Susanne von Bassewitz. Ein FeuilletonFrankfurt- Interview mit der ersten deutschen Zonta-Präsidentin
100 Jahre Zonta und eine deutsche Präsidentin
Das Frauennetzwerk Zonta wurde 1919 in den USA als eine der ersten weiblichen Service-Organisationen gegründet. Weltweit bestehen in 63 Ländern über 1.200 Clubs mit rund 29.000 Mitgliedern unterschiedlicher Berufe. Der Name Zonta ist der Symbolsprache eines Stammes der Sioux Indianer entlehnt und bedeutet ehrenhaft handeln, vertrauenswürdig und integer sein. Die Gründerinnen wählten ihn als Anspruch an das eigene Handeln. Susanne von Bassewitz wurde als Präsidentin und CEO von Zonta International und Zonta International Foundation für die Amtszeit von 2018-2020 gewählt.
Susanne von Bassewitz im Gespräch mit Petra Kammann
Susanne von Bassewitz, Die erste deutsche Präsidentin von Zonta-International; Foto: Michael Lübke
Petra Kammann: Was hat Dich dazu bewegt, Dich so intensiv bei Zonta zu engagieren?
Susanne von Bassewitz: Bevor ich überhaupt das Wort kannte, war ich schon Feministin. Denn mir war schon früh aufgefallen, wie ungleich Männer und Frauen sind und vor allem, wie ungleich sie behandelt werden. Später habe ich mich lesend und forschend mit der Rolle der Frau befasst, besonders in meinem Romanistikstudium. Als die Zeitschrift „Emma“ herauskam, lag sie gleich auf meinem Schreibtisch. Aber ich war damals nie in irgendeiner Organisation. Auslöser war letztlich meine Tante, eine begeisterte Zontian, die gerade einen Club in Nürnberg gegründet hatte. Und da ich in Nürnberg als Leiterin Öffentlichkeitsarbeit bei VP Schickedanz meine erste größere Führungsaufgabe übernommen hatte, sagte sie mir: „Das ist jetzt für Dich der Zeitpunkt, Zontian zu werden“. Damals war nämlich die Voraussetzung für eine Mitgliedschaft, dass man entweder eine selbständige Tätigkeit ausübte oder eine Führungsposition innehatte. Die Latte, Mitglied zu werden, war damals höher als heute, wo es ausreicht, „experience in a recognized business or profession“ vorzuweisen.
Katherine Johnson, Mitarbeiterin der NASA, Mathematikerin und Physikerin, im Jahr 1966. Die Computer der NASA brachten die Friendship 7 in eine Umlaufbahn um die Erde…; Fotoquelle: Wikipedia
Welche Frauengestalten waren denn für Dich so eine Art Vorbild oder haben Dich besonders beeindruckt?
Großartige Leistungen von Frauen gab es schon immer, aber man wusste sehr, sehr wenig davon. Vielleicht kennst Du den Film: „Hidden Figures“, in dem es um sogenannte unerkannte Heldinnen geht – afroamerikanische Mathematikerinnen, die maßgeblich am Mercury- und Apollo-Programm der NASA beteiligt waren, ohne für ihre Leistungen die angemessene Anerkennung zu erfahren. Diese Pionierinnen waren damals in einem Gebäudeteil der NASA untergebracht, wo es noch nicht einmal eine Damen-Toilette gab. Dafür mussten sie allein über 10 Minuten lang über den Hof laufen. Auch wenn Katherine Johnson, die in einer kritischen Situation bei einer Raumfahrt-Mission berechnete, in welchem Winkel die Kapsel wieder in Erdatmosphäre eintreten musste, später die „Presidential Medal of Freedom“ verliehen bekam, hat man davon kaum Notiz genommen. Die Nachricht drang erst sehr spät in die breitere Öffentlichkeit. Das ist nur ein Beispiel. Gerade zeigt sich anlässlich des Bauhaus-Jubiläums dasselbe. Die Namen der meisten Bauhausfrauen, die sehr kreativ waren und immens viel bewegt haben, spielten in der Öffentlichkeit kaum eine Rolle, werden gerade erst wieder entdeckt. Ich könnte noch mehr Beispiele nennen.
