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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Das Deutsche Architekturmuseum feiert den Nevigeser Beton-Dom von Gottfried Böhm

Die Ausstellung zum 100. Geburtstag des Pritzker-Preisträgers ist eine großartige Zeitreise.

Von Uwe Kammann

Die Wallfahrtskirche mit dem ansteigenden Pilgerweg, Foto: Petra Kammann

Ein Wunder, in vielerlei Hinsicht. Nein: in jeder. Die Rede ist von jenem Beton-Dom in einer kleinen bergischen Stadt, der in den 60er Jahren in den Himmel getürmt wurde, um dem Strom der Pilger eine Heimstätte zu geben, der damals fast jeden Sonntag in großer Zahl – oft über 6000 – nach Neviges kam, um dem „Wunder von Neviges“ in andächtiger Verehrung nahe zu sein. Verkörpert in einem Kupferstich aus dem späten 17. Jahrhundert, der die Jungfrau Maria zeigt und dem heilende Wirkung nachgesagt wurde.

Die Architekten-Familie Böhm, Foto: Petra Kammann

Aus dem Willen, dieser Reliquie ein bergendes Dach für die Menge der herbeiströmenden Gläubigen zu schaffen, wurde dann tatsächlich das „Architektur-Wunder“, welches das Deutsche Architektur Museum (DAM) in einer wunderbar inszenierten Ausstellung in vielen Facetten zeigt. Eine Ausstellung, die zugleich eine Hommage an den Schöpfer dieses Wunders ist – den großen Architekten Gottfried Böhm, der als erster deutscher Architekt mit dem hochrenommierten Pritzker-Preis ausgezeichnet wurde und der am 23. Januar seinen 100. Geburtstag feiert.

Kuratorin Miriam Kremser erläutert die Geschichte der Wallfahrt in Neviges

Angelegt ist die Ausstellung als chronologischer Parcours, der geschickt den oberen Umgang um das strenge Auditorium des Hauses nutzt und den Vortragssaal sogar einbezieht, indem dort an der Stirnwand eine raumhohe Fototapete die Grundstruktur der Nevigeser Wallfahrtskirche zeigt, der Besucher sich also einsehen und einfühlen kann in die Wirkung dieses Sakralbaus, welcher zwar nominell kein Dom ist, aber eine ebenso mächtige Ausstrahlung hat. Schon die Dimensionen lassen ahnen, warum: Es ist die zweitgrößte Kirche in der Erzdiözese Köln, gleich nach dem dortigen gewaltigen Dom mit seiner unverwechselbaren gothischen Silhouette.

Böhm-Architektur in der Architektur von Oswald Matthias Ungers im DAM, Foto: Petra Kammann

Das architektonische Wunder hat tatsächlich viele Aspekte und viele Stationen. Schon die Jury-Argumentationen beim Wettbewerb und die darauf basierenden Schrittfolgen waren bemerkenswert. Interessant dabei zu sehen, unter welcher Vorschlagsvielfalt diese Jury bei insgesamt 15 Wettbewerbs-Entwürfen die Wahl treffen konnte. Der Fächer reichte von einer ganz konventionellen Hallenkirche über Anklänge an Ronchamps-Rundungen, einen fabrikähnlichen Kubus mit Sheddach, weiter über gestapelte Prismen, einen hochtransparenten Glaswürfel oder ein betonverliebtes Schneckengehäuse bis zu einem flachen Hallenbau, der fast 1:1 die Nationalgalerie von Mies van der Rohe in Berlin zitiert. 

Kurator Oliver Elser blickt aus der Vogelperspektive auf die Anlage,
rechts: Blick auf die frühere Baustelle Foto: Petra Kammann

Unter den Wettbewerbsteilnehmern war auch Gottfried Böhm, Sohn des Architekten Dominikus Böhm, der in der Nachkriegszeit zu den bedeutendsten Kirchenbaumeistern gehörte, in ähnlichem Rang wie Rudolf Schwarz (der in Frankfurt maßgeblich den schlichten Wiederaufbau der Paulskirche konzipiert hat). Die Jury hob bei Böhms Entwurf das „neuzeitliche Gepräge“ hervor, bemerkte aber zugleich: „Die abstrakte Form in ihrer Vielfalt von schiefen Ebenen des Daches, der Vielzahl der Ecken in der Kirche (42!) erschreckt auf den ersten Blick.“ Andererseits sei der für eine Ausführung in Stahlbeton vorgesehene Entwurf „innen sehr räumlich und den Erfordernissen einer Wallfahrtskirche angepasst, in der immer Bewegung ist“, und er entspreche mit seinem Fassungsvermögen von 7000 – 8000 Personen schon den Erwartungen des Bauherren. Allerdings wurden die veranschlagten Kosten in Höhe von 22 Millionen Mark als zu aufwendig beurteilt. 

