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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Zeigen & Sagen – Sieben Künstler sehen die Kunstsammlung der Deutschen Bundesbank

Vertrautes und Fremdes – Leipziger Blick auf Frankfurter Schätze

Unsere Kunstsammlung soll keine historische Schatzkammer sein, sagte Bundesbankpräsident Jens Weidmann anlässlich der Eröffnung der Ausstellung ,Zeigen & Sagen. Sieben Künstler sehen die Kunstsammlung der Deutschen Bundesbank‘. Mit den regelmäßigen Kunstausstellungen im Geldmuseum macht die Bundesbank die Werke ihrer Kunstsammlung auch außerhalb der eigenen Bürogebäude zugänglich. Diesmal gibt es zu den Gegenüberstellungen mit den gesammelten Schätzen überraschend Frisches und Hintersinniges aus Leipzig.

Von Petra Kammann

Hereinspaziert in die Kunstausstellung im Geldmuseum in der Deutschen Bundesbank
Alle Fotos: Petra Kammann

Eröffnungsrede von Bundesbankpräsident Jens Weidmann

Angefangen hatte es so: Der Leipziger Künstler Hans Aichinger war von der Bundesbank eingeladen worden, einen Blick auf deren Kunstsammlung zu werfen, um eine Ausstellung zu kuratieren, die seiner künstlerischen Perspektive entsprechen sollte. Der wiederum bat dann sechs weitere Künstlerinnen und Künstler aus seinem Leipziger Umfeld, sich jeweils ein Gemälde aus der Sammlung auszusuchen, um es dann jeweils einem eigenen Werk gegenüberzustellen. Aichinger war daran interessiert zu erfahren und zu sehen, wie durch den „Wechsel der Blickrichtung“ eine Art unmittelbarer Dialog mit dem Werk eines anderen Künstlers zustande kommen könnte, und das jenseits historischer oder kunstwissenschaftlicher Einordnungen.

Für ihn stellten sich vielmehr andere Fragen wie: Was ist im Vergleich zu einem Werk eines anderen renommierten Künstlers gewissermaßen das Pendant zur eigenen Wahrnehmung? Gibt es eine innere Verwandtschaft zu Bildern oder ist es eher der Kontrast, der für mich etwas ausdrückt, was sich nicht sagen lässt? Hinter dem Motto „Zeigen & Sagen“ verbirgt sich somit die Aufforderung zu genauem Hinsehen und Reflektieren. Können wir das sagen, was wir sehen? Und entspricht das Gesagte dem Gesehenen?

Aichinger hatte sich zum Ziel gesetzt, Künstler aus seinem Umfeld einzuladen, sich jeweils ein Gemälde aus der Bundesbank-Sammlung auszusuchen, um es dann in der Ausstellung einer eigenen Arbeit gegenüberzustellen. Die Wahl der dafür seiner Meinung nach in Frage kommenden  Künstlern fiel vorzugsweise auf Akteure der im weitesten Sinne „Leipziger Schule“, die ihren konkreten Sitz in der Baumwollspinnerei, einem Kulturzentrum in einem ehemaligen Industriegelände, hat, in dem nicht nur Aichingers eigenes Atelier liegt, sondern auch auch das von Tilo Baumgärtel und Rosa Loy, und übrigens auch von dem Vertreter der „Leipziger Schule“, der den meisten wohl bekannt sein dürfte: von Neo Rauch. Der jedoch ist hier nicht zu sehen, wohl aber seine Frau Rosa Loy.

Gegenwart und jüngere Vergangenheit zu verbinden, passe zum Kunstengagement der Bundesbank, sagte Weidmann in seiner Begrüßungsrede. Aus dieser Überlegung heraus bringt die aktuelle Ausstellung Kunstwerke aus der Sammlung der Bundesbank und Arbeiten zeitgenössischer Leipziger Künstler zusammen. Künstler, Galeristen und so renommierte Kuratoren und Kritiker wie Mark Gisbourne waren herbeigeeilt, um diese kleine feine Ausstellung zu eröffnen.

