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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Generation Y“: Eleonora Esse, Mattia Noal und Giulio Zanet in der Frankfurter Westend Galerie

Von Erhard Metz

Eleonora Esse, 1979 geboren, Mattia Noal und Giulio Zanet, beide Jahrgang 1984 – sie gehören der sogenannten Generation Y an, der ersten Generation also, die in einem Umfeld von Internet und mobiler Kommunikation aufgewachsen ist. Mit ihrer künstlerischen Arbeit reagieren sie, so Barbara Thurau, Kuratorin der Galerie, auf die veränderten Bedingungen der Realität und bewegen sich ungezwungen zwischen Abstraktion und Figuration, Malerei, Skulptur, Fotografie und Installation.

(v.l.) Giulio Zanet, Barbara Thurau (Kuratorin Frankfurter Westendgalerie), Caroline Lüderssen (Vorstandsvorsitzende der Deutsch-Italienischen Vereinigung), Eleonora Esse und Mattia Noal in der Vernissage

Generation Y? Der Titel überraschte uns – aber man lernt ja immer noch dazu. Wir googeln uns im Soziologen- und Marketingslang – hoffentlich – schlau: Danach gehört der Autor dieser Zeilen zu den Traditionalisten (aha!), es folgen die Babyboomer, dann die Generation X (auch als Generation Golf bezeichnet, soso!) mit Geburtsjahren zwischen 1965 und 1980, dann die Y-er, geboren zwischen 1980 und 2000 (auch Millennials genannt), und das alles endet derzeit bei der Generation Z mit Geburtsjahren zwischen 1996 und 2010 („Generation YouTube“). Womit wir am Ende des Alphabets angelangt wären, und das ist auch gut so. Denn wie uns Barbara Thurau in der Vernissage berichtete, kommt eine Studie des Marburger Soziologieprofessors Martin Schröder zu dem tröstlichen Schluss: „Wenn man sich die Einstellungen unterschiedlicher Geburtenjahrgänge anschaut, fällt auf, dass die vermeintliche Generation Y genauso denkt, wie so ziemlich alle anderen Generationen vor ihr“. Und damit kehren wir zum Zweck unseres Berichts zurück, zur Kunst. Denn mit den drei Ausstellenden will die Galerie bewußt ein heterogenes Spektrum aktueller Kunst zeigen mit gänzlich verschiedenen Ansätzen und Techniken und ebenso ganz verschiedenen Persönlichkeiten. Und schlägt damit zugleich einen wundervollen Bogen zu ihrer Aufgabe, den Dialog zwischen Deutschland und Italien auch in der bildenden Kunst zu beflügeln.

Eleonora Esse, 1979 in Rom geboren, lebt und arbeitet in Frankfurt am Main. Nach einem Erasmus-Stipendium am University College in London studierte sie Kunst-, Musik- und Theaterwissenschaften an der Universität Roma Tre. Sie war 2005 Assistentin von Anselm Kiefer anlässlich dessen Ausstellung in der Villa Medici. Wir begegnen einer ihrer Schrift-Arbeiten, einem LED-Objekt, bereits im Vorgarten der Galerie. Eine weitere Schriftarbeit „Charity is our duty“ sehen wir im Inneren.

We all need Mercy, 2018, LED-Objekt, 28 x 280 cm (im Vorgarten)

Eleonora Esses durchaus politische Kunst ist von ihren christlichen Wertevorstellungen und ihrem katholischen Glauben geprägt. Ihre Lichtinstallationen, mit denen sie in einer zeitgenössischen Sprache mit kurzen und prägnanten Sätzen konstruktive und universelle Botschaften vermitteln will, beziehen sich dabei auf Gemeinsamkeiten der Weltreligionen. Vier dieser Arbeiten waren bereits im vergangenen Jahr zur Frankfurter Luminale zu sehen.

Kunst mit Texten, auch in Leuchtschriften und mittels LED-Technik, hat bereits eine lange Tradition, neben dem Bild und dem Visuellen bilden Sprache und Verbales eigenständige künstlerische Medien. Beispiele hierfür finden sich etwa mit einer Schriftarbeit von Cerith Wyn Evans im Frankfurter Museum für Moderne Kunst oder von Michael Krebber im Rektorat der Städelschule.