Doch dies war nicht das letzte Wort, denn Böhm wurde, wie vier weitere Wettbewerber (Joachim Schürmann, Alexander Freiherr von Branca, Kurt Faber, Josef Lehmbrock), zu einer Überarbeitung des ersten Entwurfs eingeladen. Und diese zweite Variante empfand die Jury als entscheidende Verbesserung, vor allem, weil der Architekt die ursprünglich vorgesehene Platzierung der Wallfahrtskirche auf einem Plateau im Hanggelände aufgab und die Kirche an das Ende einer neuen, stufenförmigen und seitlich bebauten Raumfolge des Wallfahrtswegs setzte. Im Ergebnis empfahl sie dem Kölner Erzbistum, Gottfried Böhm mit der weiteren Bearbeitung der Aufgabe zu beauftragen. 

Dann der große Tag in der Baugeschichte der katholischen Kirche, der 24. März 1964, ein Dienstag mit genau jenem Wetter, das die Pilger in Neviges schon so oft hatte im Regen stehen lassen, so dass schon seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts über den Bau einer großen Wallfahrtskirche nachgedacht wurde, ein Plan, der mehrfach an den Finanzen scheiterte. Kardinal Frings hatte sich an diesem 24. Märzeigens mit dem Kunstausschuss der Erzdiözese Köln nach Neviges begeben, um anhand der überarbeiteten fünf Entwürfe eine Entscheidung zu treffen. 

In einem Bericht lobt ein Teilnehmer der Sitzung die „geistige Blickschärfe“ des nahezu erblindeten Kardinals. Er soll, so geht die weitere Legende, das Modell des Böhm-Entwurfs abgetastet haben, um danach das Urteil zu fällen: „Das wird ein würdiges Marienheiligtum.“ Wahrscheinlich hing sein Votum auch damit zusammen, dass er – der am zukunftsoffenen Zweiten Vatikanischen Konzil mitgewirkt hatte – in diesem expressiven Großzelt aus Beton das Potenzial für eine liturgische Refom sah, die auf Gemeinschaftliches setzte. Seine Entscheidung jedenfalls war eindeutig und klar, auch der Kunstausschuss stimmte geschlossen für den Entwurf, der ja mit den vier Konkurrenzmodellen zu Wahl stand. 

Das Modell der Kirche mit den verschiedenen Neigewinkeln, Foto: Petra Kammann

Wenn die Hände des Kardinals das Modell tatsächlich abgetastet haben und sich so dessen besondere Qualität erkennen ließ, so wird es sicherlich auch daran gelegen haben, dass Gottfried Böhm (der auch Bildhauerei studiert hatte) ein ungewöhnliches Modell geschaffen hatte: eines aus Plastilin, einer ton- und wachsähnlichen Masse, so dass sich seine räumlichen Vorstellungen wirklich kneten ließen und sich sofort mitteilte, was den Entwurf auszeichnete: die plastische Form, die skulpturale Qualität. 

Es ist genau diese über die Körperlichkeit vermittelte, jederzeit spürbare Kraft, die in den 60er Jahren viele Architekten faszinierte, welche im Beton das dafür bestgeeignete Material sahen. Böhm selbst hatte zuvor mit einem festungsähnlichen Betonturm für das Rathaus im rheinischen  Bensberg bereits ein vielbeachtetes – sowohl gefeiertes als auch geschmähtes – Fanal dieses als Brutalismus bezeichneten Bauens realisiert. Ein Begriff, der nicht nur für den Beton brut – also den puren, den rohen, den unbehandelten Beton – steht, sondern der natürlich auch das Wesentliche über die in der Regel rauen, ungebärdigen, brutalen Ausdrucksformen dieses damaligen Modestils aussagt. 

