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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Der Concept Store der Höchster Porzellan-Manufaktur von 1746 in der neuen Frankfurter Altstadt ist eröffnet

Von Höchster Qualität: Das Rad – es dreht sich wieder

von Petra Kammann

„Es wird weiter in Höchst produziert werden, und es konnten alle Arbeitsplätze erhalten werden“, hieß es bei der Insolvenzverwaltung im vergangenen Sommer, war doch die zweitälteste Porzellanmanufaktur Deutschlands in Konkurs gegangen und hatte am Rad gedreht. Ein Investor aus Taiwan hatte die marode gewordene Firma in Höchst samt der noch übrig gebliebenden Belegschaft mit 13 Angestellten übernommen.

Die Sultanine, eine typisch historische Figur, steht Modell neben zeitgenössischen Kreationen und Sondereditionen, alle Fotos: Petra Kammann

Der neue Besitzer, der in Hongkong ansässige Taiwanese Yung Wen Evan Y. Chung, dem schon das Darmstädter Luxus-Armaturen-Unternehmen Zeva Life gehört, hatte dem Traditionsunternehmen von 1746 eine neue Zukunft versprochen, indem es durch neue Designs auch eine jüngere exklusive Kundschaft überzeugen solle. Nun kam er zur Präsentation des neuen kleinen und feinen, von Veit Streitenberger in Zusammenarbeit mit den Architekten schneider + schumacher mit kostbaren Materialien ausgestatteten Concept Stores, in dem die einzelnen kostbaren historischen Porzellanobjekte sowie die von zeitgenössischen Künstlern gestalteten Sondereditionen, die in der Höchster Manufaktur entstanden, eine besondere Wirkung entfalten.

Das Ereignis hatte nicht nur OB Peter Feldmann in den neuen Store gegenüber der Schirn gelockt, sondern auch den Wirtschaftsförderer Stadtrat Thomas Frank, der eine kurze Begrüßungsansprache hielt, sowie den Stellvertretenden Stadtverordnetenvorsteher Stephan Siegler. Sie verbreiteten Optimismus, war doch die Stadt auch ebenso an der Rettungsaktion des Unternehmens beteiligt wie die hessische Landesregierung. Jedes Exponat aus der Kollektion der Höchster Porzellan-Manufaktur sei Ausdruck von kunsthandwerklicher Qualität, Tradition, Ästhetik und Individualität, brachte selbstbewusst der so begeisterte wie begeisternde Künstlerische Leiter der Porzellan-Manufaktur Mario Effenberger in seiner flammenden Eröffnungsrede zum Ausdruck. Außerdem sei es Zeichen eines Stils, der nicht von Tagestrends bestimmt werde, sondern die Zeit auf seine Weise präge. Effenberger selbst hat viele Jahre zuvor bei der Meißener Manufaktur gearbeitet und weiß, wovon er spricht, wenn er die höchste handwerkliche Qualität der zerbrechlich-zarten Objekte lobt, die das Unternehmen seit 1746 unter Beweis gestellt habe.

Neu in Szene gesetzt und von höchster Eleganz: die klassizistische Melchior-Vase aus Biskuit-Porzellan, Harlekin und Columbine im indirekt beleuchteten Themenfenster mit Kranich

Noch heute werden nämlich in Höchst Porzellane der Spitzenqualität von Hand geformt und bemalt. Im Kronberger Haus in der Höchster Altstadt, seit 1994 eine Außenstelle des Historischen Museums Frankfurt, kann man die mit rund 1000 Exponaten größte Sammlung von alten Höchster Fayencen und Porzellanen staunend betrachten. Allerdings wirkt die Präsentation dort etwas verstaubt. Man könnte diese Kostbarkeiten der besonderen Sammlung zweifellos geschickter inszenieren und damit wieder ins Bewusstsein möglicher Liebhaber dieser Handwerkskunst rücken.

Der künstlerische Leiter Mario Effenberger der Porzallan-Manukatur (mit Vase) und Leiter des Concept Stores am Markt 36  Frank Sauer (links)

Die Produktpalette der Höchster Porzellan-Manufaktur umfasst heute das durchscheinend wirkende Biskuitporzellan, weiß glasiertes und subtil farbig bemaltes Porzellan. Mit Geschenken und Accessoires, Figuren und Skulpturen sowie mit Serviceangeboten – die attraktiven Räume des einstigen Industriegebäudes können u.a. für Events gemietet werden -, hat das Unternehmen aus Höchst, das sich seit Jahren schon vergeblich um bessere Verkäufe bemühte, versucht, sich in den letzten Jahren über Wasser zu halten. Doch war derweil der Vertrieb der Objekte leider nicht gewährleistet. Außerdem hat der Bedarf an teuren Essgeschirren insgesamt nachgelassen. Den Shop, den es im Frankfurter Zentrum bis vor vier Jahren noch an der Berliner Straße gab, musste das Unternehmen nicht zuletzt deshalb aufgeben. Seitdem konnte man Höchster Porzellan nur noch an der Palleskestraße in der Manufaktur in Höchst selbst und in Frankfurt allenfalls im Haushaltsfachgeschäft Lorey in der Schillerstraße erwerben. Das ist nunmal zu wenig.

