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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Die Verdammten“ nach einem Film von Luchino Visconti, inszeniert von Ersan Mondtag

Käuzchen heulen, Sturm zieht auf. Es schneit ununterbrochen herab auf die alte Ruine. Die Fenster sind zerbrochen, die schweren Essstühle liegen am Boden…

Ein Beitrag von Simone Hamm

Margot Gödrös, Yvon Jansen und Merle Wismut in: „Die Verdammten“ von Luchino Visconti, Jonny Hoff (hinten), Foto: Birgit Hupfeld/Schauspiel Köln

Im Schnee vor dem Esszimmer liegen maskierte Untote mit den Masken. Sie sehen aus, als kämen sie geradewegs aus einem James Ensor Gemälde. Und das ist und bleibt dann auch die beste Idee, die Regisseur Ersan Mondtag an diesem Abend hatte.

Es herrscht Untergangsstimmung in seiner Inszenierung „Die Verdammten“, nach einem Film von Luchino Visconti am Kölner Schauspiel.

Essenbeck heißt die Familie, die sich im Ruinenschloß quält bis aufs Blut, ein Name der zusammengesetzt ist aus Essen und Gladbeck, der an Zechen und Stahl erinnern soll. Denn die Geschichte der Familie Krupp wird erzählt, die der Ruhrbarone und die Waffenhersteller.

Visconti hatte das Drama um  Machtgier, Verrat, Verbrechen, Inzest und Pädophilie in den Zeiten des Nationalsozialismus in all den Facetten von Dekadenz, Verfall und Niedergang gezeigt.

Ersan Mondtag macht Karikaturen aus der Familie Essenbeck. Da wird gebrüllt und geschrieen, da spritzt das Blut, da werden Plastikpenisse ausgepackt und die Untoten urinieren auf den schweinchenrosa gekleideten dicken Konstantin von Essenbeck (Benjamin Höppner), der Göring zum Verwechseln ähnlich sieht. Da onaniert der pädophile Sohn Martin vor einem kleinen Kind. Vor allem letzteres ist schwer erträglich.

Es ist der Tag, an dem der Reichstag brennt. In der Ferne ist ein roter Himmel zu sehen. Die Familie setzt sich zu Tisch. Ahnherr ist der Aristokrat Joachim, gespielt von Margot Gödrös im Pelz. Friedrich (Elias Reichert) ist Direktor der Essenbecker Stahlwerke und Verlobter der Witwe des ältesten im Krieg gefallenen Sohnes von Joachim Essenbeck.

Er kann sich den Nazis gar nicht schnell genug andienen. Nicolas Lehni spielt den Nazi Aschenbach (ja, er heißt tatsächlich Aschenbach wie der Protagonist aus Viscontis „Tod in Venedig“), gekleidet in rotes Leder, brutal und breitbeinig. Yvon Jansen die machthungrige Witwe, die keinerlei Skrupel kennt, auch keine politischen.

Wären die Nazis und ihre Mitläufer wirklich solche eindimensionalen Knallchargen gewesen, hatten sie wohl kaum soviel Erfolg gehabt. Jonny Hoff ist der verstörte Günther von Essenbeck, fast ein Kind noch und schon geprägt von Hass.

Ines Marie Westernströer ist Martin, der jüngste, der Erbe, pädophil, grausam.

Trotz dieser völlig überzeichneten, verzerrten Figuren, trotz der grellbunten Bilder bleibt der Abend zäh. Einer bringt einer der anderen um – unterm großen Foto eines pausbäckiges Adolf Hitler. Aus dem tiefen Schnee erheben sich die Untoten. Freundlicher, sehr verhaltener Beifall.

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