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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Emil Mangelsdorff und Corinna Danzer: eine Jazz-Beziehung

Zum 202. Mal ein Konzert der Jazz-Legende im Holzhausenschlösschen

Von Uwe Kammann

v.l.n.r.: Bob Degen, Emil Mangelsdorff, Jean-Philippe Wadle, Corinna Danzer, Axel Pape, Fotos: Petra Kammann

Und wieder: one two, one two three … Und wieder, das heißt: Zum nun unglaublichen 202. Mal leitet diese kleine Formel mit dem kaum intonierten four zum ersten Takt, mit klarer Geste gegeben von einem, der nun schon weit im neunten Lebensjahrzehnt steht – Emil Mangelsdorff. Eine Frankfurter Jazzlegende, hochdekoriert von der Wilhelm-Leuschner-Medaille des Landes Hessen über die Goethe-Plakette der Stadt Frankfurt bis zum Bundesverdienstkreuz. Eigentlich könnte er sich darauf ausruhen, voller Stolz, voller Genugtuung darüber, dass er schon in den Nachkriegsjahren zu den Pionieren des deutschen Jazz gehörte und seither die Entwicklung immer wieder vorangetrieben hat, nie als radikaler Rebell, sondern auch mit liebevollem Respekt vor Traditionslinien.

Auch dies bewies er wieder bei seinem neuesten Konzert in der inzwischen hochberühmten und in der Ausdauer weltweit unübertroffenen Reihe „Emil und seine Freunde / Emil and Friends“ im Frankfurter Holzhausenschlösschen. Sein Gast diesmal: Corinna Danzer. Wie er ist sie einem Instrument verschrieben, das so ‚jazzig’ wirkt wie kein zweites, dem Saxophon.

Könnte der Altmeister vielleicht Neid verspüren, wie da die Jugend neben ihm steht, voller Frische, voller Lebendigkeit, immer mit einem kleinen verschmitzten Lächeln, wenn sie den Soli ihrer vier Mit-Musikanten lauscht, dazu ein bisschen wippend, voller innerer rhythmischer Spannung? Nein, nichts da, auch keine Eifersucht. Sondern eine spürbare innere Nähe, eine parallele Lust an der intelligent aufgebauten Improvisation. Man spürt diese Nähe, sieht sie auch. Denn in manchen Momenten legt die Jazzerin Emil die Hand auf die Schulter, gibt sie ihm Zeichen des Einverständnisses, nimmt sie mit leuchtenden  Augen seine Bögen auf.

Frankfurter Urgestein des Jazz: Emil Mangelsdorff

Und, nicht zu vergessen: Wie Emil verbindet sie eine tiefe Liebe mit dem Blues, diesem vor allem in Balladen verkörperten musikalischen Ausdruck einer tiefen inneren Emotion, die natürlich auch mit Melancholie grundiert ist. Aber immer auch mit dem Zauber einer Vision, einer in der Sehnsucht verankerten Schönheit. Beide bezaubern sie – er im ersten Teil des Konzerts, sie nach der Pause – das in jedem Moment gebannt lauschende Publikum im vollbesetzten Saal mit ihren elegisch schönen Tonbögen.

So entstehen die Klangbilder aus den Welten eines Chet Baker, eines Charlie Parker, eines JJ Johnson, eines Duke Ellington, eines Shelley Carrol in einer jeweils ganz eigenen Interpretation, im intensiven Zusammenspiel von Emil Mangelsdorff und Corinna Danzer, in einer jederzeit spürbaren inneren Übereinstimmung, einer melodiösen Verbundenheit, auch – darf man es so sagen? – zarten Zuneigung. Die Musikerein selbst hatte vor dem Konzert noch auf ihrer Webseite geschrieben, sie „freue sich unheimlich“ auf dies ist sicher auch eine Verneigung vor der Lebensleistung eines der ganz Großen des deutchen Jazz.

Was bei Emil Mangelsdorff immer wieder beeindruckt und begeistert – diese federnde Leichtigkeit, diese spielerische Spannung, diese fast schmerzende Dichte und Intensität in seinen Balladen –, das findet sich in vielen Elementen auch bei Corina Danzer. Da ist keine wilde Exentrik, kein überbordendes Vorwärtstreiben, sondern es herrscht stets ein souverän kontrollierter Fluss, in transparenten Konstellationen, welche die Struktur zeigen, ohne dass dies mit einer bevormundenden Note verbunden wäre.

Und, wie immer bei dieser nun schon seit 1995 bestehenden Jazz-Reihe der immer wieder hoch engagierten Frankfurter Bürgerstiftung im Holzhausenschlösschen, sind auch die weiteren Mitglieder des Mangelsdorff-Quartetts von spürbarer Spielfreude beseelt. Sei es der ausgesprochen melodiöse Bassist Jean-Philippe Wadle, sei es der raffiniert-versierte Schlagzeuger Axel Pape, sei es – wie in diesem Fall – der Pianist Bob Degen. In diesem Fall, das heißt: Er spielte an Stelle von Thilo Wagner, der in der Regel mit immer wieder bewunderter Virtuosität das Gesamtspiel grundiert und mit meisterlichen Soli bereichert. Bob Degen – der fast zwei Jahrzehnte auch Mitglied des HR-Jazz-Ensembles war – bewies auch an diesem Abend, dass er zu Recht von Mangelsdorff schon lange auch als Gastsolist geschätzt wird.

Souverän: die Saxofonistin Corinna Danzer

Den besonderen Glanzpunkt in der Gastrolle setzte aber ohne Zweifel Corinna Danzer. Das lag natürlich an ihrem überaus überzeugenden Spiel mit all seinen technischen Feinheiten, seinen souveränden Phrasierungen und Mischungen der Ton- und Klangebenen. Aber es lag auch der stets sicht- und hörbaren Grundausstrahlung, an dieser in jeder Phase vermittelten Freude an der Kommunikation, am befeuernden und beförderndem Zusammenspiel.

Das Publikum, natürlich, es spürte diese außerordentliche Leistung – im Ensemble wie in den Solo-Parts – in jeder Sekunde. Und entsprechend bedankte es sich mit langen Beifallsovationen im Stehen. Es erklatschte sich damit eine Zugabe. Die mit nochmaligem Beifallssturm bedacht wurde. Und jeder hat sicher schon fest notiert: Montag, 2. Dezember, dann zum 203. Mal: Emil und …

Regelmäßig tritt Emil Mangelsdorff auch als Zeitzeuge auf. In Frankfurt am Main geboren und unter den Bedingungen des Nazisystems herangewachsen, musiziert und berichtet lebhaft und humorvoll von den Erfahrungen und Erlebnissen des Jugendlichen Emil, der seine Leidenschaft zum Jazz entdeckt und entschlossen ist, Jazzmusiker zu werden. Veranstaltungshinweise beachten.

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