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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

 „Dalibor“ von Bedřich Smetana in der Oper Frankfurt

Aussichtsloser Widerstand gegen das totalitäre System, der gescheiterte Traum von Freiheit und die Vision von einer gewaltfreien Welt

von Renate Feyerbacher
Fotos: Monika Rittershaus / Oper Frankfurt

Gordon Bintner (Vladislav; links auf dem Stuhl sitzend), Aleš Briscein (Dalibor; rechts auf dem Stuhl sitzend) und Ensemble

Die  Oper „Dalibor“ wird selten aufgeführt. Dabei hielt Bedřich Smetana sie für seine beste Bühnenkomposition…

Er hatte das Werk kurz nach „Die verkaufte Braut“, einer Dorfgeschichte um einen betrogenen Heiratsvermittler und dem Sieg treuer Liebe, mit gängigen Chor- und Tanzeinlagen, komponiert. Meistgespielt – wurde diese als eine Art tschechischer Nationaloper angesehen. Aber Smetana sah eher in „Dalibor“ eine Nationaloper. Sie wurde 1868  anlässlich der feierlichen Grundsteinlegung des Nationaltheaters in Prag uraufgeführt. Der ersten Fassung mit deutschem Libretto – geschrieben von Josef Wenzig und Ervín Spindler – folgte zwei Jahre später die Fassung in tschechischer Sprache.

Smetana war sehr enttäuscht, dass seine große tragische Oper „Dalibor“ mit dem geschichtlichen Sujet, nicht angenommen wurde, sogar scheiterte. Bittere Auseinandersetzungen waren die Folge: Sogar „Hörigkeit gegenüber der deutschen Kultur, also schlechtes Tschechentum“ – so Hans-Klaus Jungheinrich im Programmheft – wurden dem Komponisten vorgeworfen. Es war die Zeit der Wiedergeburt des tschechischen Nationalgedankens. Und die Oper ist nun mal keine politische Manifestation.

Wieso schrieb er ein Libretto in deutscher Sprache? In der Familie von Bedřich Smetana (1824 -1884) wurde zwar Tschechisch  gesprochen, er selbst aber hatte eine deutsch-österreichische Bildung, wie sie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Böhmen üblich war. Smetana konnte weder korrekt Tschechisch schreiben noch sprechen.“Doch brauche ich vielleicht nicht zu versichern, dass ich mit Leib und Seele Tscheche bin“, versicherte er.

Der Neuinszenierung von „Dalibor“ an der Oper Frankfurt liegt die erste, also deutsche Fassung zugrunde, obwohl der Sänger des Dalibor Tscheche ist und die Sängerin der Milada Polin. Aber das war nicht etwa der Grund für die teils heftigen Buhrufe nach der Premiere am 24. Februar. Sie galten vor allem dem Produktionsteam. Beifall hingegen gab es für Musik und Gesang.

 v.l.n.r. Gordon Bintner (Vladislav; in blau-silbernem Anzug), Izabela Matuła (Milada; auf dem Stuhl sitzend), Simon Bailey (Budivoj; in gelbem Anzug) und Ensemble

Dalibor von Kozojedy, eine legendäre Rittergestalt im 15. Jahrhundert, war dem damaligen Herrscher, König Vladislav II. verpflichtet, der seinerseits wiederum vom Adel abhängig war. Von den einen als gerechter Unterstützer der geknechteten Bauern gepriesen, von den andern als Raubritter und Betrüger gescholten, wurde Dalibor 1498 schließlich wegen Landfriedensbruch in Prag hingerichtet. Vladislav hatte ihn zuvor in den Turm werfen lassen, der heute noch als Daliborka in Prag bekannt ist. Dort soll sich der Legende nach der Gefangene selbst das Geigenspielen beigebracht haben und am Fuße des Turmes sollen die Bürger stehengeblieben sein, um seinem Geigenspiel zu lauschen. Trotzdem wurde er hingerichtet.

In Smetanas Libretto ist Dalibor der Mörder von Graf Ploškovic, mit dem er auf Kriegsfuß stand. So lautet die Geschichtsschreibung. Die Oper beginnt mit einer knappen Orchestereinleitung, der sofort die düsteren Klagen des Volkes folgen: „Heute muß er vor Gerichte stehn, wie wird es ihm ergehn! Dalibor! Dalibor!“ Des Grafen Schwester Milada klagt ihn an. Als sie Dalibors Rechtfertigung vor Gericht hört, er habe den Grafen aus Rache ermordet, weil er seinen Freund Zdenek ermorden ließ, ist Milanda von Dalibors Erscheinung berührt und verliebt sich in ihn. Als er zu lebenslanger Haft verurteilt wird, beschließt sie, ihn zu befreien.

Ähnlich wie Fidelio – als Mann verkleidet – stellt sie der Kerkermeister ein. So gelangt sie zu Dalibor. Dabei hat sie laut Oper eine Geige. Das war in der Inszenierung allerdings nicht der Fall. Die beiden versichern sich ihrer Liebe, es wird von Befreiung gesprochen, aber die geht schief. Beide finden den Tod.

