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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Abschreckendes Beispiel auch für Frankfurt: Museum der Moderne in Berlin

Frankfurt sollte beim Wunsch nach einem ‚Demokratie-Zentrum’ keine Scheuklappen anlegen

Von Uwe Kammann

Geld spielt bei öffentlichen Bauten, namentlich unter dem Etikett Kultur, anscheinend keine Rolle. Eine Milliarde soll die Sanierung des stattlichen Opernhauses in Stuttgart kosten, rund 400 Millionen eine geplante neue Konzerthalle in München; rund 450 Millionen die Sanierung des dort bestehenden Kulturzentrums Gasteig (das bereits einen großen Konzertsaal beherbergt); auf geschätzte 700 Millionen Euro wurde zuletzt die Sanierung der Frankfurter Doppelbühne für Oper und Schauspiel beziffert.

DAM-Direktor Peter Cachola Schmal und Frankfurts OB Peter Feldmann vor dem Modell der Paulskirche, Foto: Petra Kammann

Nun ja, es ist ja nicht das Geld der politischen Entscheider, sondern das der steuerzahlenden Bürger. Die allerdings haben in der Regel nicht viel zu sagen. Theoretisch wird das manchmal eingefordert, so vom Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann. Eine lange demokratische Debatte schwebt ihm vor angesichts eines von ihm dringend gewünschten ‚Demokratie-Zentrums’. Der große Prozess sei wichtiger als die Steine, so formulierte er es gerade wieder bei einer Diskussion am 11. November im Deutschen Architekturmuseum (DAM).

Beim Ausgangspunkt dieses ,Wünsch-dir-was-Hauses‘ ging es lediglich um die Sanierung der Paulskirche. Die Grundentscheidung – zurück zur alten Gestalt von 1848 oder Beibehalten der bewusst schlichten Wiederaufbau-Bescheidenheit von 1948 – war der Rot-Schwarz-Grün-Koalition im Römer allerdings kein langes Federlesen wert. Sie fiel zugunsten der Nachkriegslösung. Dafür gibt es durchaus gute Gründe. Doch von langer und offener Debatte kann nicht die Rede sein, und die Oppositionsparteien im Stadtparlament wurden gleichsam vom jüngst eingebrachten Mehrheitsantrag überrumpelt.

Siegerentwurf von Herzog & de Meuron für das Museum der Moderne auf dem Berliner Kulturforum, Simulation: Herzog & de Meuron

Wie es allerdings noch viel schlimmer gehen kann mit einem individuellen Lieblingsprojekt, das exzerziert gerade die Kulturstaatsministerin Monika Grütters bei ihrem Topp-Objekt, einem Erweiterungsbau der neuen Nationalgalerie, in Berlin. Gegen massive Kritik von nahezu allen Seiten – mit fundierten architektonischen, städtebaulichen, funktionalen Argumenten – hält sie an einem Entwurf des Architekturbüros Herzog & de Meuron fest. Ein Entwurf, den eine Jury 2016 zum Sieger gekürt hatte, der allerdings in der Öffentlichkeit fast komplett durchfiel und wegen seiner Grundform mit flachem Satteldach als Scheune, Bierzelt, Aldi-Filiale verspottet wurde.

Inzwischen haben die sogenannten Stararchitekten – die auch die wegen ihrer Segelschönheit berühmten und wegen ihrer Kosten berüchtigten Elbphilharmonie in Hamburg gebaut haben (Endkosten: gut 900 Millionen Euro) – den Scheunenentwurf in Grenzen nachgebessert. Dabei ist allerdings auch die Kostenschätzung von 200 Millionen auf jetzt 450 Millionen Euro geklettert (ob Architekturadel verpflichtet?)

Nachgebesserter Entwurf von Herzog & de Meuron, Simulation Herzog & de Meuron

Jetzt, am 14. November, entscheidet der Haushaltsausschuss des Bundestages, ob über die bereits im Anfangsstadium zugesagten 200 Millionen Euro hinaus auch die aktuell veranschlagten zusätzlichen 250 Millionen Euro bereitgestellt werden. Falls nein, wäre das wahrscheinlich das Aus für den Bau. Und damit eine herbe Niederlage für die Kulturstaatsministerin, die ihn mit Inbrunst verteidigt. Obwohl nicht einmal die eigentlichen Bauherren, die für die öffentlichen Museen zuständige Stiftung Preußischer Kulturbesitz, von dem Projekt in dieser Form überzeugt sind (nach außen tun sie als ob). Doch bislang haben sie sich gefügt, in all ihrer Abhängigkeit vom Geld des Bundes, mit dem beispielsweise auch die milliardenschwere Sanierung der Museumsinsel finanziert wird, einschließlich des berühmten Pergamon-Museums.

