„Crescendo – #makemusicnotwar“
Kraft der Musik – musikalische Friedensarbeit
von Renate Feyerbacher
Schlussszene am Flughafen: Darsteller Sabrina Amali (LAYLA), Tala Al-Deen (SADIN) und Hassan Bakri. © CCC Filmkunst, Fotograf: Christian Luedeke
Der Film, den die Produktionsfirma CCC, die Alice Brauner heute leitet, kommt in die Kinos. Die Tochter des verstorbenen Artur Brauner, der mit seinen Filmen unermüdlich an den Holocaust erinnerte, aber auch zu Versöhnung, Verständigung und Frieden aufrief, kümmert sich weiterhin um diese Thematik.
„Crescendo“, ein Musikfilm ja und nein. Es geht darum, ein Orchester aus israelischen und palästinensischen Jugendlichen zusammen zu stellen. Inspiriert wurden Regisseur Dror Zahavi und Drehbuchsautor Johannes Rotter durch eine Vorlage von Stephen Glantz, von dem bereits seit zwanzig Jahren bestehenden West-Eastern Divan Orchestra, das Daniel Barenboim, künstlerischer Leiter und Generalmusikdirektor der Staatsoper Unter den Linden Berlin, damals mit anderen gründete. Dieses Orchester ist zu gleichen Teilen mit israelischen und arabischen Musikern im Alter von 14 bis 25 Jahren besetzt. Sie arbeiten friedlich zusammen, auch wenn es Diskussionen gibt. Das Orchester gastiert auf der ganzen Welt, nur nicht in Israel und Ägypten.
Regisseur Dror Zahavi , Foto: Renate Feyerbacher
Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern beschäftigt den in Israel geborenen, aber schon Jahrzehnte in Deutschland lebenden Regisseur Dror Zahavi, bereits lange. Im Film „Alles für meinen Vater“ (2012) verabscheut er den Wahnsinn des Terrors. Ein palästinensischer Attentäter verliebt sich auf dem Weg zur Tat in eine junge Israelin. Der Terror erhält ein „menschliches Gesicht“, schrieb seinerzeit der SPIEGEL.
Der politische Konflikt-Gedanke bestimmt den Film „Crescendo“, lässt aber der Musik viel Raum.
Der deutsche Dirigent Eduard Sporck, den Peter Simonischek überzeugend einfühlsam darstellt, wehrt sich zunächst gegen den Auftrag der „Stiftung gegen effektiven Altruismus“, („Wie können wir möglichst effektiv möglichst viel Gutes tun?“), das Jugendorchester zusammenzustellen und mit einem Konzert anlässlich der Nahost-Friedenskonferenz ein Zeichen für die Völkerverständigung und gegen Hass zu setzen. Als Sohn zweier Nazi-Ärzte hat er wohl Zweifel am Zustandekommen eines versöhnlichen Projekts. Dann aber macht er sich doch an die Arbeit und lässt die jungen Musiker aus beiden Volksgruppen vorspielen. Die Anspannung ist groß und steigert sich zunehmend, obwohl die Proben wegen der Sicherheitslage und –schikanen in Südtirol staffinden, also nicht im Konfliktgebiet.
Der Dirigent ist manchmal mehr Gruppen-Therapeut als Musiker. Bewusst lässt er manchmal die Gruppen aufeinander prallen. Die jüdischen Teilnehmer können den Holocaust ihrer Großeltern nicht verschmerzen. Die arabischen Teilnehmer beklagen die Schikanen der Israelis nicht nur bei der Grenzkontrolle. Das sind starke Szenen. Crescendo bedeutet übrigens ‚im Ton anschwellend‘.