Rosa Loy vor ihrem Bild „Keim“  von 2013, Kasein auf Leinwand 70 x 200

Rosa Loy hat ihr Bild „Keim“ von 2013 dem Gemälde „Hemmenhofen (Herbst am See)“ von Otto Dix aus dem Jahr 1949 gegenübergestellt –  zwei Herbstbilder, welche die Natur, den Raum zwischen Himmel und Erde, eröffnen. Es erinnerte sie an ihre eigenen zu ihren Wurzeln, ihre Landschaft, der sie sich sehr verbunden fühlt. Loy geht aber auch einen Schritt weiter, Die Frau bindet sich in die Natur ein, blickt nach vor und zurück und stellt dabei aber auch die weibliche Identität von heute in Frage. Eva springt aktiv aus dem Nest und aus dem Ei…

Der Leipziger Galerist Torsten Reiter

Im Zentrum der Leipziger ,Spinnerei‘ wird mehrfädig gesponnen. Da finden sich neben den Cafés, den graphischen Betrieben, Werkstätten und Ateliers eben auch die für die Künstler so wichtigen Galerien. Man denke nur an so renommierte Galerien wie EIGEN + ART, Torsten Reiter oder die Galerie Kleindienst. Insofern waren auch die Galeristen nach Frankfurt gekommen. Torsten Reiter hat sogar in der Bundesbank in dem schwer zu bespielenden und nicht allzu großen Raum die Ausstellungsarchitektur entwickelt.

Ausgestellt wurden dort dann 7  in Leipzig arbeitender Künstler: Hans Aichinger, Tilo Baumgärtel, Katrin Brause a.k.a. Heichel, Martin Kobe, Rosa Loy, Christoph Ruckhäberle und Rigo Schmidt, die mit teils gegenüberhängenden Werken von Gerhard Altenbourg, Otto Dix, Isa Genzken, Hermann Glöckner, Karl Hofer, Per Kirkeby und Ernst Wilhelm Nay korrespondieren.

Einführungsrede von Alfred Weidinger, Direktor des Museums der bildenden Künste Leipzig

Der Österreicher Alfred Weidinger wiederum, seit 2017 Direktor des Museum der bildenden Künste Leipzig (MdbK), gab einen amüsanten Überblick über das, was das Leipziger Museum beherberge – etwa im Gegensatz zum fürstlich-höfischen Dresden – und was die „Leipziger Schule“ ausmache. Dabei konnte er als „Elendsverwalter“ – so seine Selbstbezeichung – eines relativ jungen Museums mit über 4.600 Gemälden, 1.800 Plastiken, Skulpturen, Medaillen und Plaketten, über 5.000 Fotografien sowie über 70.000 Arbeiten auf Papier doch auf einen entschiedenen Vorteil des Standorts Leipzig verweisen, wo er bei seinen Künstlerbesuchen in Leipzig jeden Tag ein „neues Fenster“ aufstoßen könne, so kreativ und anregend sei die dortige künstlerische Szene.

Blick in die Ausstellung

In der Kunst scheint eine Lücke auf, die ein völlig anderes Sprechen und Zeigen möglich macht, sagte Aichinger nicht zuletzt, um den Ausstellungstitel der Schau „Zeigen & Sagen“ in seiner Einführungsrede zu begründen. Dabei bezog er sich auf den „Traktatus“ des Philosophen Ludwig Wittgenstein, diesen reflektierend. Über das, was man sehe, darüber müsse nicht gesprochen werden. Und er nahm Bezug auf den Ort der Ausstellung, indem er dafür einen weiteren für ihn bedeutsamen Philosophen, nämlich Martin Heidegger, ins Feld führte und dessen Begriff des „weltlosen Ortes“ thematisierte.

Hyperrealistisch, so dass man beinahe jedes feine Härchen sehen kann, und zugleich in einer stilllebenhaft magisch beleuchteten Szene malt der Leipziger Künstler Hans Aichinger in seinem Gemälde „Finsternis“ seine Zweifel aus. Seine Figuren – eine Tochter und eine Freundin – scheinen förmlich aus dem Dunkel zu wachsen. Durch die Beleuchtung wie durch seine altmeisterliche Malerei und Lasurtechnik erzeugt der Künstler Aichinger ein hochkonzentriertes Empfinden einer imaginären Raumtiefe und lässt so eine fast überwirkliche Situation entstehen. Und doch sind die Mädchen in ihren rot und grün-glänzenden Sportjacken so alltäglich wie gegenwärtig.

