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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Lesenswert: 100 Jahre Bauhaus und keine Ende… Teil 1

Lesetipps von Petra Kammann

Sehen wir einmal von den Bauhaus-Ausstellungen im Jubiläumsjahr in den verschiedenen Städten und vom kritisch kommentierten Neubau des Bauhaus-Museums in Weimar ab, so können wir uns unabhängig von diesen Orten auch langfristig anhand von Büchern mit dieser wegweisenden Bewegung der Moderne beschäftigen. Daher haben wir eine kleine Auswahl für Sie getroffen.

Aufbruch und Grundlegendes:

2019: Das Bauhaus-Jubiläum schlägt sich auch in der Buchproduktion nieder…

Die Reformschule, die Walter Gropius 1919 als „Staatliches Bauhaus“ aus der Verbindung von Kunstakademie und Kunstgewerbeschule in Weimar gründete, musste schon 1925 aus politischen Gründen schließen. Sie zog nach Dessau um, wurde eine städtische Einrichtung mit einem entsprechend einprägsamen sachlichen Neubau, firmierte als „Hochschule für Gestaltung“. 1928 übernahm Hannes Meyer das sich schon abzeichnende Desaster Bauhaus bis 1930, wo er schon nach zwei Jahren das Amt aufgrund parteipolitischer Interessen wieder aufgeben musste. Dritter Direktor wurde schließlich Ludwig Mies van der Rohe, doch wurde die Institution,  die etliche Kontroversen auslöste, geschlossen. Daraufhin verlegte Mies das Bauhaus als private Institution nach Berlin, wo 1933 das endgültige Aus durch die Nationalsozialisten erfolgte, die das Bauhaus als „kulturbolschewistische“ Einrichtung bekämpften.

Beginnen wir mit Weimar, wo vor 100 Jahren das Bauhaus eröffnet wurde:

Das Bauhaus Weimar

Das Bauhaus, die von Walter Gropius in Weimar gegründete Reformschule, sah sich als eine Antwort auf die „Urkatastrophe“ des Ersten Weltkriegs, des Zusammenbruchs einer Gesellschaft und ihrer Normen. Man versuchte, ein neues Verständnis von Kunst, Handwerk, Technik und Gesellschaft zu erwirken. In dem handlichen Nachschlagewerk „Das Bauhaus Weimar“ können sich interessierte Leser von A bis Z, von Anne Alberts bis Carl Zaubizer, einen ersten Überblick über die Protagonisten und Protagonistinnen aus dem In -und Ausland verschaffen, über deren Lebensweise und über die Aktivitäten dieser für das 20. Jahrhundert so bedeutenden zukunftsorientierten Schule für Architektur, Design, Bildende Kunst, deren Wirkung bis in die Gegenwart reicht. Dabei wird das Scheitern des durch die Weltwirtschaftskrise ausgelösten Kulturkampfs zwischen Moderne und Anti-Moderne nicht ausgespart. Durch die intensive Bebilderung – sei es der einzelnen kreativen Persönlichkeiten, der Stilikonen, Kultobjekte, Möbel und Gebäude, der Werkstätten sowie ihrer internationalen Bezüge wie de Stijl oder das Bauhaus in Tel Aviv –, bekommt der Leser einen sehr lebendigen Eindruck von der zukunftsorientierten Bewegung im industriellen Zeitalter, die sich auch später international ausweitete. Eine knappe Chronik am Ende des Buchs zeichnet zudem die Entwicklung der Bewegung aus ihren Bedingungen zwischen 1860 und 1919 nach.

