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FeuilletonFrankfurt

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PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Neujahrskonzert der Roma und Sinti Philharmoniker in Frankfurt

Fulminanter musikalischer Jahresanfang

von Renate Feyerbacher

Der Dirigent Ricardo M Sahiti; Foto: Björn Hadem / Philharmonischer Verein der Sinti und Roma

Bevor der Taktstock erhoben wird, begrüßen Claudia Molnar vom Philharmonischen Verein der Sinti und Roma und Dr. Ina Hartwig, die Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt, das zahlreiche Publikum im Bockenheimer Depot, das von überall her gekommen ist. Dann kommt Dirigent Ricardo M Sahiti schnellen Schritts zum Pult. Sein Roma oder Sinti-Outfit erfreut die Leute. Es passt bestens zum Csárdás, dem traditionellen ungarisch-rumänischen Tanz aus der Oper „Ritter Pásmán“ von Johann Strauß jr., mit dem der Konzertabend eröffnet wird. Die Stimmung ist prächtig.

    

Eröffnungsreden von Claudia Molnar und Kulturdezernentin Ina Hartwig; Foto: Björn Hadem / Philharmonischer Verein der Sinti und Roma

Nach dem Intermezzo aus der Oper „Lámico Fritz“ von Pietro Mascagni singt  Alexandra Ruszó „Mon coeur s‘ ouvre à la voix“ (Mein Herz öffnet sich deiner Stimme) aus der lyrischen Oper „Samson und Dalila“ des Franzosen Camille Saint-Saëns. Mit diesem Lied umgarnt Dalila Samson, den Hebräer, damit er das Geheimnis seiner Stärke preisgibt. Er wird schwach. Die Kraft kommt durch seine Haare, die Dalila ihm nun abschneidet und ihn an die Philister verrät, die Samson blenden und ins Gefängnis werfen.

Die junge Sopranistin Alexandra Ruszó, Foto Björn Hadem

Sehr fein, verführerisch setzt die Sängerin die Töne an, eine schöne, ausgewogene Stimme geschaffen für die französische Sprache. Nach dem Pas de deux aus dem Ballett „Der Nussknacker“ von Peter I.Tschaikovski brilliert Alexandra Ruszó leidenschaftlich mit Franz Léhars „Meine Lippen, sie küssen so heiß“ aus der Operette „Giuditta“. Mühelos erreicht die junge Sopranistin die Höhen. Das Publikum feiert sie. Ihre musikalische Ausbildung absolvierte die Sängerin in Budapest, wo sie auch ihren Masterabschluss machte.

Das Orchester ist sinfonisch groß besetzt, denn nach der Pause erklingt die Sinfonie Nr.8 G-Dur op 88 (1889) von Antonín Dvorák (1841-1904). Die 60 roma- und sintistämmigen Musiker, die hauptberuflich in Sinfonie- oder Opernorchestern tätig sind, kommen aus Deutschland, Österreich, Ungarn, Rumänien. Konzertmeister Julian Dedu und seine Vizekonzertmeisterin führen sie professionell an – mal stürmen ihre Violinen, mal sind deren Töne kaum zu hören. Intensiv auch die Bratschen und Celli.

Soloflötist Catalin Opritoiu aus Bukarest, Foto: Renate Feyerbacher

„Die Achte“ ist eine der populärsten Sinfonien des böhmischen Komponisten. Die Naturidylle seines Sommersitzes inspirierte ihn. Reich ist sie an böhmisch-folkloristischen Melodien, vor allem realisiert von den Querflöten, aber auch exzessiven, emotionalen Ausbrüchen, realisiert von den Trompeten. Ein starkes Bläserteam insgesamt.

Der Metzgersohn Antonín Dvorák studierte bereits mit 16 Jahren an der Orgelschule in Prag und verdiente sein Geld als Bratschist einer Tanzkapelle. In den 70er Jahren wurde er verstärkt als Komponist wahrgenommen. Johannes Brahms förderte ihn.

Nach dem Konzert will das Händeschütteln, das Umarmen nicht enden. Unter den Gästen Henryka Tronek, die im Sinfonieorchester des Hessischen Rundfunks einst die 1. Violine spielte, und nach wie vor konzertiert.

Henryka Tronek, einst 1. Violinistin des HR-Sinonieorchesters, war eigens gekommen; Foto: Renate Feyerbacher

Am Eingang des Bockenheimer Depots begrüßt übrigens das Foto des Dirigenten Ricardo M Sahiti die Eintretenden. Es stammt aus dem Buchprojekt „Mare Manuscha – Innenansichten aus Leben und Kultur der Sinti und Roma“ des Frankfurter Fotografen Alexander Paul Englert. Porträtiert wurden Kunstschaffende und Bürgerechtler*innen  aus mehreren europäischen Ländern. Im stadtRaum, Amt für multikulturelle Angelegenheiten in der Mainzer Landstraße 293, sind sie zu sehen.

Ricardo M.Sahiti neben dem Foto von P. A. Englert; Foto: Renate Feyerbacher

Das nächste Konzert der Roma und Sinti Philharmoniker findet übrigens am 26. Januar, einen Tag vor der Befreiung des KZ Auschwitz vor 75 Jahren, im Berliner Dom statt. Das „Requiem für Auschwitz“ von Roger Moreno-Rathgeb erinnert daran.

 

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