Warum diese Geschichte hier dargestellt wird? Nun, als Warnung. Weil sie exemplarisch ist für eine Kulturpolitik nach Gutsfrauen/-herren-Art, eine Politik, die stur auf eigenen Vorlieben und Vorgaben beharrt und nicht mehr nach links oder rechts schaut; die nicht mehr auf die bestmögliche Sachlösung zielt, sondern im Zweifelsfall nur Machtkonstellationen nach politischem Farbenmuster sucht, um nicht das Gesicht zu verlieren – so, wie es jetzt auch mit dem Demokratiezentrum in Frankfurt gehen könnte, weil der Oberbürgermeister sich in diese Idee verliebt hat.

In Berlin, beim geplanten Museum der Moderne, ist es jetzt eine Minute vor zwölf. Denn noch könnten die Haushälter nein sagen. Fraglich natürlich, ob die Großkoalitionäre ihre Kulturstaatsministerin in den Regen schicken werden. Dass sie überhaupt an andere Entscheidungskriterien als an das Geld denken werden, ist allerdings fraglich. Denn an der fachlichen Kritik scheinen sie nicht interessiert zu sein, wenn sie denn überhaupt über irgendein Sensorium für Baukultur und Städtebau verfügen.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters will das Projekt durchsetzen

In der öffentlichen Kritik – so in den großen Feuilletons, in renommierten Architektenkreisen, in Runden wie der Akademie der Künste in Berlin – war auch immer wieder bemängelt worden, dass die Entscheidung für die mächtige Scheune aus Backstein mit keinerlei stadtplanerischen Perspektiven verbunden war. Das Land Berlin selbst, seit vielen Jahren mit einer von vielen Seiten angefeindeten Planungschefin eher geschlagen als gesegnet, hielt sich völlig zurück.

Obwohl das Kulturforum zu den anspruchsvollsten Bauplätzen der Stadt gehört, mit einem Kranz architektonischer Ikonen: Nationalgalerie von Mies van der Rohe, weiter Philharmonie und Staatsbibliothek von Hans Scharoun, schließlich auch (leider hinter einem scheußlichen Entree versteckt) die Gemäldegalerie von Hilmer & Sattler. Der innere Platz selbst: sich selbst überlassen, inzwischen vollkommen verwahrlost. Eine Reihe von Wettbewerben für eine Gesamtgestaltung des Forums führte zu keinem akzeptablem Ergebnis. (Auch solche wiederholten Null-Geschichten gehören ja zu Frankfurter Städtebauerfahrungen, sowohl beim Dom-Römer-Bereich als auch bei der Paulskirche und ihrer Einbettung.)

Jetzt – und dies ist auch der alarmierenden Eine-Minute-vor-zwölf-Situation geschuldet – hat der Architekt Stephan Braunfels im Hanstein-Verlag ein Buch („Kulturforum Berlin“) vorgelegt, das eindrucksvoll vorführt, welches Unglück sich am und auf dem Kulturforum anbahnt, wenn die von Herzog & de Meuron entworfene Museumsscheune tatsächlich mit dem Geldsegen des Bundes auf den Weg gebracht würde. Dabei hebt er auch speziell einen Mangel hervor, der in der öffentlichen Diskussion zwar erwähnt, aber kaum beachtet wurde: nämlich die massive Sperre der Sichtbeziehungen zwischen den Ikonen am Forum, speziell zwischen dem so strengen wie transparentem Tempel der Nationalgalerie und der expressiven Architektur der Philharmonie und des später realisierten Kammermusiksaals. Auch das filigrane Kleinod der St. Matthäus-Kirche von Friedrich August Stüler, des einzig verbliebenen historischen Baus am Forum, würde durch die massige Scheune einfach brutal beiseite gedrückt.

Sichtachsen von der Nationalgalerie zur Philharmonie, unten mit der „Kulturscheune“, Quelle; Stephan Braunfels

Mit einer Reihe von Vergleichen zeigt Braunfels auf, in welche städtebauliche Tradition sich das Kulturforum einreihen könnte und welcher Gewinn aus einer Planung und Entscheidung zu ziehen wäre, wenn das Forum als richtiger Platz begriffen und gestaltet würde. Für Laien ist es anhand der im gleichen Maßstab gezeigten Lagepläne fast verblüffend zu sehen, wie sich Proportionen und Perspektiven berühmter und geschätzter Plätze als städtebauliche Orientierungen auch für das Kulturforum Berlin anbieten, ganz gegen die oberflächliche Einschätzung, der Platz sei zu groß oder gar eine Öde.

Auch einen eigenen Entwurf für den Erweiterungsbau des Moderne-Museums stellt er in dem Buch (Untertitel: Stadtbaukunst) vor. Platziert genau an dem Ort, der nach allen früheren Plänen dafür vorgesehen war und der folglich auch noch frei ist: im rückwärtigen Bereich der Nationalgalerie von Mies van der Rohe. Dafür, so wird schnell klar, sprechen auch alle Sachgründe. Der vorgeschlagene Bau würde mit seinen terrassierten Großkörpern ein Tageslichtmuseum; er hätte einen direkten ebenerdigen Zugang zum Mies-Bau und schüfe zur Seite, an der Sigismundstraße, einen Übergang zur Gemäldegalerie.

