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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Jeden ersten Mittwoch im Monat: Christof Lauer in der Alten Nikolaukirche

Der erste Mittwoch-Auftritt des Jazzsaxofonisten Christof Lauer in der Nikolaikirche

Ein Beitrag von Uwe Kammann

Eine fast atemlose Stille in der Nikolaikirche. Dabei ist das mittelalterliche Kleinod am südlichen Rand des Römerbergs nicht nur bis auf den letzten Sitzplatz voll, nein, es ist auch kein Stehplatz mehr zu ergattern. Und das mitten in der Woche, am Mittwoch, am späteren Nachmittag um 17 Uhr. Ein besonderer Gottesdienst, eine spezielle Andacht? Nein und ja. Denn was nach wenigen einführenden Worten der Pfarrerin folgt, ist eine Meditation der speziellen Art. Keineswegs ruhig und schwebend, keineswegs in ein andächtig wahrzunehmendes Nichts führend. Sondern in Teilen wild, vorwärtsdrängend, dynamisch. Es ist eine Meditation in Tönen, gespielt auf dem Saxophon. Von Christof Lauer, einem Jazzmusiker, der in Frankfurt verwurzelt ist, obwohl er lange Zeit bei einem Ensemble in Hamburg engagiert war, bei der Bigband des Norddeutschen Rundfunks. Was natürlich viele Gastkonzerte nicht ausschloss, auch nicht das Spiel im Jazzensemble des Hessischen Rundfunks.

Jetzt aber, nach fünfundzwanzig Jahren der Nordorientierung, wird Christof Lauer wieder seinen Lebensmittelpunkt in Frankfurt fixieren, der Stadt, in der er einst seine musikalische Ausbildung auf dem Cello begann. Und in der er immer seine Wohnung beibehalten hat, gerade auf der Grenze zwischen Westend und Nordend.

Spielt diese kleine Vorgeschichte eine Rolle, wo es doch um eine ganz besondere Premiere in der Nikolaikirche geht? Ja, insofern, als der Musiker bei seinen Frankfurt-Besuchen immer ein kleines Ereignis geschätzt hat, das inzwischen zu den großen Traditionen in Frankfurt gehört: die offenen Orgelkonzerte in der Katharinenkirche, jeweils montags und donnerstags um 16.30 Uhr, mit einem fulminanten Martin Lücker an der Rieger-Orgel. Diese halbe Stunde, so begründete Christof Lauer sein jetziges Engagement in der Nikolaikirche, habe ihn immer angezogen, wann immer er sie habe wahrnehmen können: als in jeder Hinsicht ganz eigener Raum und Ruhepunkt in der hochbewegten Stadt.

Christof Lauer improvisiert frei

Und so wird er jetzt einen besonderen Pol schaffen, an jedem ersten Mittwoch im Monat um 17 Uhr. Dass die Ankündigung dieser Premiere so viele Menschen angezogen hat, damit dürften weder er noch die einladende St. Paulsgemeine gerechnet haben. Und es waren, wenn denn eine erste Einschätzung der äußeren Erscheinung erlaubt ist, keineswegs nur Mitglieder jener musikalischen ‚Gemeinde’, die man vielleicht oberflächlich als Jazzliebhaber identifizieren könnte – und die man regelmäßig bei den Konzerten sieht, die Jazz-Urgestein Emil Mangelsdorff in staunenswerter Präsenz jeden ersten Montag im Monat im Holzhausenschlösschen gibt. Sicher, die ganz Jungen waren nicht vertreten in der Nikolaikirche. Sie sind mit einer Musik jenseits von Rock und Rap immer schwerer zu erreichen, haben womöglich auch beim Stichwort Kirche einen negativen Erstreflex.

Doch wer weiß, vielleicht spricht sich schnell herum, wie außergewöhnlich es in den kommenden Monaten in der ja fast intim wirkenden, so außerordentlich schön renovierten Kirche – deren Anfänge dem 12. Jahrhundert entspringen – zugehen wird, wenn Christof Lauer dort zu seinem Saxophon greift. Lauer, übrigens selbst Sohn eines Pfarrers, findet sofort zu einem ganz eigenen Ausdruck, setzt an zu einem Solo, das nie unterbrochen wird. Ja, es gibt natürlich Phasen, die ruhiger sind, die an die Linien und die Atmosphäre eines Blues erinnern. Doch prägend sind seine Improvisationen, die eine hohe innere Dynamik aufweisen, Sequenzen, bei denen Lauer bis an die Grenzen des Spielbaren geht, in denen er bewusst Verzerrungen ansteuert, bis an Schmerzgrenzen. Das alles, man sieht es auch an seinen Zügen, ist getragen von innerer und äußerer Kraft. Es ist ein existentielles Spiel, und genau dies ist es, was das atemloses lauschende Publikum spürt.

Die Nikolaikirche war bis zum letzten Platz besetzt

Nein, geistliche Musik, wie sie Martin Lücker so grandios auf der berühmten Rieger-Orgel in der Katharinenkirche interpretiert, die ist von Christof Lauer nicht zu hören (auch wenn sein Album „Heaven“ eine Auseinandersetzung mit dieser kirchlich verbundenen Form ist). Hier ist das Geistlich/Geistige in der Ernsthaftigkeit zu spüren, die den ganzen halbstündigen Improvisationsbogen bestimmt, in immer neuen Schüben, immer neuen Variationen – bis hin, wenn man es so verstehen mag, einer glücklichen Erschöpfung. Genau so auch wurde die Musik aufgenommen, verstanden, wahrgenommen – im erweiterten Sinne des Wortes. Es teilte sich Wahrhaftigkeit mit, Authentisches, Sinnhaftes. Und Sinnliches. Ein grandioser Auftakt. Jeder Mittwoch am Anfang des Monats in Frankfurt hat jetzt einen neuen Fixpunkt. Genau um fünf Uhr am Nachmittag. In der Nikolaikirche, im Herzen der Stadt.

Alle Fotos: Uwe Kammann

Info:

Christof Lauer war ab 1993 Solist in der NDR-Bigband, ab 1994 Mitglied des United Jazz + Rock Ensemble und ab 1996 des Albert Mangelsdorff Quintetts. Mit geistlicher Musik setzte sich Lauer, der Sohn eines Pfarrers ist, für sein Album „Heaven“ auseinander.

Saxophonmeditation mit Christof Lauer

Jeden ersten Mittwoch im Monat jeweils von 17 bis 17.30 Uhr in der Alten Nikolaikirche. Eintritt ist frei.

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