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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Umfassende Georg Heck-Retrospektive im Museum Giersch

Wiederentdeckung eines Künstlers von außergewöhnlicher Kreativität

Von Hans-Bernd Heier

Der Frankfurter Maler und Graphiker Georg Heck zählt zu den vielseitigsten Künstlern seiner Generation. Sein Schaffen umfasst Aquarelle, Druckgraphiken, Gemälde, Zeichnungen sowie angewandte Kunst und Kunst am Bau. Werk und Biographie stehen gleichsam exemplarisch für das 20. Jahrhundert mit seinen tiefgreifenden Verwerfungen. Vor dem Hintergrund seiner wechselvollen Biographie, die das Erleben von zwei Weltkriegen und Diktatur umfasste, entwickelte er ein Werk von großer Eigenständigkeit. Dem heute weitgehend vergessenen Künstler widmet das Museum Giersch der Goethe-Universität die repräsentative Überblicksschau „Georg Heck (1897–1982) – Retrospektive“, die bis zum 9. Februar 2020 zu sehen ist. Die beeindruckende Sonderausstellung veranschaulicht anhand von rund 150 Exponaten die überregionale Bedeutung dieses Künstlers.

Georg Heck „Nizza“, 1936, Öl auf Leinwand, 36 x 42 cm, Privatbesitz; Foto: Uwe Dettmar, Frankfurt

Georg Hecks Kunststudium gingen eine Ausbildung zum Kunstschmied, der Fronteinsatz im Ersten Weltkrieg und Kriegsgefangenschaft in Frankreich sowie eine Beschäftigung als Arbeiter in den Frankfurter Adlerwerken voraus. Infolge eines Arbeitsunfalls erblindete er 1921 auf seinem rechten Auge. Dieses Handicap hielt ihn jedoch nicht ab, sich 1923 an der Städelschule einzuschreiben. 1928 wurde er Meisterschüler von Max Beckmann, der ihn, wie auch die meisten seiner Mitschüler*innen, nachhaltig prägte: „Beckmann hat mich tief beeindruckt. Besonders das Räumliche und das Figürliche, wie er das so aufteilt im Raum, wie er die Figuren bearbeitet, seine Lichtflächen, die Spektakelflächen, die wunderbare Blütenpracht. Ich war froh als dieser gepresste Kampf in mir selbst bei ihm eine Lockerung erfuhr“, erinnerte sich Heck später. Selbstporträts und  sogenannte „Fensterblicke“ von 15 Künstler*innen, die sich thematisch und stilistisch an Beckmanns Werk orientierten, ermöglichen einen reizvollen Vergleich mit Hecks Werken.

Georg Heck „Selbstbildnis“, 1930, Holzschnitt, 74 x 37,5 cm; Kulturkreis Georg Heck e. V.; Foto: Uwe Dettmar

Zu Georg Hecks bedeutendsten Werken der Schaffensperiode vor dem Zweiten Weltkrieg zählt sein Wandbild im Firmensitz des damaligen Chemiekonzerns „Interessengemeinschaft Farbenindustrie AG“, kurz IG Farben – heute Teil des Campus Westend der Goethe-Universität Frankfurt. Wohl auf Vermittlung seines Lehrers Max Beckmann erhielt Georg Heck um 1929 den Auftrag, in einem Salon im Obergeschoss ein Wandbild auszuführen. Das aus dem Geist des Neoklassizismus gestaltete großformatige Wandbild versammelt sechs Figuren in einer arkadisch anmutenden Landschaft. Von Georg Heck wurde es später als „Symbolisierung der idealen Harmonie des Lebens“ beschrieben. Auffällig ist die motivisch-stilistische Verwandtschaft mit Holzschnitten Hecks, die Mitte der 1930er-Jahre entstanden.

Während des nationalsozialistischen Terrorregimes wurde das Fresko des als „entartet“ verfemten Künstlers übertüncht. Erst 2006 konnte das Werk nach aufwendiger Restaurierung wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. „Die bewusst belassenen Fehlstellen verweisen jedoch auf die historischen Ereignisse: Das Fresko erinnert an die Auswirkungen von Diktatur und Krieg und dient damit zugleich als Mahnmal“ schreibt Prof. Birgitta Wolff, Präsidentin der Goethe-Universität, in dem exzellenten Begleit-Katalog.

