Trauer um Monika Schoeller – Verlegerin des 1886 von Samuel Fischer gegründeten S. Fischer Verlages
Ein Verlust für die Frankfurter Zivilgesellschaft
Monika Schoeller, Verlegerin des 1886 von Samuel Fischer gegründeten S. Fischer Verlages, aus dessen Tagesgeschäft sie sich zwar 2002 zurückgezogen hatte, jedoch weiterhin Verlegerin und Mitglied der Geschäftsführung blieb, ist nach kurzer schwerer Krankheit am 17. Oktober 2019 in Filderstadt bei Stuttgart im Alter von 80 Jahren gestorben. 1974 wurde sie Verlegerin des S. Fischer Verlags in Frankfurt am Main. Gemeinsam mit ihrem Bruder Stefan von Holtzbrinck war sie dann Gesellschafterin der Holtzbrinck Publishing Group, Verlegerin der S. Fischer Verlage in Frankfurt am Main und Gründerin der S. Fischer Stiftung in Berlin. Für den vorbildlichen Umgang mit ihrem verlegerischen Erbe und ihr vielfältiges Engagement auf dem Gebiet der Literatur war sie noch im vergangenen November mit der Maecenas-Ehrung des Arbeitskreises selbständiger Kultur-Institute (AsKI) bei einer sehr würdigen Feier im Frankfurter Goethe-Haus ausgezeichnet worden…
Freies Deutsches Hochstift – Mäzenin Sylvia von Metzler gratuliert Monika Schoeller zum Maecenas-Preis, Foto: Petra Kammann
Schon früh hat Monika Schoeller die Zeichen der Zeit erkannt und vorausschauend für künftige Generationen vorgesorgt. So hatte die Verlegerin bereits seit 1986 schrittweise das gesamte historische Verlagsarchiv des S. Fischer Verlags, das Korrespondenz und Manuskripte namhafter Autoren wie Thomas Mann, Ilse Aichinger, Boris Pasternak und Paul Celan umfasst, dem Deutschen Literaturarchiv Marbach (DLA) gestiftet. Darüber hinaus hatte sie einen Fonds für Zukäufe und die bis heute andauernde wissenschaftliche Erschließung eingerichtet und der Kunstsammlung des DLA Max Liebermanns Porträt des bedeutenden Verlegers Samuel Fischer übereignet.
2003 hatte die Verlegerin die S. Fischer Stiftung als private Stiftung von Monika Schoeller ins Leben gerufen, welche sowohl nationale wie auch internationale Projekte aus Kultur und Wissenschaft fördert und sich insbesondere für den länderübergreifenden literarischen Austausch einsetzt, darunter Übersetzungen deutschsprachiger Gegenwartsliteratur in Russland, der Ukraine, Belarus, Ungarn, Polen und der Türkei. 2008 initiierte sie das europäische Netzwerk für Literatur und Bücher TRADUKI und begründete 2012 die S. Fischer Stiftung “Debates on Europe”gemeinsam mit der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Darüber hinaus betreut die Stiftung Vor- und Nachlässe mehrerer deutscher Autoren, unterstützt Kultureinrichtungen bei wichtigen Ankäufen, fördert wissenschaftliche Tagungen sowie Publikationsprojekte und vergibt Stipendien an Autoren und Übersetzer.
Auch dem Freien Deutschen Hochstift war die Mäzenin in langjähriger Zusammenarbeit verbunden. So fördert ihre Stiftung nicht nur seit Jahren die große kritische Ausgabe der Werke Hugo von Hofmannsthals, sie gehört auch zu den Förderern des im Entstehen begriffenen Deutschen Romantik-Museums in Frankfurts Großem Hirschgraben.
Unter der Leitung von Monika Schoeller brachte der S. Fischer Verlag zahlreiche epochemachende Editionen heraus, wie zum Beispiel die Veröffentlichung der Tagebücher Thomas Manns ab 1977 oder die Große kommentierte Frankfurter Ausgabe (GKFA) der Werke Thomas Manns im Jahr 2002. Weitere Werkausgaben erschienen, so von Ilse Aichinger, Sigmund Freud, Carl Zuckmayer, Arthur Schnitzler, Alfred Kerr, Heinrich Mann, Franz Kafka und Hubert Fichte, außerdem initiierte sie 1977 die „Schwarze Reihe“, die bislang umfangreichste Buchreihe zur Aufarbeitung des Nationalsozialismus weltweit, außerdem so weitsichtige Reihen wie „Die Frau in der Gesellschaft“ und „Fischer Alternativ“.
Vielleicht hat Monika Schoeller, eine kluge zurückhaltende Persönlichkeit, schon gespürt, dass ihre Zeit bemessen war, als sie in ihrer Dankesrede anlässlich des Maecenas-Preises ein Gedicht von Ilse Aichinger vortrug, in dem die Autorin die Frage nach der Zeit stellt.
Zeitrechnen
Es ist zwölf geworden,
zwölf mit dem Bild des Bildes an der Wand,
mit den vereisten Sprüngen.
Es wird noch mehr werden als zwölf,
wenn es auch mehr als zwölf
so nicht mehr werden kann.
Es wird dann eins.
Ilse Aichinger, aus: Verschenkter Rat (S. Fischer Verlag,1978), S. 58.
Die Frankfurter Fischer-Verlegerin und Mäzenin hat aufgehört, ihre Zeit zu befragen. Nicht zuletzt ihr stilles leises Lächeln wird in Erinnerung bleiben. Ihr Bruder Dr. Stefan von Holtzbrinck erinnert an Eigenschaften, die heute alles andere als alltäglich sind: „Es ging ihr um Werte wie Stil, Anstand und Geduld, aber vor allem auch um diejenigen, die wir in der jüngsten deutschen Geschichte so bitter und mühevoll erlernen mussten und immer wieder aufs Neue erlernen müssen: Toleranz und Mitmenschlichkeit, den Willen zu Freiheit und Gerechtigkeit.” Monika Schoeller und ihre Werte werden wir vermissen und verbeugen uns vor ihrer Lebensleistung.
Petra Kammann