Auch in diesem Werk gibt es eine Liebesgeschichte, der Versuch eines Paares, sich anzunähern, die allerdings tragisch endet. Sie sind die Einzigen, die ohne Vorurteile miteinander umgehen. Kein Happy End, dennoch ein überraschendes Ende.
v.l.n.r.: Bibiana Beglau, Noa Niv, Sabrina Amali, Dror Zahavi, Pressesprecherin Militsa Tekelieva, Foto: Renate Feyerbacher
Dror Zahavi spricht von Science-Fiction. Er zeige nicht die Realität, sondern, wie sie hätte sein können. Die größte Herausforderung für den Regisseur war die Arbeit mit den Laien – 70 Prozent waren es sogar. In drei Ländern wurde gedreht und das, obwohl zu wenig Geld zur Verfügung stand.
Das Orchester im Film setzt sich aus Musikern und Schauspielern, die nicht wirklich musizieren, zusammen. Sie wurden durch Coaches geschult, die ihnen die Instrumente so beibrachten, als würden sie sehr gut musizieren.
Die Posaunistin Noa Niv, die bei der Preview in Frankfurt dabei war, hat im West-Estern-Divan Orchestra gespielt, Foto: Renate Feyerbacher
Auch Peter Simonischek wurde gecoacht. „Das ist sehr schwer für einen Schauspieler, der kein Musiker ist, Mimik, Rhythmus, die Arbeit mit den Händen, das war schwierig“, so Dror Zahavi. Der Burgschauspieler, der in „Toni Erdmann“ von Regisseurin Maren Ade einen Halodri spielt und mehrfach ausgezeichnet wurde, ist in „Crescendo“ das Gegenteil. Er fordert als Dirgent Respekt, strahlt Ruhe und Besonnenheit aus. Die Musikszenen sind eine Stärke des Films ebenso die alltäglichen Szenen.
Sabrina Amali, Foto: Renate Feyerbacher
Die in Basel geborene, nun in Berlin lebende Schauspielerin Sabrina Amali, die viele Sprachen spricht, spielt leidenschaftlich die palästinistische Violistin Layla. Den Part des Gegenspielers, der israelische Violonist Ron, wurde von dem deutschen Schauspieler Daniel Donskoy, der aus einer ukrainisch-russisch-jüdischen Familie stammt, übernommen. Zwei starke Figuren des Films.
Eine kleinere Rolle, die der Vorsitzenden der Stiftung, die den Dirigenten verpflichtet, ist mit der mehrfach ausgezeichneten Theater- und Filmschauspielerin Bibiana Beglau besetzt.
Bibiana Beglau, Foto: Renate Feyerbacher
„Crescendo- #makemusicnotwar“ wurde von der Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) mit dem Prädikat „Besonders wertvoll“ ausgezeichnet.
Einige Jurymitglieder kritisierten zwar die verkürzte, teilweise mit Schwarz-Weiß-Klischees arbeitende Produktion. Die Mehrheit der Jury würdigte aber das Werk und bezeichnete es als mutig. „Es ist CRESCENDO auf bewundernswerte Weise gelungen, die höchst komplexe israelisch-palästinensische Geschichte in aller Verdichtung glaubhaft darzustellen. Besonders stark sind Sequenzen, die den Alltag in den besetzten palästinensischen Gebieten erzählen, einschließlich Demonstrationen und dem Einsatz von Tränengas, oder die Schikanen bei der Einreise nach Israel zeigen. Gerade diese Sequenzen gehen unter die Haut und sind sehr eindringlich. Die Musik ist sehr gut eingesetzt und verstärkt die Emotionen bei den Zuschauern.“ Vor allem wurde auch die hervorragende Besetzung der Protagonisten gelobt. Besonders hoben sie die beiden jungen „Anführer“ Layla und Ron hervor.
Beim 15.Festival des deutschen Films in Ludwigshafen gewann der Film den Rheingold –Publikumspreis und beim 25. Jüdischen Filmfestival Berlin&Brandenburg wurde er Gewinner des „Besten Films mit jüdischer Thematik“. Er schaffte es allerdings nicht in die Vorauswahl für den Deutschen Filmpreis 2020, die „Lola“. Erstaunlich, wenn man sieht, welche Filme sonst dabei sind.