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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Lesenswert: 100 Jahre Bauhaus und keine Ende… Teil 2 – Frauen am Bauhaus

Starke Pionierinnen

Lesetipps von Petra Kammann

Gleich ob Walter Gropius, Paul Klee, Wassily Kandinsky oder Ludwig Mies van der Rohe, es waren vor allem die männlichen Vertreter, die mit ihren Werken und künstlerischen Leistungen in die Annalen der Geschichte des Bauhauses eingingen. Dabei waren schon am Weimarer Bauhaus  84 Frauen und nur 79 Männer immatrikuliert, denn 1919 hatten Frauen in Deutschland neben dem Wahlrecht auch die Lehrbefähigung erlangt. Dennoch wurden die vielen großartigen Bauhaus-Frauen, die als Studentinnen, Lehrerinnen und Meisterinnen, Künstlerinnen und Designerinnen, als Architektinnen, Keramikerinnen, Möbelgestalterinnen, Modedesignerinnen und Fotografinnen das Bauhaus-Design maßgeblich prägten und wesentlich dazu beitrugen, dass das Bauhaus-Design im 20. Jahrhundert die ganze Welt eroberte, weniger beachtet. Dass sie auf Dauer nicht in Vergessenheit geraten, dafür sorgen ein paar Bücher, die an diese tüchtigen Frauen erinnern.

Die Textildesignerin Michiko Yamawaki kam aus Japan ans Bauhaus, Studentenausweis von „Mityiko“ Yamawaki. © Nachlass Michiko Yamawaki in: „Frauen am Bauhaus“, Verlag Knesebeck

Wegweisende Künstlerinnen der Moderne am Bauhaus

Im 19. Jahrhundert hatten Frauen in Deutschland zu Kunstakademien bis auf wenige Ausnahmen keinen Zugang; sie konnten lediglich Privatunterricht nehmen, wobei der Unterricht für sie häufig teurer war als für Männer. Die Großherzoglich-Sächsische Kunsthochschule in Weimar gehörte zu den wenigen Akademien, an denen schon vor Gründung der Weimarer Republik weibliche Studierende aufgenommen wurden. Als dann 1919 das Staatliche Bauhaus von Walter Gropius in Weimar gegründet wurde und dort Handwerk und Kunst miteinander verbunden werden sollten, ließen sich viele junge Frauen so sehr von der Vorstellung begeistern, dort ausgebildet zu werden, dass sie sich scharenweise um Aufnahme bewarben. Das Buch der beiden Bauhaus-Spezialisten Patrick Rössel und Elisabeth Otto erzählt nun „die andere Seite“ der Bauhaus-Geschichte, nämlich die ihrer weiblichen Mitglieder, die in der Vergangenheit zu Unrecht nur allzu oft vergessen wurden. Insgesamt 45 Bauhaus-Frauen haben die Autoren für das Buch „Frauen am Bauhaus. Wegweisende Künstlerinnen der Moderne“ ausgewählt: Frauen wie die japanische Textildesignerin Michiko Yamawaki oder die Leiterin der Weberei und Designerin Gunta Stölzl, die Produktdesignerin Marianne Brandt, „Frau Bauhaus“ Ise Gropius, die Mode-Designerin und Innenarchitektin Lilly Reich, Karla Grosch, Lena Meyer-Bergner, die Kamera-Künstlerin Lucia Moholy, die bis heute im Schatten ihres Ehemanns, des Malers, Fotografen und Bauhaus-Meisters László Moholy-Nagy steht, dann Gertrud Arndt, Irene Bayer, Ruth Hollós-Consemüller, Lou Scheper-Berkenkamp, Benita Koch-Otte, Grete Reichardt, Margarete Leischner, Margarete Heymann-Loebenstein und andere mehr. Dabei erfahren wir auch Tragisches, so dass neun Bauhaus-Frauen durch den Holocaust umgekommen sind wie zum Beispiel die Architekturstudentin Friedel Dicker. Insgesamt fiel die Auswahl auf Meisterinnen und Lehrerinnen am Bauhaus, auf Keramikerinnen, Weberinnen, Möbelgestalterinnen oder Fotografinnen, die auch später durchaus erfolgreich arbeiteten und auf solche, welche die Bauhaus-Idee weiter in die Welt getragen haben und die eine herausragende Rolle gespielt haben für die Entwicklung der modernen Kunst. Jede der Frauen, ihr Leben und ihr künstlerischer Werdegang wird in einem Extrakapitel in dem reich illustrierten Bildband ausführlich vorgestellt, und es beschreibt, wie diese kosmopolitischen Künstlerinnen, Designerinnen und Architektinnen weltweit bekannt wurden. Dieses Buch vermittelt einen hervorragenden Überblick über die das Bauhaus prägenden Frauen.