Besondere Präsentation der durchscheinenden Schalen, Sonderedition der Architektin Christiane Riemann

Für traditionelle Unternehmen dieser Art ist es tatsächlich in Europa auch insgesamt schwieriger geworden, neue Abnehmer zu finden. Das haben selbst die Manufakturen in Meißen und in Berlin (KPM ) zu spüren bekommen. Die junge Zielgruppe liebt den schnellen ästhetischen Wandel und kann inzwischen für wenig Geld zum Beispiel bei populären Möbelhäusern auch ordentlich gestaltete Service erwerben, wenngleich auch nicht von Höchster Qualität. Und die Schränke des älteren wohlhabenden Publikums sind schon bestens mit wertvollen Dingen wie Ess- und Kaffeservicen bestückt. Allenfalls bleibt die Anschaffung größerer Mengen kostbaren Geschirrs gerade mal für Gourmettempel oder luxuriöse Hotels noch interessant. Also musste eine neue Strategie her, um die Qualität der Kunsthandwerkstradition zu erhalten. Die französischen um die Luxusgüter konkurrierenden Unternehmer François Pinault und Bernard Arnault haben es vorgemacht, wie man Luxusmarken international erfolgreich vermarkten kann, wenn man ihnen nur mit einer Palette von geschickten Marketingmaßnahmen eine entsprechende Bühne verschafft…

Begrüßungsworte vom neuen Investor Evan Y. Chung (links) und Wirtschaftsdezernent der Stadtrat Thomas Frank

Manufakturelle Qualität und solche, die mit der Kulturgeschichte verknüpft ist, wird in Asien außerordentlich geschätzt. „Die Geschichte ist mir sehr wichtig“, sagt Chung. Um auf die Geschichte des Traditionsunternehmens hinzuweisen, habe er daher als Zusatz zum Firmenlogo des Mainzer Rades auch noch bewusst das Gründungsjahr 1746 hinzugefügt. Viele Asiaten – das weiß der fernöstliche Manager natürlich auch – kaufen besonders gerne und häufig in Frankfurt deutsche Marken- und Qualitätsprodukte aller Art, denn diese sind oft genug für ausländische Käufer hier bei uns erschwinglicher.

An der Herstellung will Chung zunächst nichts ändern, das Profil der traditionellen Manufaktur soll allerdings noch geschärft werden. Die Reproduktion historischer Porzellankunst, vor allem die berühmt gewordenen Höchster Formen des 18. Jahrhunderts wie die Melchior-Vase, die Rokoko-Figürchen, sollen erhalten bleiben. Exklusives Design, Sonderentwicklungen, limitierte Editionen und Sammelstücke, zeitgenössische Porzellankunst sowie moderne Wohn- und Geschenkaccessoires sollen hingegen stärker noch dem Lifestyle-Zeitgeist und damit auch jüngeren Zielgruppen entgegenkommen.

Das dafür entsprechende Publikum soll vom Concept Store angezogen werden, wo man sich ganz in Ruhe und Muße im ersten Stock des Ladens beraten lassen kann. Da sollen Touristen, aber auch viel Laufkundschaft vom Höchster Porzellan erfahren, nicht auf Schnäppchenangebote anspringen, sondern überlegt kaufen können. Kleine gut gestaltete kultige Objekte zu geringem Preis mit dem Rad würden das Nachdenken sicher nachhaltig unterstützen, lässt ein solches Mitbringsel mit der eingebrannten Marke den möglichen Kunden auch später noch an das Besondere der Porzellankunst denken…

Sabine Olbrich, Leiterin des Manufaktur Direktverkaufs in der Palleskestraße

Effenbergers Ziel ist es aber auch, eine jüngere Generation für die „Ehrfurcht dieses Handwerks“ zu begeistern, und er erhofft sich davon auch, dass viele von ihnen dann auch Lust haben, in der Manufaktur ihre Ausbildung zu machen und sie auch in Zukunft dafür sorgen, dass es noch Nachwuchs für die wunderbaren Handwerker wie Portzellan-maler und Formgestalter geben wird. Dass zeitgenössische Künstler und Juweliere für die Manufaktur schon jetzt gestalten, mag ein Schritt in die richtige Richtung sein, nicht zuletzt, damit das wunderbare Handwerk, „weißes Gold“ zu produzieren, nicht in Vergessenheit gerät.

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