Böhms Wallfahrtskirche in Neviges gehört sicherlich zu den schönsten Bauten des Brutalismus, vielleicht ist sie sogar der schönste. Zu den Gründen gehört auch, dass dieses gewaltige Zelt mit seinen gefalteten, in sich verschobenen Steildächern wie ein Kristall zwischen bewaldeten Hügeln liegt, mithin die Formen der Umgebung im Ansatz aufnimmt und kunstvoll steigert, anders als viele Brutalismus-Bauten, die ohne jede Rücksicht auf Vorhandenes einfach nur auftrumpfen wollen. 

Hier hingegen ist die Wirkung völlig anders, fasziniert die kristalline Großform. Und im Innern entfaltet dieses bis zu 34 Metern aufragende Betonzelt eine hohe Poesie. Hier vermitteln die Wände trotz des harten Materials eine ganz eigene Zartheit, bezaubern durch filigrane Durchbrüche, Balkone, Erker, Emporen; auch durch einen so ungewöhnlichen wie unregelmäßigen, aber immer in den Bann schlagenden Rhythmus von offenen und geschlossenen Flächen. 

 

Auch das Glasfenster mit dem Rosenmotiv stammt von Gottfried Böhm,
Foto: Petra Kammann

Man tritt durch eine relativ kleine Tür in einen zunächst dunkel wirkenden Großraum, den dann auf einmal glutartiges in einem besonderen Flächenspiel blutartiges Licht erfüllt: eine mystische Rauminszenierung, welche Böhm durch von ihm selbst entworfene Fenster erreicht, die zentral das Motiv der Rose umkreisen. Im Kontrast dazu ist der Boden als solide Pflasterung mit dem gleichen Muster wie auf dem Wallfahrtsweg zu erkennen, ganz dem Bauziel entsprechend, einen Treffpunkt und Versammlungsort zu bilden, einem Marktplatz gleichend, für den Böhm folglich auch hohe, so strenge wie schöne Straßenlaternen vorgesehen hatte.

DAM-Chef Peter-Cachola Schmal testet das Kirchengestühl, Foto: Petra Kammann

Das Alles lässt sich in der von Oliver Elser und Miriam Kremser kuratierten Ausstellung in vielfältiger Form bestaunen. Wir sehen also nicht nur ein dunkles Modell der Kirche, sondern auch die phantastischen, geradezu expressiven Kohlezeichnungen der Kirchenansichten, die Pläne für Details wie die zylindrischen Wandleuchten, die Entwürfe für die Fenster, die Konstruktionsrisse im Maßstab 1:50, die – für die heutige Computergeneration unvorstellbar – in schlichter Form ausreichen mussten, um die hochkomplexen Schalungsarbeiten auszuführen. Arbeiten, welche die Bauhandwerker vor größte (und gefährliche) Herausforderungen stellten, wie leicht anhand von Großfotos zu sehen ist. 

Auch Verblüffendes ist zu entdecken. Wie beispielsweise die starkfarbige Dekoration der unteren Wandflächen unter den wellenartig gereihten Pilgerräumen, welche den ansteigenden Wallfahrtsweg auf der linken Seite säumen. Auf intensiv blauem Grund sind großflächig stilisierte gründe Blätter angeordnet – eine Reminiszenz an die damalige Popart, wie Kurator Elser meint, der die damalige Aufbruchsmoderne auch in den Plastikauflagen sieht, welche zu den strengen (und kleinen) Stahlrohrstühlen gehören, die 800 Pilgern leicht handhabbare Sitzplätze bieten – für die Stehenden, Gehenden hat der Beton–Dom noch wesentlich mehr Platz.

Auch Kohlezeichnungen und Mobiliar sind zu sehen, Foto: Petra Kammann

Allein, es kommen längst nicht mehr jene Scharen, die vor 60 Jahren zum Entschluss führten, diese große Wallfahrtskirche zu bauen. Nur zweimal jährlich, so heißt es, ist sie jetzt noch gefüllt. Und auch die Franziskaner, die seit dem 17. Jahrhundert in Neviges waren und dort die Wallfahrt und die Kirche mit dem offiziellen Namen „Maria, Königin des Friedens“ betreuten, haben jetzt, Mitte Januar, Abschied genommen. Ihre Ordenstätigkeit an diesem so besonderen Ort ist nun Geschichte, genau 345 Jahre nach jenem Datum, von dem der Franziskanerpater Antonius Schirley berichtete, ihm sei Maria erschienen. 

