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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Pénélope“ von Gabriel Fauré in der Oper Frankfurt

Männlich auftretend, aber sehr zerbrechlich

von Renate Feyerbacher

Fotos: Barbara Aumüller / Oper Frankfurt

Das Poème Lyrique in drei Akten von Gabriel Fauré, das am 1. Dezember seine Erstaufführung in Frankfurt hatte, ist der Ehefrau des Helden Odysseus, Pénélope, gewidmet.

Paula Murrihy (Pénélope; im Anzug vorne sitzend) sowie Dienerinnen und Freier

Das Publikum war durchweg sehr angetan von dieser musikalischen Neuentdeckung bzw, Wiederentdeckung der Oper, den vorzüglich Handelnden auf der Bühne wie auch im Orchestergraben. Das Werk geriet, obwohl nach der Uraufführung 1913 in Monte Carlo und kurz darauf in Paris enthusiastisch gefeiert und von Kritikern gelobt, bald in Vergessenheit…

Odysseus und Pénélope zählen zu den ersten weltberühmten Herrscher-Paaren. Bei Homer, der die Klassiker der Antike „Die Ilias“ und „Die Odyssee“ schrieb, spielt Pénélope nur eine Nebenrolle. Zusammen mit ihrem Sohn Telemachos versucht sie zwanzig Jahre lang, den Königshof in Ithaka zu halten. Denn dann erst kehrte ihr Mann Odysseus nach dem Trojanischen Krieg und nach seiner Irrfahrt über die Weltmeere wieder zurück nach Hause.

Im Mittelpunkt von Faurés Oper steht Pénélope, umschwirrt von Freiern, die sie zur Heirat zwingen wollen. Bei Homer sind es im Laufe der Jahre über hundert, bei Gabriel Fauré (1845 -1924) sind es fünf Männer, die rücksichtslos und teilweise brutal ihre Interessen durchzusetzen versuchen. Sie alle sind in der Frankfurter Inszenierung sowohl sängerisch als auch darstellerisch exzellent.

Telemachos und die Götter wurden ausgeblendet, dafür gibt es fünf Mägde, die Gefallen an den Freiern finden und gerne einen von ihnen für sich selbst genommen hätten. Da sie sexuell frustriert sind, stellen sie sie für die Königin keinerlei Hilfe dar. Unterstützung hingegen erfährt sie von der Amme Euryclée, eindrucksvoll von der polnischen Mezzosopranistin Joanna Motulewicz gesungen, die Odysseus, der als Bettler um Aufnahme am Hofe bittet, erkennt, von ihr aber Stillschweigen verlangt.

Unterstützt wird die Königin von den Hirten, die von Eurymaque  angeführt werden. Der Bariton Sebastian Geyer gibt sich kämpferisch. Sie planen später zusammen mit Odysseus die Ermordung der Freier.

Der Komponist

Bereits mit neun Jahren wurde das Kind Gabriel Fauré auf die „École de musique classique et religieuse“ in Paris geschickt, mit dem Ziel Kirchenmusiker zu werden. Eine der Folgen: Ein Leben lang spielte Fauré in Rennes und Paris die Orgel.

Der Komponist Camille Saint-Saëns (1835-1921) wiederum, bei uns vor allem durch den „Karneval der Tiere“ bekannt , debütierte bereits mit zehn Jahren als Pianist. Auch er war ein bedeutender Organist und schrieb Orgelkonzerte wie auch Opern („Samson und Dalila“). Er wurde 1861 Direktor der École de musique classique et religieuse“, übernahm die Klasse mit dem  inzwischen 16-jährigen Fauré.

Daraus entstand eine lebenslange Freundschaft. Saint-Saëns nahm Fauré mit ins Opernhaus und öffnete ihm auf diese Weise die Türen zum Theater. Wer eine Oper schreibt, der hat es geschafft, so die Meinung auch vom Komponisten-Kollegen Charles Gounod, der ebenfalls mehrere großartige Opernwerke schuf.

Erst 1907, da war Fauré bereits 52 Jahre alt, machte er sich an die Arbeit von „Pénélope“, motiviert von einer Sängerin, der die Pariser Opernfreunde zu Füßen lagen. Sie wollte diese Partie singen und kannte auch den jungen Librettisten Lucienne Bréval. Sie setzte ihre Hoffnung auf Fauré, der in Frankreich durch seine einmaligen Liedzyklen und seine Kammermusik verehrt wurde. Er sollte ihrer Karriere einen neuen Schwung geben.

Nach vier Jahren schreibt Fauré an seine Frau: „Was mich an dem Gedanken Pénélope fertig zu schreiben am meisten reizt, ist, mich nie wieder auf ein derartiges Abenteuer einzulassen.“ (Zitat Programmheft – Beitrag Nathan Chainey „Die Geburt der Pénélope“)

So blieb es seine einzige Oper, die ganz ohne Wagnersche Töne, ohne italienische Anlehnungen, ohne typischen Arien auskommt. Es wurde eine französische Kammeroper mit melodischen Bögen und einer feinen Poesie. Hier war ein Liebhaber französischer Poème-Kultur am Werk, der Charles Baudelaire, Théophile Gautier und Paul Verlaine vertont hatte.

Die Orchesterbesetzung ist beachtlich mir der Dreifachbesetzung von Holzbläsern und einem großen Streicherapparat. Bei besonders emotionalen Momenten dominiert das Orchester. Imposant die Choreinlagen, diesmal einstudiert von Markus Ehmann.