Hauptdarstellerinnen Janelle Monáe, Taraji P. Henson und Octavia Spencer mit Kevin Costner bei der Weltpremiere des amerikanischen Musicals „Hiddenfigures“ am 19. Dezember 2016 im SVA Theatre in New York. Der Film beruht auf dem gleichnamigen Roman von Margot Lee Shetterly und auf der wahren Geschichte von Katherine Johnson, Dorothy Vaughan und Mary Jackson, afrikanischen Frauen, die bei der NASA als “menschliche Computer” gearbeitet haben und die am Erfolg von John Glenn’s Friendship 7 mission im Jahre 1962 mitgewirkt haben
Nun gibt es ja inzwischen verschiedenste Frauenorganisationen. Wollen die nicht alle dasselbe? Wie lassen die sich überhaupt auseinanderhalten?
Tatsächlich sind einige auch in derselben Zeit entstanden. In den Vereinigten Staaten gab die Frauenwahlrechtsbewegung einen richtigen Schub. Ende 1919 wurden die entsprechenden Gesetze ratifiziert. Da wurde auch Zonta gegründet, Soroptimist dann ein Jahr später. D.h. wir kommen aus einer bürgerrechtlichen Bewegung, wo Frauen sich bewusst machten, dass sie sich ihren Platz in der Gesellschaft erobern müssen. Und da haben wir alle leicht unterschiedliche Ansätze, aber letztlich dieselben Ziele. Es ist schön, dass wir das heute so sehen und uns gegenseitig anerkennen. Wir kennen uns auch untereinander. In Düsseldorf etwa machen wir jedes Jahr eine gemeinsame Veranstaltung zum Weltfrauentag. Warum sollten wir demnächst nicht auch mal ein lokales Projekt gemeinsam stemmen? Das wäre mein Traum. Wenn wir mehr sind, können wir auch mehr bewirken. Als ich gerade in New York war, habe ich die Vertreterinnen anderer Frauennetzwerke eingeladen, die zur CSW (Commission on the Status of Women) eh da waren. Wo sinnvoll, versuchen wir gemeinsame Positionen zu formulieren, mit denen wir auch politisch weiter arbeiten können. Das werde ich im nächsten Jahr wiederholen.
Susanne von Bassewitz mit Mariet Verhoef-Cohen, Präsidentin von Soroptomist International, am International Women’s Day event 2018
Lassen sich die Ziele von Zonta Deutschland und von Zonta International auf einen Punkt bringen? Welche Gemeinsamkeiten gibt es da?
Alle zwei Jahre wird die grobe Marschrichtung für die gesamte Zonta-Welt gemeinsam festgelegt.
Was bedeutet das? Wird von den USA aus, von wo die Bewegung ausgegangen ist, eine hierarchische Struktur vorgegeben?
Hierarchisch ist der Aufbau von Zonta schon. Das Entscheidende ist aber, dass wir basisdemokratisch organisiert sind. Bei uns bestimmen alle zwei Jahre die Vertreterinnen aller Clubs darüber, welche internationalen Programme und Projekte wir angehen. Sie entscheiden auch über Satzungsänderungen. Die Clubs sind die eigentlichen Mitglieder bei Zonta. Als Person ist man dann Mitglied eines Clubs. Neuerdings kann man auch direkt Mitglied bei Zonta International werden. Die Clubs entsenden alle zwei Jahre je nach Größe mindestens eine Delegierte zur Convention, und so sind sie an allen Weichenstellungen unmittelbar beteiligt. Diese Basisdemokratie zu leben ist natürlich nicht immer ganz einfach. Nicht immer sind schnelle Beschlüsse zu kriegen. So haben wir letzten Sommer ein Programm vorgeschlagen, bei dem die Stiftung 300.000 Dollar bereitstellt, um mindestens 60 lokale Projektzuschüsse, sogenannte „Grants“ zu gewähren. Jeder Club – wir haben weltweit ja etwa 1.200 – konnte sich mit einem Projekt, das er mit einem Partner durchführt, bewerben, um jeweils 5.000 Dollar zu bekommen. Über den Vorschlag, dass wir diese 300.000 Dollar aus unserer Stiftungskasse nehmen, musste von allen Delegierten abgestimmt werden. Das Gute ist, jetzt haben wir einen starken Rückhalt in der Mitgliedschaft.