↑ Charity is our Duty, 2018, LED-Objekt, 27 x 260 cm
↓ Charity saves, 2018, Watamu, Kenia, Fotografie

Auch Mattia Noal, 1984 in Schio/Vicenza geboren, lebt und arbeitet in Frankfurt am Main. Er studierte (wie Eleonora Esse) Kunst-, Musik- und Theaterwissenschaften an der Universität in Padua und Malerei an der Accademia di Belle Arti Gian Bettino Cignaroli in Verona. In seine fast schon klassischen Landschaftsmalereien brechen rätselhafte geometrische Elemente wie aus virtuellen Welten oder Videospielen ein. So wirken auch manche seiner Figuren wie Avatare. Auf Felsbrocken finden sich rätselhafte, unentzifferbare Schrift- und Bildzeichen.

Immersion 5, 2018, Acryl auf Leinwand, 120 x 140 cm

Zwei zentrale Begriffe charakterisieren Noals Bilder: Immersione – das Eintauchen – und Apparizione – die Erscheinung. „Mit Immersion, dem Titel eines Zyklus von Arbeiten“, so Barbara Thurau, „ist die Versenkung in eine virtuelle Welt gemeint, in Landschaften, die real und zugleich irreal sind. Es ist eine Parallelwelt, in der etwas geschieht, das man nur teilweise kontrollieren kann.“ Und zu Apparizione: „In den neuen Werken erscheinen Fremdkörper. Es sind geometrische Formen. Ihre Beschaffenheit lässt an gefaltetes Papier denken, aber sie sind nicht räumlich ausgeführt, sondern flach und zeichnerisch, bleiben schattenlos. Die Art ihrer Erscheinung, über einer Baumgruppe oder mitten in einer Lichtung lässt an außerirdische Flugobjekte denken … Diese Objekte haben eine metaphysische Dimension.“

Eine schöne, geheimnisvoll erscheinende Arbeit ist ein in einer abstrakten Landschaft oder besser gesagt Szenerie sich erhebender, zwei Schatten werfender Tetraeder.

↑ Structure 2, 2018, Acryl auf Holz, 18 x 24 cm
↓ Ohne Titel, 2019, Acryl auf Leinwand, 40 x 50 cm

Giulio Zanet wurde 1984 in Colleretto Castelnuovo/Torino geboren. Er erhielt Stipendien in Berlin, Santiago de Compostela, Joutsa/Finnland und Nitra/Slowakei und erhielt zahlreiche Preise. Der Künstler lebt und arbeitet in Mailand und Correggio.

Zanet zeigt relativ großformatige Arbeiten auf Papier. Seine unbetitelte Malerei bewegt sich zwischen Informel, abstraktem Expressionismus und der sogenannten analytischen Malerei, die allein die Grundlagen und Möglichkeiten ihrer selbst mit malerischen Mitteln reflektiert und analysiert. Immerhin – strenge, konturgebende Streifenmuster konterkariert er mit spielerisch-frei gestalteten, mitunter ornamentalen Flächen und Chiffren und erzeugt auf diese Weise ein bewegtes Spiel mit Farben und Formen. Er konzentriert sich dabei, wie Barbara Thurau formuliert, auf das Individuelle, Greifbare, Handwerkliche, auf Farbe und Strukturen, auf Assoziationen und Emotionen, die er damit ausdrückt und hervorruft.

Ohne Titel, 2018, Mischtechnik auf Papier, 157 x 108 cm

↑ Ohne Titel, 2018, Mischtechnik auf Papier, 157 x 108 cm
↓ Ohne Titel, 2018, Mischtechnik auf Papier, 157 x 101 cm

„Mehrdeutigkeit und Anschaulichkeit, Wiederholung, Variation, Regeln und Auslassungen, Akzeptanz und Ablehnung sind Teil meiner Arbeit“, sagt Giulio Zanet. „Ich möchte keine komplette Struktur schaffen, sondern ich möchte kleine Teile von Geschichten zeigen, ohne Subjekte – Verben im Infinitiv, die zu faszinierenden Metaphern inspirieren. Meine Arbeit bezieht sich nicht auf erkennbare Formen. Das Ergebnis ist immer eine Dekonstruktion der Realität, deren Bedeutung offen ist für unterschiedliche Interpretationen“.

„GENERATION Y – Eleonora Esse, Mattia Noal, Giulio Zanet“, Frankfurter Westend Galerie, bis 17. Mai 2019
Am Freitag, 10. Mai 2019, 17.30 – 19.30 Uhr Happy Art Hour und Pop-Up-Ausstellung mit neuen Arbeiten des Mailänder Galeriekünstlers Leonardo Gambini

Abgebildete Werke © jeweilige Künstlerinnen/Künstler; Fotos: Erhard Metz

→ „Specchio Italia“ – Die Frankfurter Westend Galerie feiert ihren 50. Geburtstag“

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