Die Wallfahrtskirche selbst wird somit mehr und mehr zu ihrem eigenen Zeugnis werden, zu einem einzigartigen architektonischen Erlebnisraum.Ein Zeugnis, das allerdings – wie viele andere Bauten des Beton-Brutalismus auch – an der Eigenschaft des Materials leidet, nur schlecht altern zu können. Wegen der Witterungseinflüsse bilden sich Risse im Beton, die Stahlbewehrungen im Innern rosten, Teile der Oberflächen bröckeln ab, hässliche Flecken bilden sich. Dies war in Neviges schon in den 80er Jahren der Fall, nicht einmal 20 Jahre nach der Einweihung im Jahr 1968. Eine erste Sanierung der erodierenden Flächen schlug fehl, das flächige Auftragen von Expozidharz konnte eine erneute Rissbildung und damit das Eindringen von Feuchtigkeit nicht verhindern.

Eine Expertenkommission unter der Leitung von Gottfried Böhms Sohn Peter suchte nach einer neuen Lösung für eine nachhaltige Dachsanierung. Die Böhms sind – wie auch demnächst ein Film in der Ausstellung zeigt – eine veritable Architektenfamilie; außer Peter üben zwei weitere Söhne, Stephan und Paul, das Metier aus, ihr Großvater Dominikus ist im Rheinland unvergessen, und auch Gottfried Böhms Frau Elisabeth Haggenmüller arbeitete im Architektenbüro.)

Erwogen und an einigen Stellen probeweise angebracht wurde bei den Sanierungsmodellen auch eine Abdeckung mit Blech (eine Variante, die schon Gottfried Böhm selbst in seine Entwurfsüberlegungen einbezogen hatte, ebenso wie eine Bedachung aus Schiefer, dem ortsüblichen Dachmaterial im Bergischen Land). 

Kurator Oliver Elser zeigt einen Bohrkern der neuen Beschichtung,
Foto: Petra Kammann

Unter Mitwirkung des Instituts für Bauforschung der Technischen Hochschule Aachen entschied man sich nach sechs Jahren der Detailforschung für ein neues Verfahren mit mehreren Arbeitsschritten: zunächst die (nur schwer lösbare) Schicht aus Expozidharz wieder zu entfernen, dann den angegriffenen Stahlbeton instand zu setzen und darauf eine knapp drei Zentimeter dicke Schutzschicht aus Spritzbeton aufzutragen, die im Inneren durch textile Matten aus Carbon bewehrt ist – ein Muster ist im DAM zu sehen. Mit einem Rakel werden dann noch die Rillen des früheren Musters der Schalungsbretter nachgezogen, um dem ursprünglichen Bild des Sichtbetons nahezukommen. Darauf bestand der Denkmalschutz.

Technisch scheint das Verfahren zu halten, was sich die Experten davon versprechen. Allerdings ist es wegen der notwendigen umfangreichen Handarbeit (teils muss das Material mit der Kelle aufgetragen werden) und des kostspieligen Materials extrem teuer. Die ursprünglich veranschlagten Gesamtkosten von 2 Millionen Euro haben sich schon verdreifacht, die letzte Tranche der Finanzierung (bislang beteiligt: die Erzdiözese, die Stiftung Denkmalschutz, die Wüstenrot-Stiftung, das Staatsministerum für Kultur) ist auch noch nicht gesichert. Doch seit Ende 2019 ist immerhin die Hälfte der gut 2.700 Quadratmeter der Dachfläche saniert, eine Ende der Arbeiten ist für Mitte nächsten Jahres anvisiert. Allerdings, auch der jetzt aufgetragene Spritzbeton wird in kleineren Spuren wieder verwittern.

Auch hier ist eine Delikatesse bei diesem Jahrhundertbau im Spiel. Denn der 99-jährige Böhm ist noch im letzten Jahr mehrfach mit dem Gerüstaufzug zur Spitze des Daches gefahren, um die Ergebnisse der Sanierungsarbeiten zu begutachten. Mit leisem Lächeln berichtet der Bauleiter in einer kleinen WDR-Reportage, wie der hochbetagte Architekt darauf bestand, den Spritzbeton stärker in Richtung Ocker zu pigmentieren, um so den in seinen Augen richtigen Farbton für die riesigen Dachflächen zu erzielen. 

