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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

 „I Puritani“ von Vincenzo Bellini in der Oper Frankfurt

Keine intimen Duette des Brautpaares – Eine extreme Liebesgeschichte

von Renate Feyerbacher

Fotos: Barbara Aumüller / Oper Frankfurt

Zum ersten Mal wird „I Puritani“, Oper seria in drei Teilen von Vincenzo Bellini, 1835 in Paris uraufgeführt, in Frankfurt gezeigt. Es ist eine Koproduktion – Inszenierung, Bühnenbild, Kostüme, Video und Licht – mit der Opéra Royal de Wallonie, Liège (Lüttich).

Bei der Frankfurter Premiere am 2. Dezember 2018 gab es wieder Beifallstürme für das sängerische Team, aber auch einige kräftige Buh-Rufe für das Produktionsteam.

 v.l.n.r.: Brenda Rae (Elvira), Thomas Faulkner (Lord Gualtiero Valton), Michael Porter (Sir Bruno Roberton; mit dem Rücken zum Betrachter) und John Osborn (Lord Arturo Talbo) sowie oben Chor der Oper Frankfurt

„I Puritani“ ist  die letzte Oper von Vincenzo Bellini (1801- 1835). Er starb einige Monate nach ihrer triumphalen Uraufführung mit 34 Jahren. Selbst eine Autopsie, die vom König angeordnet worden war, weil Gerüchte von Vergiftung im Umlauf waren, konnte die Ursache seines frühen Todes nicht genau klären. Vermutlich war es Amöbenruhr, wie das Deutsche Ärzteblatt einmal berichtete. Heinrich Heine, der mit Bellini in den Salons verkehrte, hatte dem Genie einen frühen Tod vorausgesagt. War es eine Provokation oder Intuition?

Der in Sizilien geborene Komponist brach im wahrsten Sinne des Wortes viele Frauenherzen. Und er nutzte die Frauen, die ihn auch finanzierten, geradezu aus. Es waren Frauen, die ihm sowohl finanziell die Produktivität ermöglichten, als auch emotionale Erkenntnisse über das Frausein vermittelten. Er war ein Ehebrecher. Seine Protagonistinnen wie Elivira in I Puritani, Amina in La sonnambula oder Norma in der gleichnamigen Oper brachten das Publikum förmlich zum Weinen. Bellini hatte die Gefühlswelt der Frauen begriffen.

Der französische Regisseur Vincent Boussard, der in Frankfurt bereits zum dritten Mal inszeniert, findet in der Figur des Lord Arturo Talbo, den Elivra liebt, Parallelen zum Komponisten selbst. Bellinis „Gemeinsamkeiten mit seinem Tenor-Helden sind verstörend“, so Boussard. Diese Gemeinsamkeiten betont er in „I Puritani“. Es beginnt mit einem Ball und endet mit einem Ball zu Ehren Bellinis. „Der gefeierte Komponist bleibt im Mittelpunkt, aber allein am Rande seines Grabes zurück“, schreibt Dramaturg Zsolt Horpácsy im Text zur Handlung (Programmheft).

Kihwan Sim (Sir Giorgio) und Brenda Rae (Elvira)

Das Geschehen spielt in der Zeit der englischen Bürgerkriege um 1650. Elvira, die Tochter des Puritaners Lord Valton, begehrt Arturo, einen heimlichen Anhänger der Royalisten. Davon weiss sie aber nichts. Versprochen war sie Riccardo, Oberst der Puritaner, der verzweifelt ist, weil Elviras Vater auf Zureden von Onkel Giorgio, die Hochzeit mit Arturo nun doch erlaubt hat. Arturo, der sie auch liebt, („A te, o cara“ / Zu Dir Geliebte) ist bereit zur Hochzeit, deren Vorbereitungen in vollem Gange sind. Als er eintrifft, sieht er die zum Tode verurteilte Enrichetta di Francia (Königin Henrietta Maria), die katholische, französische Witwe des Stuart Königs Karl I., der hingerichtet wurde.  Arturo handelt unmittelbar, indem er Enrichetta unter dem Hochzeitsschleier von Elvira zur Flucht verhilft. Natürlich ist auch er verschwunden. In seiner Abwesenheit zum Tode verurteilt, kehrt er nach drei Monaten heimlich zurück. Drei Monate, die Elvira in den Wahnsinn treiben. Seine Rückkehr beendet schlagartig ihren Wahnsinn, die jedoch ebenso schlagartig Arturos Verrat erkennt, der bemüht ist, sie von seiner Treue zu überzeugen. „Sie handelt. Arturo stirbt“, steht im Handlungsablauf des Programmheftes. Opernlexika sprechen vom reitenden Boten, der Arturos Begnadigung verkündet. Die Frankfurter Inszenierung hat kein Happy End und doch ein Happy End. Eigenwillig, aber verwirrend…

John Osborn (Lord Arturo Talbo) und Sofia Pintzou (Eine Frau)

Dieser eigenwillige irritierende Schluss hat vielleicht einige zum Buh-Rufen provoziert. Andere reklamierten die Darstellung als zu statisch. Der Chor (Chordirektor Tilman Michael) wiederum war erneut ausgezeichnet, steht in dem abgefackelten Theaterrundbau mit seinen drei Rängen (Bühnenbild Johannes Leiacker) wie festgenagelt. Der Gaze-Vorhang, auf dem Videos (Isabel Robson) projiziert werden, verschwindet erst gegen Ende der Oper. Eine ausgefallene Idee, aber manchmal gab es zu viele irritierende Projektionen. Das Lichtdesign von Joachim Klein hätte oft genügt.