Was lässt sich denn überhaupt in der kurzen Amtszeit von zwei Jahren bewirken?
Man kann eine ganze Menge bewegen. Und ich lasse mich persönlich auch nie entmutigen, weil wir alle wissen, dass auch scheinbar kleine Schritte entscheidend sein können, und dass Strukturen auch nicht nur hemmend, sondern sehr hilfreich sind. Man muss halt in und mit ihnen arbeiten. Vor ein paar Jahren war ich bei Zonta in einem internationalen Komitee für Kommunikation zuständig. In der Zeit haben wir mit dem damaligen Team die noch heute laufende Kampagne „Zonta says ,No to violence against women‘“ mitten in einer laufenden „Regierungsperiode“ erfunden und durchgesetzt. Wir haben sie konzipiert, und dem Vorstand vorgestellt, der die Idee für gut befunden hat. Wir haben sie sofort an alle Clubs kommuniziert. Und das wurde dann auch – wie man sieht – von den Mitgliedern angenommen.
Was heißt kommuniziert? Wie läuft das? Gibt es ein übergreifendes Medium, das über solche Prozesse informiert?
Bei solchen Aktionen wendet man sich natürlich erst an die Führungskräfte vor Ort. Meist per e-mail. Dann gibt es monatliche e-Newsletter und zweimal im Biennium ein Printheft. Außerdem haben wir noch ein digitales Magazin. Und für alle, die eine Führungsaufgabe haben, z.B. Präsidentin ihres Clubs sind, gibt es alle zwei Monate ein Leadership-Update. Daneben nutzen wir auch Social media-Kanäle und YouTube-Feeds. Man bekommt also aktuell alles Wichtige mit, wenn man das möchte.
Und wie gelangt man von der regionalen zur nationalen und internationalen Kommunikation einer Idee?
Man kann unsere Amtsträgerinnen jederzeit direkt ansprechen. Wenn man einfach nur über ein Projekt berichten möchte, kann man eine Nachricht an eine internationale Mailbox schicken. Sie wird dann in der Regel auch veröffentlicht. So findet man auf der internationalen Website und im Newsletter viele gute Ideen. Wir ermuntern immer dazu, sich zunächst auf der Ebene der benachbarten Clubs zu informieren und zu diskutieren. Die Clubs sind in Areas organisiert, und die regelmäßigen Area-Treffen sind eine hervorragende Austauschmöglichkeit. Die Areas wiederum bilden Districts, und die haben alle zwei Jahre eine Konferenz, die etwa ein Jahr vor der großen Convention stattfindet. Man kann so eine größere Projektidee, eine mögliche Satzungsänderung oder eine große Resolution auf die internationale Ebene bringen.
Confederation des ersten Zonta Clubs 1919 in Buffalo
Wo sitzt denn heute die Zentrale? In Buffalo, wo Zonta gegründet wurde?
Unser Headquarter sitzt heute in einem Vorort von Chicago, in Oak Brook. Dort arbeiten unsere 15 fest angestellten Mitarbeiterinnen. Der Rest ist ehrenamtlich unterwegs, priceless, wie wir es auf Englisch ausdrücken, inklusive der Präsidentin.
Können sich eine solche Tätigkeit nicht nur sehr Wohlhabende leisten?
Erstmal macht es sehr viel Spaß, ehrenamtlich für Zonta-Projekte zu arbeiten. Bei den Führungsfunktionen gibt es nur eine einzige, die einen annähernden Fulltime-Einsatz fordert. Und das ist eben das Amt der Präsidentin. Ich selbst war lange vorher im Vorstand, bevor ich in dieses Amt gewählt wurde, und habe das neben meinem Beruf gemacht. In einem Jahr habe ich meinen kompletten Urlaub eingesetzt, um an den Meetings teilzunehmen. Je länger ich dabei bin und je mehr Menschen ich kennenlerne, die alle großartigen Einsatz zeigen, desto bescheidener werde ich. Ich habe einfach einen großen Respekt vor dem, was da alles geleistet wird.
