„Literaturen ohne festen Wohnsitz“ – Thema der 9.“Litprom-Literaturtage“ im Literaturhaus Frankfurt
Literarische Tage mit Luftwurzlern, Kosmopoliten, Geflüchteten, Auswanderern und Sprachwechslern und über das Schreiben zwischen den Welten
LitProm Geschäftsführerin Anita Djafari und Buchmessedirektor Jürgen Boos stellten das Programm der diesjährigen Litprom-Literaturtage im Haus des Buches vor
Ist das Konzept von Nationalliteratur noch aktuell oder müssten wir längst von globaler Literatur sprechen? Wie wirken sich die Orts- und manchmal damit verbundenen Sprachwechsel auf die literarische Arbeit von Autor*innen aus? Wie schlagen diese sich thematisch in ihren Werken nieder? Welche Bedeutung haben Begriffe wie „Heimat“ und „Herkunft“? Ist es wirklich so einfach, Kosmopolit*in zu sein, oder gar die einzig erstrebenswerte Daseinsform? Kann man wirklich in zwei Sprachen zuhause sein? Geht dabei nicht etwas verloren oder ist es immer eine Bereicherung? Um solche und ähnliche Fragen mehr geht es bei den diesjährigen Litprom-Literaturtagen, die zwischen dem 24. bis 25. Januar 2020 im Frankfurter Literaturhaus stattfinden.
Immer mehr Schreibende wandern zwischen den Welten und sind nicht mehr eindeutig einem Ort oder einer Region zuordenbar. Sie schreiben nicht zwangsläufig in der Sprache des Landes, in dem sie geboren wurden. Manche mussten aus politischen Gründen ihr Land verlassen und haben angefangen, in der Sprache ihrer neuen Heimat zu schreiben. Ihr freiwilliger oder erzwungener Ortswechsel spiegelt sich auch in ihren Werken und ihren Themen wider. Haben sie sich in ihrem Schreiben neu verortet?
Darüber und über Krieg, Gewalt, Flucht und Vertreibung, über Drogenkriege und staatliches Versagen erfährt man jede Menge in den Lesungen der Autoren wie auch in den Werkstattgesprächen. Da diskutieren die eingeladenen Autorinnen und Autoren aus den verschiedenen Ecken der Welt mit dem Publikum. Sie berichten zum Beispiel darüber, welche Erfahrungen sie mit den klassischen Einwanderungs-ländern USA und Kanada gemacht haben und welche Bedeutung sie überhaupt für ihre Arbeit haben.
Da schreiben zum Beispiel zwei Autoren aus höchst unterschiedlichen Teilen der Welt davon, wie es ist, Jahre nach einer Flucht ins Land der Geburt und Kindheit zurückzukehren und sich dort fremd zu fühlen. Der Iraner Kadivar etwa beschreibt in „Kleines Buch der Migrationen“, wie er seine Muttersprache in Frankreich unbedingt ablegen wollte, während der Nachfahre polnisch-libanesischer Einwanderer Halfon in Guatemala zur Welt kam und seine verlor, während er in den USA aufwuchs und studierte. Zurück in Guatemala, erarbeitete er sie sich wieder und schreibt seither auf Spanisch.
Die in Tokio geborene Autorin und in Berlin lebende Yoko Tawada schreibt schon seit langem in beiden Sprachen, auf Deutsch und auf Japanisch. Der in Beirut aufgewachsene Rawi Hage lebt in Kanada und beschäftigt sich dort unter anderem mit dem libanesischen Bürgerkrieg, während die aus Dubai stammende Autorin Sharon Bala auf der kanadischen Insel Neufundland lebt und 2018 dort mit dem Roman „Rue Boat People“ debütierte, der in diesem Jahr auf Deutsch erscheint.
Neben diesen Beispielen ist auf den Litprom Literaturtagen auch eine ARTE-Dokumentation von Can Dündar und Katja Deiß zu sehen (Eintritt frei). Can Dündar, Chefredakteur der türkischen Zeitung Cumhuriyet, war im Mai 2016 in der Türkei der Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen für schuldig befunden und zu zehn Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Nach seiner Anklage durch die türkische Justiz, zeitweiliger Inhaftierung und einem auf ihn verübten fehlgeschlagenen Attentat reiste Dündar im Juli 2016 aus der Türkei nach Deutschland aus. Im Gespräch mit der deutschen Journalistin Katja Deiß äußert er sich im Dokumentarfilm dazu, was es heißt, fern von der Heimat, allein in einem fremden Land, getrennt von der Familie, zu leben…
„Dass die Welt in Bewegung ist“ – und davon erzählen sie alle– und vom „Dazwischen“, wie Anita Djafari sagt.Und Buchmessedirektor Jürgen Boos ergänzt, dass sie von „Identitätsverlust, von Assimilation und neuen Identitäten“ sich in verschiedenen Sprachen ausdrückten. Sie seien „Weltensammler“. Diese verschiedenen in Spannung miteinander stehenden Welten tragen sie in und mit sich. Sie werden auf den LitProm-Tagen ganz unmittelbar und real auf kleinem Raum zu erleben sein. Zweifellos ein besonderes Versprechen für diese zweieinhalb spannend und dichten Tage ! pk
Die Eröffnung findet am 24.1. 2020, 16.00 Uhr im Lesesaal des Literaturhauses, Schöne Aussicht 2, 60311 Frankfurt am Main, statt – mit Grußworten von Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse, Petra Drexler, Referatsleiterin im Auswärtigen Amt (Kulturabteilung), Dr. Ina Hartwig, Kulturamt Stadt Frankfurt, Stéphane Dion, Kanadische Botschaft Berlin, Anita Djafari, Litprom.
Weitere Infos, auch über die anwesenden Autoren, unter: Litprom-Literaturtage