Patrick Rössel und Elisabeth Otto, „Frauen am Bauhaus. Wegweisende Künstlerinnen der Moderne“. Verlag Knesebeck

Bauhausfrauen. Meisterinnen in Kunst, Handwerk und Design

Tatsächlich waren es die Frauen, die zu den erfolgreichsten Studierenden gehörten: Zwischen 1919 und 1933 waren es immerhin 462 Frauen insgesamt, die das Bauhaus besucht hatten, was etwa einem Drittel der männlichen Studierenden entspricht. Es entstanden Werkstätten für Möbel, Keramik, Weberei, Druckgrafik, Wandmalerei, Glas- und Metallgestaltung. Dabei brachte das Bauhaus herausragende Meisterinnen, Weberinnen, Keramikerinnen, Bühnenbildnerinnen, Architektinnen, Fotografinnen, Möbel- und Metalldesignerinnen von hoher künstlerischer Qualität hervor. Das zu zeigen, darin ähneln sich die beiden Bildbände „Frauen am Bauhaus“ und „Bauhausfrauen“ auch darin, dass sie deutlich machen, dass Frauen  erheblichen Anteil am Erfolg ihrer Männer hatten. Dabei wähnten sie sich anfangs noch (fast) gleichberechtigt, hatte Gropius doch die Parole ausgegeben: „Keine Unterschiede zwischen dem schönen und starken Geschlecht. Absolute Gleichberechtigung, aber auch absolute gleiche Pflichten in der Arbeit aller Handwerker.“ Doch schon bald wurden die Frauen als Konkurrenz empfunden und wanderten teils enttäuscht in die Webereien ab. „Wo Wolle ist, ist auch ein Weib, das webt und sei es nur zum Zeitvertreib“, spottete Oskar Schlemmer. Dabei entwickelte sich der Textilbereich zu einer der produktivsten und lukrativsten Abteilungen und trug wesentlich zur Finanzierung des Bauhauses bei. Hinzukommt, dass die Bauhausfrauen viel stärker den Gemeinschaftsgedanken verinnerlicht hatten und weniger sich und das eigene Werk in den Mittelpunkt stellten. „Ihr Eindringen in andere Bereiche setzte ein großes Selbstbewusstsein voraus, zudem mussten sie in ihrer Arbeit besser sein als ihre männlichen Kollegen“, so beschreibt die Autorin Ulrike Müller eine Situation, die Frauen noch heute so erleben. Wie der „Meister-Gattin“ ging es vielen Schülerinnen der berühmten Kunstschule. Obwohl Frauen zahlreiche Werke geschaffen haben, die heute Ikonen des Bauhauses sind, blieb den meisten Absolventinnen der Künstlerschmiede die große Karriere verwehrt. Das großformatige Buch – eine komplett überarbeitete Neuausgabe des Standardwerks anlässlich des Bauhausjubiläums – würdigt  die längst überfällige Anerkennung der Leistung in den verschiedensten  gestalterischen Bereichen von Frauen am Bauhaus und stellt in einfühlsamen Porträts deren Leben und Schaffen vor. Hinzu kommen Darstellungen der Kunstwerke, die den jeweiligen Künstlerinnen zuzuordnen sind. Die Porträts öffnen außerdem den Blick dafür, wie das Bauhaus Frauen aus der ganzen Welt anzog.

Ulrike Müller, „Bauhausfrauen. Meisterinnen in Kunst, Handwerk und Design“Elisabeth Sandmann Verlag 

Marianne Brandt – Wegbereiterin des Produktdesigns

Wer kennt sie nicht, die streng gestaltete Messing-Teekanne MT 49 der Designerin, Fotografin, Malerin und Bildhauerin Marianne Brandt, prangt sie doch sogar auf der 1,10-er Briefmarke! Brandts Produktentwürfe aus der Metallwerkstatt, von denen einige wie die besagte Teekanne als Design-Klassiker gelten, werden noch heute nachgebaut. Und doch war es auch für Marianne Brandt nicht leicht, sich als Frau im Bauhaus durchzusetzen: „Zuerst wurde ich nicht eben freudig aufgenommen. Eine Frau gehört nicht in die Metallwerkstatt, war die Meinung“, sagt sie, lässt sich aber nicht von ihrem Ziel abbringen. Die Entfaltung von Marianne Brandts Formgestaltung am Bauhaus zeigt exemplarisch sogar die Entwicklung der Werkstatt von der Silberschmiedewerkstatt, wo „zur Serie geeignete Gegenstände, wenn auch völlig handwerklich“ und nur in Kleinserie hergestellt wurden, bis hin zu einer Modellwerkstatt für industrielle Serienprodukte, verbunden mit der sozialen Zielsetzung, billige und schöne Produkte für den allgemeinen Bedarf zu gestalten. In Dessau kam es auch zu einer intensiven Zusammenarbeit mit der Industrie. Denn die von Marianne Brandt gestalteten Gebrauchsgerätschaften verkörpern das Bauhaus-Programm nach Gropius: funktional gestaltete, ökonomisch durchdachte und für die Serienproduktion geplante Gegenstände. Von 1923 bis 1929 wirkte Marianne Brandt am Bauhaus, zunächst  in Weimar, dann in Dessau in der Metallwerkstatt, erst als Lehrling, dann als Mitarbeiterin. Im letzten Jahr übernahm sie die kommissarische Leitung der Metallwerkstatt, eine unglaubliche Leistung in der bis dahin geltenden Männer-Domäne. Dort gelang es ihr, Standardtypen zu entwickeln. Berühmt wurden die von ihr gestaltete Gebrauchsgegenstände wie Tee- und Kaffeeservice, Kannen, Aschenbecher. Später entwarf sie vor allem Lampen wie die Tandem-Schreibtischleuchte. Grundsätzlich arbeitete Marianne Brandt maßgeblich an der Entwicklung des Designs des 20. Jahrhunderts. Durch die Nationalsozialisten, den Stalinismus sowie den Druck des Formalismus-Verdikts mehrmals in die innere Emigration gezwungen, ging Marianne Brandt jedoch zeitlebens ihren eigenen Weg. Das bezeugt die Autorin Anne-Kathrin Weise, Kulturwissenschaftlerin und heute Herausgeberin am Rudolf Steiner Archiv. Sie promovierte über Leben und Werk der Bauhauskünstlerin Marianne Brandt und erstellte zu der umfangreichen Biografie auch ein Werkverzeichnis. Am Schluss des Büchleins mit dieser interessanten Monografie markiert sie sogar  einen Weg auf den Spuren der großen Künstlerin Marianne Brandts in Weimar, Chemnitz, Dessau und Berlin, der sicher noch nicht ausgetreten ist.