Ihr habt insgesamt 29. 000 Mitglieder? Wie setzt sich das zusammen? Was bedeutet das weltweit? Sind Länder aus Osteuropa dabei, aus Asien, Afrika etc.? Oder ist das Zonta-Wesen eher ein westliches Phänomen?
Wir sind in 63 Ländern aktiv und dabei außer in Amerika, Europa und Australien/Neuseeland auch in einigen asiatischen Staaten stark. An der Basis sind die Clubs. Und ohne die gäbe es Zonta nicht. Die Districts sind rein regionale Organisationseinheiten. Im Moment sind wir dabei, einen Club in Pakistan zu gründen. Die Mitglieder, die die Gründung betreiben, nutzen ihre jeweiligen Kontakte. Sie fahren hin und sprechen mit interessierten Frauen. Im Grunde ist Netzwerkbildung und Netzwerkpflege das A und O. Und dann muss man sich so aufstellen, dass man Frauen vor Ort wirklich helfen kann. Man braucht zuerst eine lebendige Gruppe und einen Treffpunkt, wo die Leute gern zusammenkommen. Damit ist natürlich schon auf lokaler Ebene ein organisatorischer Aufwand verbunden. Um so beeindruckender, was auf die Beine gestellt wird: Ghana hat in der Hauptstadt Accra zum Beispiel drei Clubs, die ein gemeinsames Projekt ins Leben gerufen haben. Das kümmert sich vor Ort um Hilfe für junge Mädchen, die schwanger werden. Sie haben Verbündete gefunden, die das professionell begleiten, sind aber selbst auch „hands on“ dabei und bringen finanzielle Mittel auf. Jedes Mitglied kann sich lokal so einsetzen, wie es Zeit hat und möchte.
Nochmal: Stand bei der Gründung von Zonta in den USA nicht zunächst einmal stärker die westliche Welt im Fokus?
Zunächst einmal war das vielleicht so, aber sehr bald war es die ganze Welt. Bei der Gründungsveranstaltung der Vereinten Nationen war auch ein Zonta-Mitglied dabei.
Werden Länder in Osteuropa, Afrika oder Asien wegen irgendwelcher politischen Konflikte eher ausgegrenzt?
Nein, Zonta ist überparteilich und überkonfessionell. Es geht lediglich darum, Frauen zu finden, die sich engagieren wollen und können. Clubs in Osteuropa haben sich nach der Wende bzw. der Öffnung der osteuropäischen Staaten entwickelt. Nehmen wir zum Beispiel Kaliningrad. Eine Ärztin unter unseren Mitgliedern hatte persönliche Kontakte zu Kolleginnen aus Kaliningrad. Und der führte zur Gründung eines Clubs. Es hat sich schnell eine sehr fruchtbare, grenzübergreifende Freundschaft entwickelt. Was aber besonders anfangs nicht einfach war: Jedes Clubmitglied zahlt 80 Dollar Beitrag pro Jahr dafür, dass Zonta International als Organisation funktionieren kann. Das empfanden in Kaliningrad manche schon als hart. Eine Reise zu einem internationalen Zonta-Treffen zu bezahlen, war fast unmöglich. Da haben wir dann zusammengelegt und gesponsert. Und so ist es mit vielen Clubgründungen in Osteuropa gelaufen. Die Clubs vor Ort leisten Unglaubliches. Schwierigkeiten entstehen oft, wenn man entfernungsmäßig sehr weit weg ist. So hatten wir mal zwei Clubs in Moskau. Wir konnten nicht so viel persönliche Unterstützung aufbringen, dass sich diese Clubs nach der Gründungsphase stabilisiert hätten. Die Mitglieder brauchen persönliche Verbindungen, was bei geographisch weit entfernten Clubs schwierig ist. Kaliningrad hat es geschafft. Voraussetzung: Man muss selbst ab und zu hinfahren, um zu begeistern und sich begeistern zu lassen.
Das International Board von Zonta
Was für ein Gefühl ist es, als erste deutsche Präsidentin einer weltweit agierenden NGO-Organisation vorzustehen?
Ich kann es, es macht mir Spaß, und ich nehme mir auch dafür die nötige Zeit. Wenn es nicht so gekommen wäre, wäre das genauso o.k. für mich gewesen. Ich sehe es so: Es gibt für uns alle sehr viel zu tun für die Frauen in der Welt. Die Präsidentschaft ist ein Ehrenamt. Meine Ambition besteht darin, es so gut wie möglich zu auszufüllen und etwas zu bewegen.
