Anna Stepanova und Yukiko Ikeda in der Camaleo Art Lounge
Von Erhard Metz
So manches blüht im noch Verborgenen – so etwa schrieben wir vor bald einem Jahr über die im Mai 2018 in Frankfurt-Sachsenhausen von Thomas Küper gegründete Camaleo Art Lounge. Das kleine, feine private Kulturzentrum in der Mörfelder Landstraße 103 ist inzwischen den Kinderschuhen entwachsen und hat sich im Kreis vieler Freunde und Bekannten etabliert. Musikalische Darbietungen und Konzerte, kabarettistische Veranstaltungen und Lesungen, Ausstellungen von Gemälden und Keramiken finden dort statt, auch offene „Klimper-Abende“, an denen das Publikum eigene musikalische Beiträge einbringen kann. Und mit den Konzerten und Ausstellungen verbindet sich ein wunderbarer und unterstützenswürdiger Zweck: die Förderung junger Künstlerinnen und Künstler!
Jüngst erlebten wir in der Art Lounge ein außerordentlich anspruchsvolles Konzert mit der Pianistin Anna Stepanova und der Klarinettistin Yukiko Ikeda.
Anna Stepanova – wir lernten die Künstlerin bereits in einem Konzert in der Orangerie Bad Homburg kennen – wurde in Russland geboren und begann mit sechs Jahren das Klavierspiel. Sie gewann bereits als Jugendliche bei Klaviermusikwettbewerben mehrfach erste Preise. Sie wurde Preisträgerin beim Internationalen J. Flier-Wettbewerb für junge Pianisten, dem Allrussischen offenen Wettbewerb „Neue Namen“ und dem lnternationalen Russischen Wettbewerb Klassisches Erbe. Regelmäßig nahm sie am Sommermusikfestival „Neue Namen in Russland“ teil und besuchte dabei Meisterkurse von renommierten Musikern wie Naum Schtarkmann, Alexander Mndoyants und Michail Woskressenski. Stepanova studierte an der Gnessin-Musikakdemie in Moskau bei Prof. Rimma Dieva und Inna Malinina. Nach ihrem Umzug nach Frankfurt am Main setzte sie ihr Studium an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst bei Prof. lrina Edelstein mit dem Diplom-Abschluß fort. Ihr anschließendes Master-Studium schloss sie bei Prof. Bernhard Wetz ab.
Anna Stepanova spielte bei lnternationalen Musikfestivals in Deutschland, Frankreich, Bulgarien und in den Vereinigten Staaten und gastierte als Solistin mit mehreren Orchestern in China und in Deutschland, beispielsweise dem hr-Sinfonieorchester. Seit November 2016 wird sie von Yehudi Menuhin Live Music Now Frankfurt am Main e.V. gefördert. lm gleichen Jahr gewann sie einen Steinway-Förderpreis. lm August 2017 erhielt sie den Silver Award bei der „Schumann lnspiration-Competition“, und 2018 gewann sie den zweiten Preis sowie den Publikumspreis anlässlich des Wettbewerbs Da Ponte-Stiftung. Zuletzt erhielt sie das Bayreuth-Stipendium 2018 des Richard-Wagner-Verbands Frankfurt am Main e.V. Seit dem Wintersemester 2018 studiert Anna Stepanova im Master-Studiengang Klavier-Kammermusik in der Klasse von Prof. Angelika Merkle.
Yukiko Ikeda und Anna Stepanova erläutern ihr anspruchsvolles Konzertprogramm
Yukiko Ikeda, Klarinette, wurde in Saitama, Japan geboren. Sie erwarb den Bachelor als Stipendiatin der Begabtenförderung der Soai Universität in Osaka. Von 2011 bis 2014 spielte sie in der Toho Orchesterakademie in Toyama. Im Wintersemester 2015/2016 studierte sie in Karlsruhe bei Prof. Wolfgang Meyer. Im Juli 2018 absolvierte sie ein Masterstudium an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main bei Prof. Laura Ruiz Ferreres. Sie nahm zudem an Meisterkursen bei Karl Leister, Prof. Johannes Gmeinder und Prof. Ralph Manno teil. Bislang konzertierte sie in Deutschland mit verschiedenen Orchestern wie der Ökumenischen Philharmonie, der Jungen Philharmonie Frankfurt RheinMain und dem Beethoven Orchester Hessen.