Entwurf von Stephan Braunfels für das Kulturforum, Quelle: Stephan Braunfels

Diese Verbindungen sind beim isolierten Scheunen-Entwurf nicht gegeben. Es müssten teure Tunnel gegraben werden; wie ohnehin die jetzt projektieren Ausstellungsräume in den Berliner Untergrund versenkt werden sollen, zwei Stockwerke tief, was bei den bekannten örtlichen Grundwasserschwierigkeiten das Bauen eminent verteuert. Bei seinem Entwurf, so rechnet Braunfels vor, wären der Kostenrahmen deutlich kleiner, mit veranschlagten 200 Millionen Euro, weniger als die Hälfte also als beim jetzt vom Haushaltsausschuss zu beratendem Entwurf der Schweizer Stars. Braunfels selbst weiß, wovon er redet. Seine Pinakothek der Moderne in München wird als vorbildlicher Museumsbau weithin gerühmt, seine Regierungsbauten in Berlin bestechen durch Klarheit und Eleganz.

Apropos, Stars: Wer sich umhört bei Experten der Szene, der wird mit dem Verdacht konfrontiert, dass der Wettbewerb so zugeschnitten und gestaltet wurde, dass alles auf das weltweit gefragte Schweizer Büro hinauslief; eben, um dann mit einem großen Namen brillieren zu können, der mit Scharoun und Mies van der Rohe ein Ruhmestrio komplettieren könnte. Die Jury war wie maßgeschneidert mit Nahestehenden, und unschwer war am Entwurf zu erkennen, dass es sich um Herzog & de Meuron als Urheber handeln musste. Denn genau diesen Typus, den sie mit dem Etikett ‚archaisch’ veredeln, hatten sie in der jüngeren Vergangenheit mehrfach verwendet.

Freie Sicht auf die Nationalgalerie von Mies van der Rohe und auf die St. Matthäuskirche von Stüler, Quelle: Stephan Braunfels

Schon 2015, als gerade der große Berliner Wettbewerb vorbereitet wurde, hatte der Architekturkritiker Hanno Rauterberg in der „ZEIT“ angesichts der vermurksten Rahmenbedingungen ein grandioses Scheitern befürchtet und deshalb als wichtigste Voraussetzung gefordert, „Platz für freie Gedanken!“ zu schaffen. Später, angesichts des völlig verkorksten Entwurfs und des städtebaulichen Offenbarungseides mit der alles vereinnahmenden Scheune, forderte er „Stoppt das Ding!“. Ein Appell, der an vielen Stellen in ähnlicher Form zu vernehmen war.

Und nun, da womöglich die letzte Hürde in einem einsamen Rennen genommen wird, das nur zwei (vermeintliche) Gewinner kennt, nämlich Grütters und das Büro Herzog & de Meuron? Ansonsten aber nur Verlierer, zu denen vor allem die mit Stadtbaukunst ohnehin nicht verwöhnte Öffentlichkeit zählt? Was also ist noch zu retten? Jetzt, wo noch einmal alle Alarmglocken klingeln müssten. Und dies nicht allein wegen der exorbitanten Kosten, sondern auch und gerade wegen des sich abzeichnenden städtebaulichen und architektonischen Elends. Das nicht zu heilen ist, obwohl der verantwortliche Architekt im Schlussspurt so nonchalant wie arrogant alle kritischen Fragen und Einwände wegzuwischen versuchte; und, auf welchen Kanälen auch immer, Hilfstruppen an die Medienfront geschickt wurden, vom New Yorker MoMA-Direktor (Stichworte: Weltgeltung, Hauptstadt der Kunst!) bis zum Hamburger Kultursenator als Herzog & de Meuron-Lobpreiser.

Vielleicht gibt es doch noch ein Fünkchen Hoffnung auf Einsicht bei den Haushältern. Weil sie sehen und begreifen, dass die Kosten angesichts des Bauvolumens und des Nutzens völlig unproportional sind. Weil sie zumindest ahnen (und hoffentlich bedenken), dass Politikverdrossenheit und Wagenburg-Mentalität der etablierten Machtkreise zwei Seiten derselben Medaille sind. Weil sie sich vorstellen können, dass die bis jetzt aufgelaufenen Kosten gering sind im Vergleich zu jenen, die entstehen werden, falls auf Biegen und Brechen und in Nibelungentreue zu einer in Trotz erstarrten Staatsministerin ein mehr als fragwürdiges Objekt in einem skandalösen Laisser-faire-Verfahren durchgepaukt wird.

Diese Kosten, das versteht sich von selbst, sind nicht alleine pekuniär zu veranschlagen. Es sind gesellschaftliche Kosten, die alle tragen.

Beteiligung, Teilhabe, demokratische Debatte, all die großen Schaufenstervokabeln vieler Politiker: vielleicht wieder einmal nichts als Schall und Rauch? Gut möglich. Ein Museum sollte man sich dann sparen. Denn Kultur geht anders. Auch Frankfurt sollte sich daran erinnern.

 

 

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