„Das Bauhaus Weimar“, hrsg. von Christian Eckert und Ulrich Völkel, Weimarer Verlagsgesellschaft (Imprint von Verlagshaus Römerweg), 28,00 €

 

Das Bauhaus: Werkstatt der Moderne

Wassily Kandinsky ordnete in seiner Zeit als Lehrer am Bauhaus den drei Grundfarben Rot, Gelb und Blau assoziativ die Formen Quadrat-Dreieck-Kreis zu und entwickelte damit ein System, das werbewirksam zu einer Art Bauhaus-Signet wurde (s. Buchcover). Sachlich, nüchtern zusammengefasst und dabei sehr informativ ist das schmale Taschenbüchlein über die „Werkstatt der Moderne“ von Winfried Nerdinger, Professor für Architekturgeschichte und Direktor des Architekturmuseums der TU München. Es zeigt die Wege zum Bauhaus-Manifest und die Entwicklung vom Expressionismus zum Formalismus auf, macht deutlich, was sich aus dem Zusammenspiel von Kunst und Technik entwickelt und wie das Bauhaus in Dessau als Labor der Moderne funktioniert. Es beleuchtet aber auch die immer stärker werdende Spannung  zwischen den Vertretern einer neuen luxuriösen Ästhetik des Funktional-Schlichten gegenüber derjenigen, die hinter dem „Volksbedarf“ steht. Es dokumentiert Mies van der Rohes Idee vom Bauen einer „neuen geistigen Ordnung“ bis hin zur Indienstnahme nach 1933. Diese kompakte Einführung zeichnet ein lebendiges Bild der epochemachenden Institution, die in nur vierzehn Jahren an drei verschiedenen Standorten (Weimar, Dessau, Berlin) Architektur- und Kunstgeschichte schrieb und daran mitwirkte, ein ganzheitliches Konzept zu entwickeln, das es sich zum Ziel gemacht hat,  Kunst und Design, Handwerk und Technik miteinander zu verbinden. 

Winfried Nerdinger,“Das Bauhaus: Werkstatt der Moderne“, Verlag C. H. Beck Wissen, 9,95 €

 

„Die Bauhaus-Bande. Meister der Moderne“

Geradezu spürbar werden in dem Buch „Die Bauhaus-Bande“ von Nicholas Fox Weber die Atmosphäre und der liberale Geist der 20er und 30er Jahre. Denn über Jahre hat der  langjährige Leiter der Josef and Anni Albers Foundation Gespräche mit Anni und Josef Albers, dem einzigen Künstler-Ehepaar am Bauhaus, geführt. Aus den Erzählungen der beiden erfahren wir eine Menge über den Alltag und das Leben der Vorzeige-Protagonisten, Künstlerkollegen und Lehrer, deren weniger bekannten Ehefrauen und Freundinnen am Bauhaus, ganz Persönliches wie über deren amouröse Abenteuer, denen hier viel Platz eingeräumt wird. Dadurch verschiebt sich das ein oder andere Bild von der strengen Sachlichkeit der Bauhäusler. Da erscheint der renommierte Architekt und Gründer Walter Gropius, der das Design rationalisierte und die Schule als Ort für Designer sah, hier vor allem als Frauenheld, während der Pfeife rauchende, etwas zurückgezogene Maler Paul Klee als stiller Beobachter der Kollegen dem Geschehen distanziert gegenübersteht. Den Gemälden Wassily Kandinskys wiederum sieht man nicht an, dass er eine geheime Tragödie hütete, während der letzte Direktor des Bauhauses, der Architekt Ludwig Mies van der Rohe, herrisch streng und  etwas unbarmherzig rüberkommt. Josef Albers selbst, der 1920 als Student ans Bauhaus kam und 1933 zu den letzten sieben verbliebenen Fakultätsmitgliedern gehörte, war mit der kühnen jungen Frau und Textildesignerin Annelise Fleischmann, einer Berliner Erbin liiert, die später als Anni Albers die Kunst in den Fokus ihrer Existenz stellte. Mit der subjektiven Gruppenbiografie erweckt Weber die Bauhaus-Helden und die Gemeinschaft der wegweisenden Kunstschule in Weimar, Dessau und Berlin in den Zwanziger- und frühen Dreißigerjahren zu neuem Leben.

Nicholas Fox Weber, „Die Bauhaus-Bande. Meister der Moderne“. Übersetzung aus dem Englischen von Claudia Kotte, Verlag DOM Publishers, 38,00 €

Es folgen Lesetipps zum Thema: „Bauhaus-Frauen“

 

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