Wie eine Art Signet finden sich die Böhm-Figuren in den Entwurfzeichnungen, Foto: Petra Kammann

Wenn alles gut geht, wird Gottfried Böhm also ein paar Monate nach seinem 101. Geburtstag erleben können, ob sein so expressives, radikales und für viele auch provokatives Meisterwerk wieder so zu sehen ist, wie es erdacht war: als kristallines Gebirge in einer sanften Hügellandschaft. Heinrich Klotz übrigens, Gründungsdirektor des 1984 eingeweihten Deutschen Architekturmuseums, hatte durchaus seine Schwierigkeiten mit dem Nevigeser Beton-Dom. Nach der Feststellung, dass sich der „riesenhafte Gottesfelsen“ mit den „prismatischen Brechungen seiner ungeheuerlichen Betonflächen“ förmlich „gegen die Umwelt anschärft, so als müsse dazu aufgefordert werden, das ganze Städtchen aus Rücksicht auf die Kirche neu zu bauen“, kam er zu der ebenfalls angeschärften Frage: „Ist so viel Kunst, auch im Namen Gottes, erlaubt?“

Diese Grundfrage ist auf einer der letzten Tafeln der Ausstellung zitiert, gleichsam stellvertretend für eine kritische Befragung der Brutalismus-Phase. Gleich gegenüber sind kleine Logos zu sehen, mit denen Gottfried Böhm alle seinen Zeichnungen zusätzlich zur Signatur bereicherte: ein kleiner untersetzter Mann mit Stock im Schattenriss, daneben ein hochaufgerichteter. So witzelte er über sich und seinen Vater Dominikus, dessen Büro er übernommen hatte. Subtile Ironie gehörte also durchaus zu seinen Wesenszüge.

Mit der jetzigen Ausstellung macht ihm das Architekturmuseum sicher ein besonders schönes Geburtstagsgeschenk. Eines, über das auch wir als Publikum uns besonders freuen können. Und eines, das noch rechtzeitig kam, bevor demnächst auch das DAM einer Sanierung unterzogen wird und dafür wahrscheinlich zwei lange Jahre das Haus an seinem Main-Standort schließen muss. Und dies, nachdem es schon 2011 einige Umbau- und Sanierungsarbeiten erlebt hat. Man sieht, nicht nur an einem so gewaltigen wie gewagten Faltwerk aus Stahlbeton wie der Wallfahrtskirche in Neviges nagt der Zahn der Zeit. Nicht selten erwischt es, und dazu noch viel schneller, auch Bauten, denen man diese Morosität gar nicht zutraut.

Böhm-Kirche St. Ignatius in Frankfurt mit den Rosenfenstern und dem „Brennenden Dornbusch“ hinter dem Altar, Foto: Petra Kammann

Übrigens: Wer eine sanierte Böhm-Kirche sehen will, kann das auch in der RheinMain-Region verwirklichen, sogar direkt in Frankfurt, am Gärtnerweg. Dort, gegenüber dem Büro-Komplex „Die Welle“, steht die Kirche St. Ignatius, im selben Jahr entworfen, als die Nevigeser Entscheidung fiel, also 1964. Allerdings, die Dimensionen sind ganz anders. Doch wesentliche Böhm-Grundelemente sind auch dort zu finden: so das gefaltete Betondach (heute mit Schiefer vor aggressiver Witterung geschützt) und ein leuchtendes Rosenfenster. An diesem Bau dürfte auch Heinrich Klotz nichts auszusetzen haben. Anders als viele Brutalismus-Beispiele fügt sich die Kirche nahtlos in die Straßenfront des Gründerzeitviertels Westend ein. Ein Wallfahrtsort ist St. Ignatius natürlich nie gewesen. Auch das also konnte Böhm: ganz bescheiden sein. Allerdings: auf höchstem Niveau.

Die Ausstellung wird von einem großformatigen Magazin mit äußerst anschaulichem Fotomaterial begleitet.

Weitere Infos unter www.dam-online.de

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