Was möchtest Du denn in der Zeit, die Dir zur Verfügung steht, bewegen können?
Eine Sache, die mir sehr am Herzen liegt, ist unser Projekt zur Beendigung von Kinderehen, weil sie eine schlimme Verletzung von Menschenrechten sind. Mein Ziel ist es, unsere Mitglieder dafür zu engagieren, dass dieses Projekt weitergeht. Wenn sie in zehn Jahren dann sagen können: Unser Einsatz hat mitgeholfen, hier in vielen Ländern einen „Kulturwandel“ herbeizuführen, wäre schon etwas erreicht. D.h. wir möchten eine Wirksamkeit für das Thema haben. Und dadurch außerdem unsere eigene Identität stärken.
Stichwort Mädchenehen: Wie viele sind denn überhaupt davon betroffen? Gibt es da belastbare Zahlen?
Die Zahl von um die 650 Millionen Frauen, die vor ihrem 18. Lebensjahr verheiratet wurden, ist wahrscheinlich noch untertrieben, weil nicht alle offiziell erfasst werden. Alle 2 Sekunden wird ein Mädchen in eine Verbindung gezwungen. Das sind 12-13 Millionen pro Jahr, die dazukommen. Es gibt zwar schon Fortschritte. Aber da die Bevölkerung ständig wächst, werden die „Erfolge“ schnell wieder aufgefressen. Und wenn der Trend nicht gebrochen wird, wird das Übel weitergehen. Jetzt gerade ist der Moment günstig, konzertiert dagegen anzugehen, weil wir Aufmerksamkeit in der Weltöffentlichkeit haben. Natürlich sind wir im Verhältnis zu einer Regierung nur eine kleine Organisation.
Woher nimmst Du den Mut zu glauben, Ihr könntet da etwas bewirken?
Man kann auch als Einzelner oder allein als ganz kleine Organisation etwas bewirken. Man erreicht natürlich immer mehr, wenn man mit anderen zusammenarbeitet. Wir haben, wenn wir große internationale Projekte angehen, professionelle Partner, die das Know-How vor Ort haben. Wie zum Beispiel UNICEF und den United Nations Population Fund. Die beiden genannten arbeiten beim Thema Kinderehen eng zusammen, haben sogar eine gemeinsame Projektleiterin. UN Women, die auch schon länger am Thema dran sind, stoßen ebenfalls dazu. Vor zweieinhalb Jahren wurde eine Initiative in zwölf Ländern gestartet, neun davon in Afrika und drei in Südasien, wo das Thema sehr virulent ist. Die Voraussetzungen sind gut, weil die dortigen Regierungen selbst schon engagiert sind und Unterstützung gut gebrauchen können. Wir sind in dieses Projekt als erster Privatspender reingegangen. Denn es sind Länder dabei, in denen es auch Zonta-Mitglieder gibt: Sierra Leone, Ghana, Uganda und Burkina Faso in Afrika sowie Nepal, Bangladesh und Indien in Asien. In diesen sieben Ländern haben wir Zonta-Mitglieder, die sich dort für das Projekt engagieren können.
Kannst Du in Deiner Amtszeit diese Länder aufsuchen?
Realistischerweise nur wenige. Aber ich habe ja auch Kolleginnen. Unsere Vizepräsidentin, fährt z.B. zur afrikanischen District-Konferenz nach Abidjan an die Elfenbeinküste. Wir bereiten das gemeinsam vor, und ich spreche im Vorfeld selbst Mitglieder an, um gerade für den Einsatz gegen die sogenannten Kinderehen zu werben. Die Möglichkeiten sind auf jeden Fall vielversprechend. Unsere Mitglieder sind vor Ort sehr gut vernetzt und können Aufmerksamkeit für diese Menschenrechtsverletzung schaffen. Wichtig ist, dass wir das Thema in die Köpfe und Herzen der Menschen bekommen. Und dann widmen wir uns der Frage: Wie werden wir zu Anwälten der Sache in unserem eigenen Land?
