek Asta Nielsen) von 1985 bis 1990 leiteten.

Die BERLINALE verweigerte sogar den Stand der AG DOK. Heute undenkbar, denn der Dokumentarfilm ist in Berlin gut vertreten. 1984 zog die Geschäftsstelle von Hamburg nach Frankfurt, wo sie auch heute noch ist, geleitet von der Regisseurin Melanie Gärtner, deren prämierter Film „Yves’Versprechen“ am Sonntag in Marburg gezeigt wird und Hannes Karnick. Sie waren es, die mit anderen Filmemachern*Innen auch den 1. Hessischen Dokumentarfilmtag organisierten.

Wie Thomas Frickel, Filmregisseur, Produzent und seit 1986 Geschäftsführer der AG DOk, bei der Pressekonferenz betonte, erfahre der Dokumentarfilm heute große Wertschätzung. Aus den Dokumentarfilmern, den „Parias der Medienbranche“, sind inzwischen geschätzte Kollegen geworden.

Die Bedeutung des Dokumentarfilms beschreibt Hannes Karnick folgendermaßen: „Hinter die Kulissen schauen, Menschen eine Stimme geben, die die Welt mit anderen Augen sehen, zuhören, nachfragen, eintauchen in ein Geschehen oder eine Beobachtung – die Herangehensweisen sind genauso vielfältig wie die Geschichten, die die Filme erzählen. Dies macht den Dokumentarfilm neben dem medialen Mainstream zu einem wichtigen Teil der meinungsbildenden Prozesse in der Gesellschaft.“

Kein Zweifel, in Zeiten, in denen ständig von „Lügenpresse“ gesprochen wird, braucht es mehr denn je eine lebendige Dokumentarfilmszene.

Der Medienjournalist und Grimme-Preis-Juror Fritz Wolf hat im Auftrag der AG Dok, unterstützt von der Stiftung Kulturwerk der VG Bild-Kunst und vom Grimme Institut in Marl, 2018 ein halbes Jahr lang das Dokumentarfilm-Angebot von ARD, ZDF, Arte, 3 Sat und die Dritten Programme analysiert.

Sein Fazit: Mittlerweile gebe es eine unglaubliche Menge an Dokumentationen bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten. Die Privaten spielten dabei kaum eine Rolle.

Allerdings, so seine Kritik, würden sie zu einer allzu späten Sendezeit, das heißt oft erst nach 23 Uhr, ausgestrahlt. Verstärkt gebe es auch für wichtige Dokumentationen Platz in der Hauptsendezeit, vor allem bei den federführenden Anstalten ARTE und 3 Sat.

Auch die Mediatheken haben großen Zulauf. Zu viele Dokumentarfilme würden in der Nacht und zu wenige in der Hauptsendezeit laufen. Darüber hinaus bemängelt Wolf die sendeeigene Werbung. „Es wird halt versendet, das muss reichen.“ („Deutschland – Doku-Land“ Über Entwicklungen im dokumentarischen Fernsehen S.37)

Das gesamte hessische Dokumentarfilmteam, Foto: Renate Feyerbacher

Zu den privat-orientierten Unternehmen Netflix, Amazon Prime & Co sagte er 2019 in einem Interview mit MEDIA: „Aktuell kaufen sie ziemlich viel auf, was für einen Dokumentarfilmer sehr günstig ist. Wer sich allerdings mit Netflix einlässt, tut dies mit Haut und Haaren. Sie kaufen komplette Rechte und wenn ein Projekt erstmal bei Netflix ist, ist es nirgendwo mehr sonst. Das Unternehmen hat da durchaus einen Absolutheitsanspruch.“

Der 1. Hessische Dokumentarfilmtag ist der Auftakt für weitere Jubiläums-Veranstaltungen im gesamten Bundesgebiet.

 

Weitere Informationen: www.agdok.de

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