home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Zum Auftakt des Beethovenjahrs ein Ballett

Die Schönheit der Antike. Thierry Malandain choreografiert ein Ballett zum Auftakt des Beethovenjahrs. (In der Reihe Highlights des Internationalen Tanzes ist Thierry Malandains Hommage an Beethoven am 22. und 23. Dezember an der Bonner Oper zu sehen.)

von Simone Hamm

La Pastorale, getanzt vom Malandain Ballet Biarritz (Frankreich) © Olivier Houeix“ 

Auf der Bühne stehen die metallenen Stangen, an denen die Balletttänzer normalerweise üben. Sie bilden 25 Vierecke. Erst drei, dann fünf, dann immer mehr dunkelgrau gekleidete Tänzer, die vergeblich versuchen, diese Barrieren zu überwinden. So sehr sie sich auch strecken, gegen die Stangen ankämpfen, sich dagegen werfen, sich krümmen, es gelingt ihnen allenfalls, von einem in den nächsten Käfig zu gelangen. Auch Hugo Layer kann dem Gefängnis nicht entkommen, ganz in schwarz, den Kopf gesenkt. Er steht im Zentrum des Abends: androgyn, schnell, mit messerscharfen, schnörkellosen, puren  Bewegungen, herausragend.

So abstrakt setzt Thierry Malandain Beethovens „Pastorale“ in Tanz um. Dieses Bild von Schönheit, Begrenztheit und Gefangensein symbolisiert für den Choregrafen die Welt von heute.

Die Oper Bonn hatte zum Beethovenjahr eine Choreografie in Auftrag gegeben. In der Eröffnungswoche des Beethoven-Jubiläumsjahres zeigt nun das Malandain Ballet Biarritz diese  Weltpremiere: Choreograf Thierry Malandain vertanzt Beethovens sechste Symphonie, die „Pastorale“. Dazu nimmt er Auszüge aus den Kantaten 112 „Meeresstille und Glückliche Fahrt“ und 113 „Die Ruinen von Athen“.

Thierry Manlandain leitet das Ballet Biarritz und das dortige choreografische Zentrum. Seine Choreografien werden von Hongkong bis Palm Beach, von Kairo bis Riga von den dortigen Kompanien getanzt. An der Wiener Staatsoper werden Choreografien ebenso gezeigt wie an der Opera National de Paris und der Oper am Rhein in Düsseldorf.

„La Pastorale“ getanzt vom Malandain Ballet Biarritz (Frankreich) © Olivier Houeix

Thierry Malandain hat hohe Ambitionen, er will Tradition und humanistische Ideale auf die Bühne bringen.

Seit der Renaissance besann man sich in Frankreich (und anderswo) auf die Antike, wenn man an die wahre Schönheit dachte. Beethovens Kantate 113 „Die Ruinen von Athen“ beschreiben dieses irdische Paradies. Malandain vermischt Beethovens Ideal der Natur mit der Natur heute und er feiert das antike Griechenland als Ideal. Dieses antike Griechenland wird in Malandains Choreografie zu einem Ort der Nostalgie, einem Ort der Sehnsucht.

Als seien sie geradewegs aus einem griechischen Fries gestiegen, so muten die Tänzer an, wenn sie etwa einen Arm und ein Bein heben in ihren beigen Togen, sich, wie zu einem Reigen, an den Händen halten oder andeuten, eine Amphore auf den Schultern zu tragen. Das ist fröhlicher Tanz aus einem goldenen Zeitalter, der so gar nichts mehr von den verzweifelten Ausbruchsversuchen aus den Stangenkarres hat.

Im alten Griechenland ist die Natur noch rein und pur. Was nicht heißt, dass es nicht auch rauer, dramatischer, stürmischer werden kann. Da dringen zwei schwarzgewandete Tänzer in den Kreis der fröhlich Tanzenden ein und zeigen, dass Natur auch Kampf bedeutet. Sie umarmen sich, sie bekriegen einander – eine sehr bewegende Szene.

Thierry Malandain spart in seinem neoklassischen Tanzstück nichts aus, macht die Natur nicht süsslich, zeigt, wie sie benutzt wurde für Ideologien: Einmal erinnern die heroischen Posen der Tänzer an die Olympiade 1936 – und somit an das nationalsozialistische Naturbild.

Die Tänzer und Tänzerinnen des Malandain Ballets Biarritz machen weite, ausholende Gesten. Ihre Bewegungen sind fließend. Im Zentrum steht die Schönheit, die Schönheit der Natur. Beethoven sagte, ein Moment der Schönheit könne die Welt retten. Ein Künstler, so Malandain, solle die Menschen anderswohin bringen, solle sie zum Träumen animieren. Für alles andere seien die Politiker zuständig.

Im letzten Teil erklingt die Kantate 112 „Meeresstille und glückliche Fahrt“, eine Vertonung eines Gedichtes von Johann Wolfgang von Goethe.

Land ist in Sicht. Dieses Land ist für Malandain eine spirituelle Welt, ein Paradies. Die Tänzer wirken fast nackt in ihren hautengen Trikots. Am Ende stirbt ein Tänzer. Hier wird die Choreografie sehr elegisch. Doch der Tod hat keinen Schrecken. Er ist die Pforte zum Paradies.

„La Pastorale“ getanzt vom Malandain Ballet Biarritz (Frankreich) © Olivier Houeix“ 

Der Abend endet also positiv, Goethe hat die Hingabe an die Natur postuliert, ohne diese beherrschen zu wollen. Und das passt genau in die Naturvorstellung von Thierry Malandain und seinem großartigen Ensemble.

Comments are closed.