Susanne von Bassewitz in Accra, in Ghana am Rande einer Konferenz der afrikanischen Clubs
Ist das vor allem für die Situation in Afrika so wichtig?
Ja, denn in vielen Ländern Afrikas sind Kinderehen sehr weit verbreitet. Egal wo auf der Welt: Wenn Mädchen verheiratet werden, endet meist ihre Schulbildung, besteht das Risiko körperlicher Verletzungen durch frühe Schwangerschaft, haben auch die Kinder schlechtere Startchancen. Und das schadet der gesamten Gesellschaft. Aber selbst in den USA sind Mädchen betroffen. Hier wird eine Zahl von 250.000 genannt. Es gibt nur wenige amerikanische Bundesstaaten mit einer einschlägigen Gesetzgebung. Unsere amerikanischen Zontians gehen jetzt an ihre Kongressabgeordneten und reklamieren bei den „federal State laws“ die Untergrenze von 18 Jahren. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, seine Stimme zu erheben, und meinungsbildend zu wirken. Wir haben eine tolle Organisation „Unchained At Last“, kennengelernt, die movementmäßig unterwegs ist und sich auf die Fahnen geschrieben hat, Kinderehen in den USA zu beenden. Ich habe gerade mit der Gründerin, die selbst mit 19 Jahren verheiratet wurde, auf einem Podium gesessen. Wir suchen auch hier, uns mit anderen zu verbinden. Gemeinsam sind wir einfach stärker.
Kannst Du mal den konkreten Fall einer „early marriage“ schildern?
Mir kommt gerade eine in den Kopf, die zum Glück verhindert wurde. Es handelt sich um eine junge Rapperin, die für 9000 Dollar von ihrer Familie verheiratet werden sollte, damit der Bruder mit dem Geld eine eigene Familie gründen konnte. Dank der Tatsache, dass sie im Iran auftrat, hatte sie schon eine gewisse Medienaufmerksamkeit. Bekanntheit erlangte sie erstmals durch ihr Lied „Brides for Sale“, in dem sie gegen die Praxis der Zwangsheirat protestiert hatte. Man war ohnehin schon an einem Filmporträt von ihr dran. Da haben sich verschiedene Organisationen darum bemüht, zu intervenieren. Und am Ende haben sie das Mädchen, das zunächst aus Afghanistan in den Iran geflohen war, herausbekommen und ihr einen Pass besorgt. Heute lebt sie in den USA. Durch ihr Lied „Brides for Sale“ war die NGO Strongheart Group auf die Künstlerin aufmerksam geworden und hat ihr angeboten, bei der Finanzierung eines Schülervisums zu helfen, was ihr ermöglichte, 2015 in die USA auszureisen, wo sie seitdem die Wasatch Akademie in Utah besucht. Und als ich bei UNICEF in den USA von dem mit ihr entstandenen Film „Sonita Alizadeh“ gesprochen habe, sagten sie: „Wir kennen das Mädchen. Sie ist bei uns letztes Jahr aufgetreten…“
→ https://www.youtube.com/watch?v=jhaHqkn4Lds
Das Thema ist natürlich ein heißes Eisen, das man aber gerade jetzt schmieden muss, weil die Welt im Moment hinhört. Fraidy Raiss, Gründerin von „Unchained At Last“, ist selber Opfer und mit 19 gegen ihren Willen verheiratet worden. Auch in Lateinamerika ist diese Praxis weit verbreitet. Und hier in Deutschland gibt es selbstverständlich auch Zwangsehen. Mehrere Organisationen, darunter „Terre des femmes“, der deutsche Ableger von „Terre des hommes“, machen sich Gedanken, wie man sie bei uns verhindern kann. Wir haben schon Kontakt aufgenommen, um Ansätze für eine Zusammenarbeit zu finden.
Hattest Du in Deiner Geschichte auch Vorbilder für ein so anhaltendes soziales Engagement? Du sprachst von Deiner Tante, die Dich animiert hat, dieser Organisation beizutreten? Wurde das Engagement nicht manchmal auch belächelt?