Georg Heck „Flieder am Fenster“, 1929, Öl auf Leinwand, 80 x 44 cm; Museum Kunst der verlorenen Generation, Sammlung Böhme, Salzburg; Foto: Uwe Dettmar

Durch glückliche Umstände blieb Georg Heck bei Kriegsbeginn zunächst vom Fronteinsatz verschont. Dennoch schuf er unter dem Eindruck der erschütternden Geschehnisse eine Reihe von sechs expressiven Tuschezeichnungen mit dem Titel „Eine Vision“, die die Vernichtung als Schreckensvision vor Augen führen. Dabei erwies sich der Künstler als äußerst sensibler Zeichner, der die Linie als Ausdrucksträger virtuos zum Einsatz brachte. Die außergewöhnliche Serie wurde 1948 von der Städtischen Galerie Frankfurt angekauft und wird in der Graphischen Sammlung im Städel Museum aufbewahrt.

Georg Heck „Stillleben“, 1949; Öl auf Leinwand, 90 x 64 cm; Städel Museum

Der hochtalentierte Heck verlor durch Ausbombung 1944 nahezu sein gesamtes Frühwerk. Die Beurteilung der künstlerischen Anfänge Georg Hecks wird dadurch erheblich erschwert. „Die wenigen erhaltenen Originale bezeugen jedoch sehr früh sein herausragendes künstlerisches Potential“, so Museumsleiter Dr. Manfred Großkinsky. Das zeigt sich besonders in seinen großformatigen Schwarz-Weiß-Holzschnitten. Aus den 1930er Jahren sind einige großformatige Blätter erhalten, die in der gut strukturierten Schau zu sehen sind, und in deren Zentrum zumeist die menschliche Figur steht.

Georg Heck „Abstrakte Farbkomposition“, 1959/63, Farbholzschnitt, 44 x 61 cm; Kulturkreis Georg Heck e. V.; Foto: Uwe Dettmar

Seit seinen ersten Studienjahren beschäftigte sich Heck mit dem Medium der Graphik, insbesondere mit dem Holzschnitt. „Dieser hatte zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch die Expressionisten neue Wertschätzung erlangt und sollte bei Heck in eine Werkgruppe von grandioser künstlerischer Kraft münden“, erklärt Kuratorin Susanne Wartenberg. Um 1950 begann sich der unermüdliche Künstler auch mit der Technik des Farbholzschnittes zu beschäftigen. „Zunehmend entfernte er sich zugunsten eines intensiven Spiels von Farbe und Form von den schwarz-weißen figürlichen Darstellungen seiner Holzschnitte der unmittelbaren Nachkriegszeit“, so die Kuratorin. Dabei öffnete sich Heck immer mehr der abstrakten Position.

Georg Heck „Abstrakte Farbkomposition“, 1963, Aquarell mit schwarzer und weißer Tusche, 28 x 38 cm; Privatbesitz; Foto: Uwe Dettmar

Seine unterschiedlich dicken Druckstöcke nutzte Heck meist beidseitig, eine durchaus gängige Praxis – sie spart Material sowie finanzielle und räumliche Ressourcen. Das war auch bitter nötig. Denn nach Kriegseinsatz und Gefangenschaft stand der mittlerweile fast 50-jährige vor einem schwierigen Neubeginn. Er fristete ein Dasein am Existenzminimum und ihm stand nur ein Atelier von gerade einmal 10 Quadratmeter zur Verfügung. Dennoch schuf er ein sehr vielseitiges, qualitätsvolles Werk.

Nach 1945 finden sich auch Aquarelle im Œuvre Georg Hecks und begleiteten sein künstlerisches Schaffen bis in das Spätwerk. Von facettenreicher, häufig sogar bunter Farbigkeit integrierten die Aquarelle zunächst noch figürliche Elemente, ohne jedoch auf die für die Gattung spezifische fließend-transparente Bildwirkung zu verzichten. Später gestaltete Georg Heck die aquarellierten Blätter rein abstrakt, ließ den Farben freien Lauf: „Darin liegt das ganze Geheimnis eines Aquarells, in diesem nassen Papier, in diesem verschwommenen Einfall, in diesen Farben, in diesem Ringen: das ist die Geburt des Aquarells in meiner Sicht“, äußerte Heck 1981. Auch die Aquarell-Blätter machen Hecks besonderes Gespür für Farb- und Formwirkungen deutlich.

