Das Béjart Ballet Lausanne und klassischer indischer Tanz auf Spitzenschuhen
Vor über dreißig Jahren ist Béjart mit seiner damaligen Kompanie, dem Ballet du 20 siècle, nach Lausanne gezogen. Eine Reminiszenz an den der großen Choreografen Maurice Béjart
von Simone Hamm
Béjart fête Maurice, Foto: Lauren Pasche / Theater Bonn
Die Perkussionisten steigen auf ein Podest mit Schlaginstrumenten oder Geräten, die zu Schlagwerken werden können, wie etwa einer großen Tafel, auf der sie mit Holzstäben wie mit einem Federkiel kratzen. Denn sie schreiben einen Brief.
Zu beobachten sind Briefeschreiber, Tänzer und Musiker im Theater Bonn, wo sie in der Reihe „Highlights des internationalen Tanzes“ ein Gastspiel geben.
Szene aus t“m te variations“; Foto: Francette Levieux/ Theater Bonn
In „t’m te variations“ schreibt Choreograph Gil Roman einen Dankes- und Liebesbrief an seinen Lehrer Maurice Béjart, der vor fast zwanzig Jahren gestorben ist. Vor über dreißig Jahren ist Béjart mit seiner damaligen Kompanie, dem Ballet du 20 siècle, nach Lausanne gezogen.
Und nun: Paare, Solotänzer, kleine und große Gruppen treten auf, manchmal geradezu sportlich am Boden, dann wieder elegant im pas de deux oder witzig, wenn etwa Geishas goldene Ballettschuhe, die ihnen ins Gesicht fallen, am Hut tragen.
Nach der Pause dann Gil Romans Reminiszenz an Béjart: Béjart fête Maurice. „Ich habe Ausschnitte aus Choreografien Béjarts herausgesucht, als ob ich eine Party vorbereiten würde“, schreibt Roman „oder als ob ich Lieder für einen Liederabend zusammenstelle. Kann das gut gehen? The best of Béjart, Béjart light, sozusagen? Wie werden die Stücke aus den unterschiedlichsten Epochenheute wirken, dargebracht in schneller Folge?
Um es gleich vorwegzunehmen, es funktionierte großartig. Béjarts Choreografien haben nichts von ihrer Frische, ihrem Charme verloren. Béjart, 1959 berühmt geworden mit seiner Interpretation des „Feuervogel“ von Igor Stravinsky in Brüssel, hatte zunächst in Brüssel, später in Dakar, die Mudra Schule gegründet, benannt nach indischen Gesten. Denn er war fasziniert vom indischen Tanz. Béjart war ein kultureller Kosmopolit. Und er war offen für Musik und Tanz aus aller Welt.
Zu Beginn und am Ende stehen Szenen von „1789“, aus dem Jahr 1989. Zur Beethovenmusik tanzt das gesamte große Ensemble: musikalisch, präzise und eine Augenweide. Sie erobern die Bühne. Dann treten einzelne Zweiergruppen heraus, dann wieder kleine Gruppen von Männern oder Frauen, schließlich sind wieder alle auf der Bühne – in der Mitte, im Zentrum steht Gil Romain, zu dem alle aufschauen.
Vito Pausini und Jasmin Cammarota, Foto: Ilia Chkolnik/ Theater Bonn
„Dibouk“ ist ein Stück ganz in schwarz und weiß, den Farben der Kabbala, gehalten. Zu schneller jiddischer Musik tanzen Jasmin Cammarota und Vito Pausini. Sie trägt ein weites, weißes Gewand und die Haare sind zu Zöpfen geflochten. Er ist ganz in schwarz mit Weste und Kippa. Während die Musik schnell und rhythmisch ist, bleiben die Bewegungen der Tänzer ganz langsam. Das ist ein interessanter, sehr spannender Gegensatz.
In einem pas de deux aus „Heliogabale“ , entstanden 1977, tanzen Alanna Archibald und Federico Matetich zu Musik aus dem Tschad, zu Trommeln und Flöten. Sie tragen fleischfarbene enganliegende Strumpfhosen. Dabei wirken ihre rituell anmutenden Bewegungen kaleideskopartig. Die Bewegungen der Tänzerin werden exakt vom Tänzer gespiegelt und umgekehrt. Ein zweites Parr kommt hinzu, verdoppelt die Bewegungen noch einmal. Existentiell der Tanz, reduziert aufs Äußerste!
Szene aus Heliogabale, Foto: Gregory Batardon / Theater Bonn
Die älteste Choreographie ist immer noch einer der schönsten: Bhakti aus dem Jahre 1968 zu traditioneller indischer Musik. Klassischer indischer Tanz auf Spitzenschuhen. Shiva, Gott des Tanzes und der Zerstörung und seine Gattin Shakti tragen rote hautenge Trikots. Wenn sie in Liebe vereint sind, sind die Körper ineinander verschlungen, die Muskeln angespannt, die Bewegungen vorsichtig. Wenn Mari Ohashi sich von ihrem Partner löst, ist sie graziös, macht kleine Schritte, holt zu Pirouetten, Drehungen aus. Kraftvoll sind die Bewegungen von Fabrice Gallarrague, kleine Sprünge, weite Armbewegungen. Wenn sich die Götter streiten, ist das pure Energie und macht atemlos. Perfekter kann man indischen und europäischen Tanz nicht miteinander verbinden.