Elvira, gespielt und gesungen von Brenda Rae, war immer in Bewegung: auf dem Flügel liegend, tänzerisch sich drehend, die Leiter, die zum und vom ersten Rang des ausgebrannten Theaters führt, auf- und abschreitend. Und das in einer grandiosen, üppig-langen Robe, die der französische Modeschöpfer Christian Lacroix entworfen hat. Sie meistert jede Stufe ohne Stocken, ohne Stolpern.

Modedesigner Christian Lacroix, der Kunstgeschichte studierte, hat schon lange ein Faible für Oper, Schauspiel und Ballett. Mit Regisseur Boussard arbeitet er seit 15 Jahren zusammen. Er entwarf in Frankfurt die Kreationen für die Opern „Adriana Lecouvreur“ und für „Ezio“. Gerne komme er nach Frankfurt, sagt er nach der Premiere und lobt begeistert die Arbeit der Kostümabteilung. Es sind Gewänder à la Pariser Haute Couture. Auch Brenda Rae ist angetan von dem fantasievollen, schulterfreien  Kleid mit Corsage und ausser-gewöhnlichen Ärmeln, das sie zur Hochzeitsfeier trägt. Später, als sie dem Wahn verfallen ist, agiert sie im Nachthemd, das ihr viel Raum zum Singen und Atmen lässt. Die Damen des Chors gefallen in opulenten, roten Roben, die puritanischen Männer ausser Arturo und Riccardo, in schwarzem Cut und Zylinder.

 Christian Lacroix mit dem Countertenor Emanuel Cencic nach der Oper „Ezio“, Foto: Renate Feyerbacher 

Bellini hat Italien nicht aus politischen Gründen verlassen, wohl aber Graf Carlo Pepoli, der das Libretto schrieb. Mit ihm war der Komponist nicht zufrieden. Mit seinem erfahrenen Librettisten Felice Romani hatte der Komponist sich verkracht. In Paris, wo sich Bellini 1833 niederließ, hatte er eigentlich nur noch seinen Ruhm im Kopf, wenngleich sich auch in „I puritani“ patriotische Akzente finden.

Dirigent Tito Ceccherini, in Frankfurt kein Unbekannter, hebt die besondere Detailgenauigkeit und die melodischen Einfälle der Bellini’schen Musik hervor, welche den traditionellen Aufbau hinter sich lässt. Unter seiner Leitung gelingt dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester, stark mit Hörnern, Posaunen und Schlagzeug besetzt, wieder ein musikalischer Höhepunkt.

Das Aufgebot der Stimmen – wieder ein Erlebnis. Die amerikanische Sopranistin Brenda Rae, ehemaliges Ensemblemitglied, ist eine Meisterin des Belcanto. Sie, die an allen renommierten Opernhäusern der Welt zuhause ist, kehrt immer wieder nach Frankfurt zurück. Vor kurzem sprang sie in der konzertanten „La Traviata“ als Violetta ein. Das Publikum wollte sie nicht von der Bühne gehen lassen. In „I Puritani“ ist nicht nur ihre Stimme umwerfend, sondern auch ihr Spiel. Sehr differenziert gestaltet sie die Rolle der Elvira: strahlende Gesichtszüge bei Glück, im Wahn überzeugend irre.

John Osborn, der 2014 als Werther sein Rollendebüt in Frankfurt gab, zählt zu den führenden Belcantosängern der Welt. Als Arturo schaffte er mühelos das hohe F. Die weiteren Sänger kommen aus dem Ensemble: es sind der ukrainische Bariton Iurii Samoilov als Sir Riccardo.

Iurii Samoilov (Sir Riccardo Forth) und Brenda Rae (Elvira) 

Iurii Samoilov (Sir Riccardo Forth) und Brenda Rae (Elvira) und der koreanische Bassbariton Kihwan Sim als Sir Giorgio. Die beiden bestimmen das Geschehen des 2. Aktes. Giorgio, Elviras Onkel, beschwört den tief verletzten, widerstrebenden Riccardo,  Arturo, der zum Tode verurteilt wurde, zu retten und somit auch Elvira. (O rendetemi la speme /  O  gebt mir die Hoffnung wieder). Das Publikum war hingerissen und berührt von dem Gesang der beiden Männer.

Kihwan Sim, Foto: Renate Feyerbacher

In kleineren Rollen gefallen Thomas Faulkner und Michael Porter, die wie Samoilov und Sim aus dem Opernstudio hervorgingen. Die Neuseeländerin Bianca Andrew, noch Mitglied im Opernstudio, überraschte als Enrichetta. Wieder zeigen sich die Vorzüge des Frankfurter Opern-Ensembles und Opernstudios. Die Tänzerin Sofia Pintzou als Todesengel ist nur gelegentlich präsent. Aber diese Momente sind tiefgehend.

Diesen  beeindruckenden Opernabend, dessen Inszenierung vielleicht dem einen oder andern nicht gefallen könnte, sollte man sich wegen der Musik und wegen des Gesangs dennoch nicht entgehen lassen. Brenda Rae ist den ganzen Dezember als Elvira noch dabei. Im Januar wird die Rolle von der Tschechin Zuzana Marková, die ihr Debüt in Frankfurt gibt, übernommen. Sie wird die Partie der Elvira auch in Lüttich singen.

Weitere Vorstellungen sind vorgesehen am 8. Dezember, – danach „Oper lieben“ mit Brendae Rae, John Osborn und Intendant Bernd Loebe -,  am 14., 16., 21., 26. und 28. Dezember 2018 sowie am 4., 12. und 18.Januar 2019 (zum letzten Mal in dieser Spielzeit).

 

 

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