Auch meine Mutter war aktiv. Im Deutschen Evangelischen Frauenverein (DEF), wie auch eine andere Tante von mir. Die haben Basare organisiert oder das ein oder andere Konzert. Auf die Frage: „Wo ist Mama denn heute?“ hieß es im Familien-Alltag manchmal etwas abschätzig: „Wieder bei ihren Tanten“. Obwohl ich diese Reaktion nicht o.k. fand, habe ich damals allerdings nichts gesagt. Das muss ich leider zugeben.
Wie erlebt Dein Mann denn Deine heutige Tätigkeit? Macht er sich auch darüber lustig?
Mein Mann akzeptiert und unterstützt mich voll und ganz. Als ich als Area Director für NRW zuständig war, gab es oft am Samstag Treffen. Da hat er mich manchmal hingefahren und wieder abgeholt. Zwischendurch geht er zu Veranstaltungen mit. Man kann übrigens auch als Mann bei Zonta Mitglied werden. Die französische Area in meinem Distrikt hat demnächst einen „Monsieur le directeur“. Und in Indien wird im übernächsten Sommer ein Mann „Governor“.
Ist es etwas anderes, ob man beruflich einen Führungsjob annimmt oder Weltpräsidentin einer NGO-Organisation wird?
Zunächst einmal muss man ja gewählt werden. In meinem Fall waren mehrere hundert Delegierte dafür. Das ist ein riesiger Vertrauensvorschuss. Und den empfinde ich als große Verantwortung. Und als eine große Ehre, weil es ja viele Menschen sind, die mich gewählt haben. Das ist etwas anderes, als wenn jemand sagt, „jetzt ist die reif für eine Beförderung“ und bekommt diesen Job. Ich bin sehr aufgabenorientiert und auch ein wenig nüchtern. Es gibt ein Mandat, dem ich mich verpflichtet fühle. Alles im Blick haben zu müssen und zu dürfen, die Zonta-Welt positiv zu bewegen und auf so schöne Projekte mitzunehmen, dafür bin ich dankbar.
Vielleicht auch, weil es mit einer „Welterweiterung“ verbunden ist, und zwar nicht nur durch die damit verbundenen Reisen?
Natürlich war ich auch schon vorher sehr interessiert viel unterwegs. Jedes Mal bin ich aber wieder überrascht, welche Einblicke ich in Zusammenhänge bekomme, über die ich früher einfach nicht nachgedacht habe. Im Juli werde ich voraussichtlich nach Sambia reisen, wo unsere Spenden den Einsatz gegen sogenannte Kinderehen unterstützen. Wahrscheinlich werde ich danach das Projekt „Afrika und die Welt“ noch einmal etwas besser verstehen. In der Zonta-Welt haben wir einen wunderbaren gemeinsamen Nenner bei aller kulturellen Verschiedenheit. Ich finde es faszinierend zu sehen, wie wir in unterschiedlichsten Kulturen funktionieren.
Mit Vorträgen ständig unterwegs: die Präsidentin Susanne von Bassewitz, Foto: Michael Lübke
Beschäftigt sich Zonta auch mit den Auswirkungen der Flüchtlingskrise? Gibt es Clubs, in denen Frauen sich dafür engagieren, Frauen zu integrieren?
Ja. Wir haben sogar ein internationales Projekt mit UN Women in Jordanien. Es ist meines Wissens nach das Land mit der größten Flüchtlingsaufnahmerate pro Kopf. Das Projekt hat syrische Frauen innerhalb und außerhalb der Camps im Blick, auch ihre Kinder, und nicht zuletzt – ganz wichtig – auch Jordanierinnen. Es unterstützt sie unter anderem dabei, bezahlte Arbeit zu finden, also in den jordanischen Arbeitsmarkt zu kommen. Das ist wichtig, denn bislang sind nur etwa 13.000 syrische Flüchtlinge wieder in ihre Heimat zurückgekehrt. Ich habe gerade den UN Women-Koordinator aus Amman in New York getroffen und werde auch bald nach Jordanien reisen. Zonta unterstützt das Projekt mit 1 Million Dollar. Es ist wichtig für mich, die Arbeit vor Ort genau zu verstehen, um gut für die Initiative und Spenden werben zu können. Ich freue mich, dass ich gesund bin und das alles tun kann. Und dafür bin ich sehr dankbar.
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Fotos: wenn nicht anders angegeben zur Verfügung gestellt von ZONTA