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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

DER LITERATUR KALENDER 2020. Vom Glück & Leid des Seins

Allwöchentlicher Spaziergang durch die Literaturgeschichte

Eine „Anthologie der Weltliteratur an der Wand“

        

   

Wie bereiten wir uns auf das neue Jahr vor? Die Vorsätze sind das Eine, das Ankommen in der Realität das Andere. Das Thema Glück & Leid wird uns daher zweifellos auch im kommenden Jahr beschäftigen. Diesen Themas hat sich diesmal die so erfahrene wie belesene Kalender-Herausgeberin Elisabeth Raabe angenommen und Zitate aus der Vielfalt weltweit literarischen Schaffens ins Blickfeld gerückt. Sie führt uns in Text und Bild über Zeiten und Grenzen hinweg, sowohl bekannte als auch unbekannte AutorInnen im wahrsten Wortsinn vor Augen.

Ein „normaler“ Lebenshilferatgeberkalender zum Thema Glück & Leid würde mir vermutlich wegen der häufig banal reproduzierten Lebensweisheiten eher die Laune verderben, nicht hingegen das allwöchentliche Flanieren durch die Vielfalt literarischer Äußerungen von Autoren und Autorinnen, die unseren Blick auf die Realität auf andere Weise schärfen.

Das Kalendermachen scheint für die gestandene Verlegerin Elisabeth Raabe ein Lebenselexir zu sein. Sowohl ihre Kinder-, Musik- und Jazz-Kalender wie auch der Küchenklassiker von Sybille Gräfin Schönfeld dokumentieren es alljährlich immer wieder aufs Neue.

Vor allem aber der Literaturkalender, der inzwischen einige Schwestern und Brüder in anderen Verlagen hinzugewonnen hat, ist der herausragende Ur-Klassiker mit seiner immer wieder ungewöhnlichen Kombination aus Bild und Text, mit seinen biographischen Einsprengseln, die den abgebildeten Autor oder die Autorin auf eine besondere Weise charakterisieren und diesen damit eine neue Aktualität verleihen.

Da geht es einem beim Blättern ständig durch den Kopf: „Ach wie interessant. Mit dem Autor oder der Autorin sollte ich mich ja doch  wieder einmal oder auch überhaupt beschäftigen“… Die ausgewählten Zitate machen aufmerksam und wecken die Lust auf mehr. Das trifft auch auf die Auswahl der atmosphärischen Fotos der SchriftstellerInnen zu, die einem größtenteils schwarz-weiß entgegentreten, alleine oder in Grüppchen, so dass wir uns auch ein Bild von ihrem sozialen und kulturellen Umfeld machen können. Die Phantasie der Leser regen sie allemal an.

Die einzelnen Kalenderblätter kommen dabei optisch als auch ästhetisch völlig unverwechselbar daher. Etliche solcher Blätter haben uns 30 Jahre lang als „Arche Kalender“ begleitet und erscheinen seit dem letztem Jahr als edition momente. Diese Handschrift ist zweifellos von zwei Persönlichkeiten geprägt: von der belesenen Verlegerin Elisabeth Raabe und dem Gestalter Max Bartholl, der einen Rahmen geschaffen hat, innerhalb dessen sich jede Seite spielerisch bewegen kann. Die Farben setzt er jeweils bewusst sparsam ein, und passt sowohl den Schriftgrad als auch die Typografie an, was den Ausdruck der jeweiligen Abbildungen in ihrer Wirkung nochmal steigert. Einzelne abgerissene Kalenderseiten würde man am liebsten aufbewahren  oder gar einrahmen.

    

Auch für das kommende Jahr 2020 gibt es wieder wunderbare Anregungen. Da können wir etwa nachlesen, dass der russische Doktor Schiwago-Autor Boris Pasternak um den georgischen Avantgarde-Dichter Paolo Jaschwili trauert oder die Millionenerbin Nancy Cunard eine „Negro Anthology“ über die Leiden der Schwarzen herausgibt, während der Urdu-Dichter Saadat Hasan Manto an der Spaltung Indiens und Pakistans zu zerbrechen droht und Friedrich Hölderlin am liebsten wie die Nachtigall ein „sorglos Lied“ von seiner Wonne sänge. Über die schwerhumorige Krimi-Klassikerin Agatha Christie erfahren wir, dass sie mit ihrem 16 Jahre jüngeren Ehemann fröhlich an der dalmatinischen Küste entlang schipperte.

Man macht Entdeckungen über Entdeckungen in dem LiteraturKalender und freut sich schon jetzt auf das Umblättern am Ende der jeweiligen Woche, um noch ein Zipfel der ständig größer werdenden Welt der Literatur zu erhaschen. Auch das ist Glück. In dem Zusammenhang lautet das Leid eher: Warum schaffe ich es denn nicht, noch mehr zu lesen, ist doch die Literatur so reich, und könnten wir doch diesen Leseschatz ganz leicht in unserem Kopf herumtragen?!…   Petra Kammann

    

Mit Texten und Bildern aus der Weltliteratur. Hg. von Elisabeth Raabe.
Gestaltet von Max Bartholl

edition momente Hamburg/Zürich
60 Bl. / 55 Fotos / farbig / € 22,- / sFr. 32.90 / ISBN 978-3-0360-2020-4

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