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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Zum Tod des Literaturkritikers Wilfried F. Schoeller

Ein Büchermensch mit Charme und Ironie

Nach langer Krankheit ist der Autor, Literaturkritiker und Honorarprofessor Wilfried F. Schoeller in Berlin verstorben.

Wilfried F. Schoeller (3.v.li) und Christina Links (2.v.l.i) bei der Verleihung des Rheingau Literaturpreises an Ingo Schulze (1.li) , Foto: Petra Kammann

In Frankfurt war er kein Unbekannter, hat er doch beinahe 30 Jahre lang die Geschicke der Literatur am Hessischen Rundfunk mitbestimmt. Über etliche Jahre moderierte er die Römerberggespräche in Frankfurt. Und ein Jahr nach der Wende erhielt er vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels den renommierten Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik.

Der ungarische Schriftsteller und Historiker György Dalos erinnert sich an eine Begegnung mit ihm in dieser Zeit: „Zum ersten Mal in Deutschland habe ich 1990 an einem Fernsehgespräch teilgenommen. Es war ,Bücher! Bücher!‘ mit Wilfried Schoeller. Ich hatte enormes Lampenfieber. Dank Wilfrieds konzentrierter Ruhe fühlte ich mich allmählich so frei, als hätte es keine Kamera zwischen uns gegeben.“ Seine humorvoll-ruhige Art wirkte offenbar entspannend, auch wenn an seiner Kompetenz kein Zweifel bestand.

Die frühere Literaturkritikerin und heutige Frankfurter Kulturdezernentin Ina Hartwig holte genereller aus: „Wilfried F. Schoeller war ein Büchermensch, ein Literaturkenner und Biograf, dem es gelang, seine Leidenschaft an andere weiterzugeben: als Literaturredakteur, später als Abteilungsleiter von ,Aktuelle Kultur und Musik‘ und Moderator der von ihm begründeten Sendung ,Bücher, Bücher‘ im Hessischen Rundfunk. Ein Vierteljahrhundert prägte Wilfried F. Schoeller die Literatursendungen des Hessischen Rundfunks. Als Gesprächspartner überzeugte er mit seinem Charme und seiner scharfen Ironie und moderierte gemeinsam mit Erhard Denninger über viele Jahre die Römerberggespräche in Frankfurt. Wilfried F. Schoeller wird der Literaturszene und auch mir ganz persönlich sehr fehlen.“

HR-Intendant Manfred Krupp würdigte den Journalisten, Literaturkritiker und Autor: „Wilfried F. Schoeller war ein hochgeschätzter Kollege, der nicht nur mit seiner Erfolgssendung ‚Bücher, Bücher‘ Maßstäbe setzte. Sein breites Wissen über Fachgrenzen hinaus, seine Neugier, sein tiefgründiger Humor und sein stets zugewandter Austausch mit dem Publikum waren beispielhaft.“

Schoeller wurde am 3. Juli 1941 in Illertissen geboren und war Mitbegründer der ARD-Kultursendung „Titel, Thesen, Temperamente“. Von 1965 bis 1970 arbeitete er als Verlagslektor in einem Münchner Verlag. Der promovierte Germanist und Historiker war ab 1972 Literaturredakteur beim Hessischen Rundfunk und von 1993 bis 2002 Leiter der Abteilung „Aktuelle Kultur und Musik“.

Im Hessischen Fernsehen moderierte er zehn Jahre lang die von ihm begründete Sendung „Bücher, Bücher“, die er mit ins Leben rief und setzte sich dort vor allem für die Vermittlung ostdeutscher Autoren wie Uwe Johnson, Franz Fühmann, Wolfgang Hilbig, Volker Braun oder Christa Wolf an das westdeutsche Publikum ein. Zu Schoellers wichtigsten Werken gehören Arbeiten über Heinrich Mann, über den er auch promovierte, über Theodor W. Adorno und über Franz Marc. Als Herausgeber war er für das Gesamtwerk von Oskar Maria Graf und die Tagebücher von Klaus Mann, verantwortlich. Zudem schrieb er zahlreiche Hörspiele und Fernseh-Drehbücher.

Zu Schoellers wichtigen Büchern zählen auch jene über Michail Bulgakow, Jorge Semprún und Ernst Litfaß. Seine Publikationen anlässlich von Ausstellungen, etwa über Hubert Fichte und Leonore Mau oder über den russischen Dissidenten und Lagerautor Warlam Schalamow, sind literaturhistorisch ebenfalls von Bedeutung. Insgesamt galt seine besondere Leidenschaft den Exilautoren.

Ausgezeichnet wurde Schoeller für seine Arbeit unter anderem 1973 mit dem Grimme-Preis und 1990 dem Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik. Von 2002 bis 2009 war er Generalsekretär des PEN-Zentrums Deutschland. Daneben unterrichtete Schoeller seit 2000 an als Honorarprofessor in Bremen Literaturkritik. 2017 hielt er anlässlich der Verleihung des Rheingau Literatur Preises auf Burg Schwarzenstein in Geisenheim-Johannisberg die schalkhafte Laudatio auf den Autor Ingo Schulze für dessen Roman „Peter Holtz. Sein glückliches Leben erzählt von ihm selbst“.

Wilfried F. Schoeller lebte bis zu seinem Tod in Berlin und Frankfurt am Main. Der Vater des Fotografen Martin Schoeller und der Regisseurin Bettina Schoeller und der Ehemann der Lektorin Christina Links starb im Alter von 78 Jahren in Berlin im Kreise seiner Familie „friedlich, umhegt und entspannt“. Wir werden ihn, seine Leidenschaft für die Literatur, seinen schelmischen Humor, seine umfassende Bildung und seinen Charme in der Szene vermissen. pk

 

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