home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Hiob von Joseph Roth in der Wiener Burg

Die Leiden des alten Mendel – wie das Burgtheater an Joseph Roths Theateradaption von Hiob scheitert

Von Simone Hamm

Joseph Roths Roman „Hiob“ erschien 1930. Distanziert, in einer dunklen, schönen Sprache geschrieben, rührte und rührt er immer noch zu Tränen. Roth zeigt das Innenleben des orthodoxen Tora-Lehrers Mendel Singer, den Gott so hart prüft. Er schaut in die Seele des frommen Mannes, der verloren ist in der Gegenwart, weil er sich immer noch im Alten Testament wähnt. Da muss bei der Bühnenfassung von Koen Tachelet zwangsläufig viel auf der Strecke bleiben.

Peter Simonischek als Mendel Singer

Mendel Singer wird fast alles verlieren, seine Frau an den Tod, seine Söhne an den Krieg, seine Tochter an diverse Männer, bevor sie irre wird. Er hatte seinen jüngsten Sohn, Menuchim, einen Epileptiker, der nicht eigenständig laufen kann und nur das Wort „Mama“ spricht, in Russland zurückgelassen, um im gelobten Land „America“ glücklicher zu werden.

Lange Zeit glaubt Singer, die Prüfungen, die ihm Gott auferlegt, ertragen zu müssen, immerfort betet er. Christoph Stückl, Spielleiter der Festspiele  in Oberammergau – und Holzbildhauer, lässt die Schauspieler auf einer hölzernen Welle (Ausstattung Stefan Hagemeier) agieren. So kündigt er die Seefahrt ins gelobte Land America an. Da bewegt sich nichts. Und leider ist auch wenig Bewegendes auf der Bühne zu sehen.

Während Joseph Roth die Leiden eines einfachen gottesfürchtigen Mannes nachfühlbar macht, der verzweifelt an seinem Gott festhält, verharrt Regisseur Christian Stückl an der Oberfläche.

Auch sein Mendel Singer leidet. Auch er hadert mit Gott. Das drückt sich dann zum Beispiel darin aus, dass er die Fäuste zum Himmel reckt. Denn der ansonsten großartige Schauspieler Peter Simonischek spielt den Mendel Singer auf eine Art, dass man sich die Augen reibt und nicht glauben kann, dass man heute noch einen so vor Klischees strotzenden Juden zeigen kann. Mit angeklebten Bart und Schläfenlöckchen und Kippa, in langer grauer Tracht, gottesfürchtig, streng und selbstgefällig.

Und das geht dann quälend lange zweieinhalb Stunden im immergleichen Duktus so weiter. Von Tragik, Verlust und Pein ist wenig zu spüren. Das wirkt alles so glatt, als handele es sich um ein gehobenes Boulevardtheater.

Regina Fritsch (Deborah Singer), Stefanie Dvorak (Mirjam), Oleg Tikhomirov (Jonas / Mac), Christoph Radakovits (Schemarjah)

Eines muss man dem Stück aber zu Gute halten: nicht nur die schwarz gekleideten Juden aus dem Schtetl entsprechen den Klischeebildern von Juden. Auch Oleg Tikhomiriv ist das Abziehbild eines Amerikaners mit Stenson und Cowboystiefeln.

Minuchem, der Epileptiker, der nicht gesprochen hat, der in wilden Zuckungen auf dem Boden lag (Tino Hillebrand), trifft geheilt als erfolgreicher Dirigent in New York ein. Der zerbrochene Glaube wird gekittet.

Dazu erklingt die Musik von Christian Wörndl, wie zum Beispiel „Menuchims Lied“, einfach nur süsslich Klezmerartiges. Schade, eine vertane Chance!

Comments are closed.