Die junge Joana Mallwitz, „Dirigentin des Jahres“ 2019 (Opernwelt) und „Beste Dirigentin“ des Opern! Awards , seit der letzten Saison Generalmusikdirektorin am Staatstheater Nürnberg, steht am Pult des Frankfurter Opern- und Museums-Orchesters, das  meisterhaft musiziert.

Joanna Motulewicz (Euryclée), Paula Murrihy (Pénélope) und Eric Laporte (Ulysse)

Die Bühnenfiguren Pénélope und Odysseus

Die Gesangspartie der Pénélope ist vielfältig. Mal gibt es nur impulsive Ausrufe, keine wirklichen Rezitative und auch keine echten  Arien, die wiederum gibt es bei Ulysses. Ohne Wagner zu kopieren, kehren Wagnerische Leitmotive immer wieder auf.

Pénélope hofft auf die Wiederkehr ihres Mannes, das ist die Triebkraft ihrer Verweigerung. Sie hofft und wartet wider alle Vernunft und webt am Leichentuch des Laertes, ihres Schwiegervaters. Das tut sie seit Jahren. Sie näht und trennt auf. Mit diesem Trick –  sie versprach, einen der Freier zu ehelichen, sobald das Leichentuch fertig ist – hält so die Drängenden hin. Das geht schief, weil ihre Trickserei entdeckt wird. Nun lassen sie sich nicht mehr hinhalten, die Hochzeit wird vorbereitet.

Paula Murrihy (Pénélope) und Freier sowie oben Eric Laporte (Ulysse; sitzend) und Joanna Motulewicz (Euryclée; kniend)

Der Bettler alias Odysseus mischt sofort mit. Obwohl Pénélope zwar eine Ahnung hat, weil sie glaubt, seine Stimme erkannt zu haben, er sich ihr aber nicht offenbart, kommen sie und Odysseus einander nicht näher.

 Paula Murrihy nach der Premiere, Foto: Renate Feyerbacher

Die gebürtige Irin Paula Murrihy, die acht Jahre lang dem Frankfurter Opernensemble angehörte, Carmen, Dido, l’Orontea, Dorabella (Cosi fan tutte), Hänsel, Octavian (Der Rosenkavalier), der Komponist („Ariadne auf Naxos“) an der Oper Frankfurt interpretiert, ist als Pénélope wieder hier.

Beeindruckend, wo die junge Mezzosopranistin nach 2017, dem Ausscheiden aus dem Ensemble, inzwischen überall auf der Bühne stand: mit einem Debüt an der Metropolitan Opera New York, bei den Salzburger Festspielen, in Madrid, in London bei den BBC-Proms und und und. In diesem Jahr bekam sie außerdem ihr zweites Kind.

Paula Murrihy ist die ideale Besetzung für die Rolle der Pénélope. Ihre Stimme gibt sich ganz dem Fauréschen Klangzauber hin, mit ihrem feinen Timbre in der Mittellage, und mit ihrer verhaltenen Höhe.

Zu großer Form läuft Tenor Eric Laporte als Ulysses auf. Der in Kanada geborene Sänger gibt sein Debüt an der Oper Frankfurt, vermittelt das Bild eines Helden, der nun in der Situation am Hofe scharfsinnig vorgeht, um seinen Racheakt zu vollenden und seine geliebte Frau zurückzugewinnen. Keine einfache Sache, denn sie ist verunsichert. Lange Zeit schafft sie es nicht, Odysseus zu begegnen.

Corinna Tetzel nach Oper extra am 17. November, Foto: Renate Feyerbacher 

Eine kluge Inszenierung

Wie macht man eine Wartende zu einer Figur, hat sich die junge Regisseurin Corinna Tetzel gefragt. Ständig zitiert diese Pénélope ihre Träume, spricht von ihrem Sehnen. Der jungen Regisseurin ist die psychologische Aufstellung der Personen bestens gelungen. Zwar gibt es keinen tagesaktuellen Bezug, dennoch ist das Geschehen – der Machtkampf zwischen Frau und Mann – aktuell.

„Wer jemanden warten lässt, der hat die Macht.“ Tetzel verordnet der Inszenierung viel Ruhe. Sie lässt den Bogen des Odysseus, den nur er spannen kann, ganz heraus. Alle Freier fallen – ein imaginiertes Geschehen.

Agiert wird auf dem Dach des Palastes. Dabei vermitteln die Treppen eine starke Dynamik – eine gelungene Idee des Bühnenbildners und FAUST-Theaterpreis-Trägers Rifail Ajdarpasic, der schon einmal in Frankfurt tätig war. Treppen führen hinab. Da werden mal die Mägde von den Freiern „runter gestoßen“, mal eilen diese selbst hektisch nach oben. Dagegen steigt der Bettler die Treppen behutsam-beobachtend nach oben hinauf.

Die Kostümbildnerin Raphaela Rose hat die Königin in einen schwarzen Business-Anzug gesteckt. Später umhüllt sie sie mit einem überaus stofflich-fülligen weißen Rock, mit dem diese geradezu verzweifelt um sich schlägt. Der weiße Stoff  weckt Erinnerungen an ein Leichentuch. Odyssus fängt sie auf, während die fünf Mägde – vorzüglich übrigens ihr Gesang –, ganz weiblich und in grellen gelben Partykleidern daherkommen.

Dieser sehr französische Opernabend war wieder eine Bereicherung für die Frankfurter Oper.

Weitere Vorstellungen am 6., danach Oper lieben, am 11., 15. Dezember bereits um 15.30 Uhr wegen kostenloser Kinderbetreuung, am 11., 17. und 23. Januar 2020.

 

 

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