Anne-Kathrin Weise, Marianne Brandt.Wegbereiterin des Produktdesigns, Weimarer Verlagsgesellschaft, Verlagshaus Römerweg

Ré Soupault – Vom Bauhaus in die Welt

Viele Leben in einem einzigen, so atemberaubenden wie langen Leben – sie wurde 95 – hat Ré Soupault, ursprünglich Meta Erna Niemeyer, geführt. Und doch gibt es trotz aller Ruhelosigkeit und gewaltiger Herausforderungen, die das Schicksal an sie stellte, eine unerschütterliche Basis in ihrem Leben, auf die sie sich immer wieder besinnen konnte: „Das Bauhaus ist meine Familie, meine geistige Familie. Die einzige, die ich anerkenne“ schrieb sie 1977 in ihren autobiographischen Notizen. Die „Erinnerungen“ an ihr reichhaltiges Lebens  – entstanden in den 1970er Jahren aus einem Konglomerat aus Tagebuchaufzeichnungen und Briefen – bestätigen ihre Verbundenheit mit den Künstlern des Bauhauses. Johannes Itten war es, der sie am meisten beeindruckte: „Bei Itten geschah etwas, was uns befreite. Wir lernten nicht malen, sondern lernten neu sehen, neu denken und zugleich lernten wir uns selber kennen.“ So war es der Ansatz des neuen Denkens beim Bauhaus in Weimar, von dem aus die schöne und hochbegabte Frau die halbe Welt erobert hat, die sich trotz großer finanzieller und politischer Nöte sowie anderer  Schicksalsschläge niemals unterkriegen ließ: Bublitz, Kolberg, Bauhaus Weimar, Berlin, Paris, Tunesien, Algerien, Nord-Mittel-Südamerika, New York, Basel, Paris sind nur einige der Stationen, welche die 1901 in Kolberg geborene Schülerin erlebte: zunächst als Bauhaus-Studentin in Weimar, als Avantgarde-Filmerin und Modejournalistin in Berlin, als Modemacherin und Fotografin in Paris, als quer durch Europa reisende Fotojournalistin, als Autorin und Fotografin in Tunis, als von dort geflohene Résistance-Mitarbeiterin in Algerien, die mit ihrem Mann, dem französischen Surrealisten und Autor Philippe Soupault, für dessen Reportagen sie fotografierte, durch Guatemala, Chile, Argentinien, Brasilien, Peru, Rio, Haiti und Kuba reiste und schließlich als Exilantin nach Pennsylvania zog, dann in New York und Paris als Journalistin und Zeichnerin arbeitete, spät bei Karl Jaspers in Basel Philosophie studierte, von Übersetzungen lebte, schließlich als Radio-Essayistin und Schriftstellerin wieder nach Paris zurückkehrte. Umso unbestechlicher ist ihr Blick auf die Umbrüche der Zeit zwischen den 1910er Jahren bis 1949. Durch ihre lebendigen Schilderungen auch von künstlerischen Zeitgenossen bekommt man eine Vorstellung von der Atmosphäre der sich abwechselnden Zeitphasen zwischen Liberalität und Faschismus – und das in ganz verschiedenen Ländern. Nicht zuletzt bekommt man eine Ahnung davon, was Engagement für die künstlerische Avantgarde individuell und im Alltag bedeutetet haben mag.

Ré Soupault, Nur das Geistige zählt. Vom Bauhaus in die Welt. Erinnerungen. Verlag Wunderhorn 

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