Anna Stepanova: perfekt auch als Moderatorin ihrer Klavier-Soloauftritte
Yukiko Ikeda und Anna Stepanova brillierten zunächst gemeinsam mit der „Première Rhapsodie“ von Claude Debussy (1862-1918) und der „Vocalise“ von Sergei Rachmaninow (1873-1943). Debussy komponierte das virtuose Stück für Klarinette (mit Klavierbegleitung) um die Jahreswende 1909/1910 für die Abschlußprüfungen in diesem Fach am Pariser Konservatorium und orchestrierte es später. Noch heute zählt diese Rhapsodie zu den Paradestücken des Klarinettenrepertoires. Rachmaninow publizierte seine „Vocalise“ im Jahr 1912 als Teil seiner 14 Lieder bzw. Romanzen op. 34. Das textlose Stück, zunächst geschrieben für eine auf einen Vokal beschränkte Sopran- oder Tenorstimme mit Klavierbegleitung, wurde später für nahezu sämtliche Soloinstrumente arrangiert sowie für Ensembles orchestriert.
Anna Stepanova zeigte anschließend als Solistin ihre große Könnerschaft und Brillanz am Flügel mit zwei sehr unterschiedlichen Kompositionen von Franz Liszt (1811-1886): der „Rigoletto-Paraphrase“ und „Isoldes Liebestod“. Liszts an die 70 Konzertparaphrasen nach bekannten Opern, auch heute noch vielfach als „glanzvolle Virtuosenstücke“ bezeichnet, bilden einen prägnanten, wenn nicht wesentlichen Teil seines kompositorischen Schaffens für das Klavier. Die Klaviertranskription „Isoldes Liebestod“ (Richard Wagner selbst sprach von „Isoldes Verklärung“) stellt zwar spieltechnisch keine – ansonsten mit dem Tastenmeister assoziierte – ultimative Herausforderung an Pianistinnen und Pianisten dar, erfordert aber eine sehr hohe Verinnerlichung des musikalischen Materials und setzt eine ebenso hohe interpretatorische Reife voraus. Beides möchten wir Anna Stepanovas Spiel zumessen – wobei wir uns vorstellen, die Künstlerin etwa im Frankfurter Bechstein-Centrum oder im hiesigen Steinway-Haus – oder im Mozart-Saal der Alten Oper – an einem entsprechenden Instrument zu erleben.
Anna Stepanova
Das ebenso inhaltsreiche wie anspruchsvolle Programm schloß – nun wieder im konzertierenden Zusammenspiel beider Musikerinnen – mit den Fantasiestücken für Klavier und Klarinette (resp. Oboe d’amore, Violine oder Violoncello ad libitum) op. 73 von Robert Schumann (1810-1856). Schumann gab der dreigliedrigen Komposion aus dem Jahr 1849 die Bezeichnungen: 1. Zart und mit Ausdruck, 2. Lebhaft leicht, 3. Rasch und mit Feuer. Das Werk aus dieser Zeit spiegelt – wie auch seine Romanzen und Idyllen – etwas von häuslicher „Biedermeierlichkeit“, zugleich von der Melancholie seiner späten Jahre und dem beginnenden psychischen Verfall wider.
Lang anhaltender, begeisterter Beifall des Publikums in der Camaleo Art Lounge! Nach diesem überaus gelungenen Konzert, das übrigens auch an das Auditorium recht hohe Ansprüche stellte, besannen sich die zwei Künstlerinnen auf eine entspannende, heiter-beschwingte Zugabe: die „Braziliera (Mouvement de Samba)“, den dritten Satz aus der Suite „Scaramouche“ op. 165b von Darius Milhaud (1892-1974). Milhaud komponierte das Werk 1937 auf der Basis einer Bühnenmusik für Molières „Médicin volant“, die er zunächst für zwei Klaviere umschrieb und später auch unter anderem für Klarinette und Klavier. Der Titel spielt auf den zur Zeit Molières in Frankreich berühmtesten italienischen Schauspieler Tiberio Fiorilli in dessen Paraderolle des Scaramouche an.
Yukiko Ikeda und Anna Stepanova nach gelungenem Konzert im Vorgarten zur Camaleo Art Lounge
Ein Bravo und Chapeau für Yukiko Ikeda und Anna Stepanova! Möge uns die Camaleo Art Lounge noch viele solcher musikalischer Abende bescheren.
Camaleo Art Lounge, Mörfelder Landstraße 103, Frankfurt-Sachsenhausen; am 17. Juni 2019, 18 Uhr offener „Klimper-Abend“ mit Publikumsbeteiligung
Fotos: Erhard Metz