Izabela Matuła (Milada; auf dem Boden liegend), Aleš Briscein (Dalibor; über Milada gebeugt) sowie Simon Bailey (Budivoj; hinten rechts in gelbem Anzug) und Ensemble

Smetana geht es in „Dalibor“ um Kritik und Widerstand am politischen System. „Macht gegen Macht ist das Weltgesetz [..] Und stündet Ihr mir, König, dann im Weg, so richt‘ die Waffe ich gegen Euch!“  So lässt Smetana Dalibor gleich im 1. Akt seine Gesinnung bekennen und das zu Ende des 18. Jahrhunderts in dieser unruhigen Zeit, die bis 1885 anhält, als die Tschechen um ihre Nation ringen. Der Komponist unterstützte also die national-tschechische Bewegung.

Regisseurin Florentine Klepper, die in Frankfurt bereits erfolgreich inszenierte, überträgt das Geschehen in die heutige Zeit. Sie denkt an die Gewalt, die einst in Deutschland aufkeimte und heute all über all in Europa und anderswo. Und sie bedient sich der Möglichkeiten moderner Medien. So wird etwa die Gerichtsverhandlung – wie in den USA üblich – im Fernsehen übertragen. Moderator der Gerichtsschau ist König Vladislav. Ein Gewusel von Kameras umgibt Milada und Dalibor. Als Stimmvolk sitzen die Chormitglieder rechts und links auf Tribünen. Die Idee hätte Sprengkraft, wenn sie nicht total überfrachtet wäre durch das tumultartige Hin und Her auf der Bühne. Klepper will einfach zu viel.

Die Demonstrationen des Volkes vor der Gefängnismauer mit dem Schriftzug „Fuck the System“ wirken dürftig. Die Zusammenkunft von Milada und Dalibor in der Gefängniszelle hätte durchaus leidenschaftlicher ausfallen können. Aber die vielen Lichter und  Überwachungskameras verhindern das und lassen keine überzeugende Personenführung erkennen. Statt die Geige mitzubringen, stülpt Milada dem Gefangenen Kopfhörer über die Ohren und Dalibor hört auf diese Weise die Geigentöne, die der ermordete Freund Zdenek spielt.

Der Librettist Wenzig hatte übrigens Dalibor das Geigenspiel entzogen und dem ermordeten Freund Zdenek übertragen. Bei Dalibors Schwärmerei für Zdenek drängt sich der Verdacht der latenten homosexuellen Zuneigung auf. Als Milada stirbt und bevor er sich unter die Soldaten stürzt, wird diese „gespaltene Liebe“ noch einmal deutlich: „Ihr schreckt mich nicht. Mein Weg ist klar. Nur der Tod ist mir willkommen. Denn er vereint mich mit Zdenek, Milada.“ Dalibor bleibt als Held in der Oper  fragwürdig.

 Aleš Briscein (Dalibor) und Izabela Matuła (Milada)

Dalibor  ist als das reifste und gelungenste unter den ‚ernsten’  Bühnenwerken Smetanas anzusehen“, schreibt der vor wenigen Wochen verstorbene Frankfurter Musikkritiker Hans-Klaus Jungheinrich im Programmheft. Er ist nicht der einzige Musikkenner, der sich so äußert. Dem österreichisch-ungarischen Dirigenten Stefan Soltesz gelingt es, mit dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester die außergewöhnlichen kammermusikalischen Momente und die melodischen Bögen mit Liebe zum Detail herauszuarbeiten. Das Publikum dankt es dem Orchester und seinem Leiter.

Gefeiert wurden Sängerinnen und Sänger sowie der Chor der „Dalibor“-Produktion, allen voran die polnische Sopranistin Izabela Matula als Milada, – warm-strömend ihr Stimme. Sie singt zum ersten Mal an der Oper Frankfurt. Hell und sicher ist das Timbre des tschechischen Tenors Aleš Briscein als Dalibor vom Prager Nationaltheater. Der Kanadier Gordon Bintner als Vladislav, der seit zwei Jahren zum Ensemble gehört, reißt mit. Das ehemalige Ensemblemitglied Simon Bailey verleiht dem herrschsüchtigen Kanzler Budivoj seine prägnante Stimme. Thomas Faulkner, Bass, spielt und singt den Kerkermeister Beneš, den Budivoj ermorden lässt, einfach großartig.

Die genannten Einwände sollen keineswegs vom Besuch der Oper abhalten. Es gilt hier, einen anderen Opern-Komponisten Smetana zu entdecken, der oft nur durch Die verkaufte Braut bekannt ist. Und die musikalische und stimmliche Leistung überzeugt allemal.

Weitere Aufführungen sind am  2. und 8. März, danach Oper lieben mit Bernd Loebe, Izabela Matula und Stefan Soltesz, am 16., 22., 24., und 30. März im Großen Haus der Oper Frankfurt.

 

 

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