Hans Aichinger vor seinem Gemälde „Unruhe“ 

Dabei stellt der Maler die Frage nach dem Blick zweier junger pubertierender Mädchen auf die Welt, er beobachtet ihr unbekümmertes Spiel, ihr sich Ertapptsfühlen und ihren fragenden Blick, der sich so selbstbewusst wie zweifelnd an den Betrachter wendet. Dennoch geht es Aichinger beim Erfassen der Szene nicht etwa um eine moralische Botschaft, sondern eher um ein spielerisches Experiment, das sich eindeutiger Antworten entzieht: hochkomplex, rätselhaft und von eigentümlich barocker Schönheit. Unmerklich macht er sich wie den Betrachter zum Komplizen und wirft damit neue Fragen auf.

Was auf den ersten Blick nicht logisch erscheint, dass er selbst aus der Bundesbank-Sammlung das abstrakte Gemälde „Firmament“ von Ernst Wilhelm Nay als Pendant zu seinem Werk ausgesucht hat. Bei genauerer Betrachtung wirkt es dann doch überzeugend. Er stellt seine Arbeit in Beziehung zu dem kraftvollen abstrakten Gemälde aus Nays Serie der Augenbilder, die der Künstler ab 1963 schuf und in der er sich auch mit dem Thema Wahrnehmung und Abstraktion beschäftigte. Augen, die einen ansehen und der Blick darauf wieder in das Bild mit seinen großzügigen Farbflächen zieht. Für Aichinger war in dem komplementären Bild des Malers der klassischen Moderne das Entscheidende, das beide Künstler verbindet, die beunruhigende Unmittelbarkeit des Wahrnehmens und des intuitiven Umsetzens in Malerei: „Wir sehen und werden angesehen“…

Tilo Baumgärtel vor seiner fast surrealen Kohlezeichnung „Far away“ von 2014 mit der Fantasie von weiblich-mythischen Meereswesen 

Tilo Baumgärtel wiederum fühlte sich von der Kuriosität des Sonderlings Gerhard Altenbourg und dessen genauer und subtiler Kreide-Tuschezeichnung „Und dann war es ein großer Berg“ von 1963 angezogen: „Altenbourg ergriff mich mit seinem Alphabet fein gefilterter Zeichen. Eine Sprache, die ich fühlen kann, die sich Zeit lässt, die sich überträgt. Wer so genau ist, wird zum Außenseiter… zum Besonderen. Eine Rolle, die in der Kunst ständig neu besetzt werden muss.“

Tatsächlich, geht man nach dem Abend der Vernissage mit anderen Augen wieder heraus, hat einen anderen Blick auf die abendlich beleuchtete Stadt und sinnt noch über die neue Bildlichkeit und eine Bildsprache nach, die ganz eigenen Gesetzen folgt, gleich ob abstrakt oder bildhaft. Was bleibt, sind verschiedene Bilder im Kopf.

 

Beteiligte Künstlerinnen und Künstler

Hans Aichinger, Tilo Baumgärtel, Katrin Heichel, Martin Kobe, Rosa Loy, Christoph Ruckhäberle, Rigo Schmidt

Kurator der Ausstellung

Hans Aichinger

Das Geldmuseum  präsentiert vom 26. November 2018 bis 24. Februar 2019 die Kunstausstellung ,Zeigen & Sagen. Sieben Künstler sehen die Kunstsammlung der Deutschen Bundesbank‘.

Mit den regelmäßigen Kunstausstellungen im Geldmuseum Frankfurt macht die Bundesbank die Werke ihrer Kunstsammlung auch außerhalb der eigenen Bürogebäude während der Öffnungszeiten des Geldmuseums zugänglich.

Die Ausstellung kann von Sonntag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr besucht werden. Das Museum ist barrierefrei, der Eintritt  kostenfrei.

 

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