Georg Heck, um 1975, Privatbesitz; Fotograf unbekannt

Georg Hecks Suche nach einer künstlerischen Neuorientierung nach dem Zweiten Weltkrieg ist von einem Oszillieren zwischen gegenständlichen und abstrakten Tendenzen gekennzeichnet. Dabei bediente sich der zielstrebige Künstler, wie Museumsleiter Großkinsky betont, „vielfältiger Stilmittel: Ob expressiv, impressionistisch oder konstruktiv, er beherrschte die stilistischen Variationen seiner Zeit und stand diesen offen gegenüber. In seinem Nachkriegswerk fand er über Gattungs- und Stilgrenzen hinweg zu einer beeindruckenden Gestaltungskraft zwischen Figuration und Abstraktion“. Die in der Kunstdebatte der 1950er-Jahre hitzig diskutierte Gegensätzlichkeit von Figuration und Abstraktion lässt sich durch das Nachkriegsschaffen Hecks nicht belegen – er entzog sich einer eindeutigen Positionierung.

Eine Werkgruppe innerhalb des Schaffens von Georg Heck, die bisher zu Unrecht keine Beachtung fand, ist die der angewandten Kunst und Kunst am Bau. Dabei zeigte der Künstler keinerlei Berührungsängste. In seiner Laufbahn wechselten sich einfache Auftragsarbeiten kleinen Formats mit komplexen Konzepten und Wettbewerbsbeiträgen für Kunst am Bau ab.

Jesuitenpater Prof. Friedhelm Mennekes und Kuratorin Susanne Wartenberg neben dem Ausstellungsplakat; Foto: Hans-Bernd Heier

Heck war unter anderem 1953 Gründungsmitglied der „Frankfurter Sezession“ sowie 1976 an der Konstitution der Ausstellungsgemeinschaft „Frankfurter Kreis“ beteiligt. Bis ins hohe Alter war er künstlerisch tätig. Kurz vor seinem Tod wurde 1982 der Kulturkreis Georg Heck e. V. gegründet, u. a. zur „allgemeinen Pflege der Kultur. Im Besonderen sollen die Werke Georg Hecks gefördert und gepflegt werden“. Maßgeblichen Anteil daran hat der Jesuitenpater Prof. Friedhelm Mennekes, der Hecks Arbeiten in das innovative Ausstellungsprogramm der katholischen Kirchengemeinde Sankt Markus in Frankfurt am Main einbezog.

Bis jetzt gehört Georg Heck zu den weitgehend vergessenen Künstlern. Er ist ein Vertreter jener Künstlergeneration, die durch die NS-Diktatur in einem entscheidenden Moment ihrer Biographie an freier Entwicklung gehindert, diffamiert und bedroht wurde. Seine Karriere, die vor 1933 so hoffnungsvoll begonnen hatte, war danach zum Erliegen gekommen. Dieses Schicksal teilte Georg Heck mit vielen deutschen Künstler*innen seiner Generation, die deswegen in der Kunstgeschichte auch als „verschollene“ oder „verlorene Generation“ bezeichnet wird.

Das Museum Giersch der Goethe-Universität möchte mit der Ausstellung in der Heimatstadt Georg Hecks zu einer längst überfälligen Wiederentdeckung des Künstlers beitragen und seinem Werk die gebührende Aufmerksamkeit zollen. Die beeindruckende Schau, die sich hervorragend in das Konzept des vor 19 Jahren gegründeten „Museums für regionale Kunst mit überregionaler Bedeutung“ fügt, stellt in chronologisch-thematischer Abfolge Hecks Schaffen vor. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf den Holzschnitten – ein Medium, mit dem der Künstler besondere Könnerschaft erreichte und kraftvolle Meisterwerke schuf.

Ein von der Aventis Foundation gefördertes Digitalprojekt ermöglicht mit erläuternden Beiträgen eine vertiefende Auseinandersetzung mit dem großartigen Künstler und seinem Œuvre.

Georg Heck (1897–1982) – Retrospektivebis zum 9. Februar 2020 im Museum Giersch der Goethe-Universität; weitere Informationen

unter: www.georg-heck.museum-giersch.de

Bildnachweis (soweit nicht anders bezeichnet): Museum Giersch der Goethe-Universität

 

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