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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Remember: 30Jahre Jüdisches Museum Frankfurt und Open House auf der Museumsbaustelle am Rothschild-Palais

Zwischen Unterwegssein und Ankommen

Openhouse vom 10. bis 15. November auf der Baustelle des Jüdischen Museums mit Partys, Streetfood, Filmen und Artist talks 

Einladung auf die Baustelle: Mirjam Wenzel, Direktorin des Jüdischen Museums; Fotos: Petra Kammann

Als das Jüdische Museum Frankfurt vor 30 Jahren am 50. Jahrestag der Novemberpogrome, dem 9. November 1988, durch Bundeskanzler Helmut Kohl eröffnet wurde, war es das erste eigenständige große Jüdische Museum im deutsch-sprachigen Raum. Zeitgleich entstanden vielerorts Initiativen, die sich dem lokalen jüdischen Leben vor der Schoa widmeten und Gedenkstätten in ehemaligen Synagogen oder anderen Erinnerungsorten einrichteten. Mit dem Jüdischen Museum Frankfurt (JMF) und den damit zusammenhängenden Initiativen entwickelte sich eine jüdische Museumswissenschaft, die sich in erster Linie mit dem Verlust von physischen und immateriellen Beständen der vergangenen deutsch-jüdischen Kultur befasste. Es galt, deren Reste zu sammeln und zu bewahren sowie deren Pracht in Ausstellungen zu vermitteln. Seit seiner Eröffnung veranstaltete das Museum jedes Jahr rund um den 9. November eine Lernnacht. Anlässlich des diesjährigen Jubiläums macht es nun die Nacht zum Tag und präsentiert #30JahreJMF, die Highlights unserer Social-Media- Kampagne 30 Jahre – 30 Geschichten.

Im Laufe von 30 Jahren ist viel passiert: Neue, noch größere Jüdische Museen sind entstanden, und mit ihnen auch neue Perspektiven auf jüdische Geschichte und Kultur in Europa. An die Stelle des Verlusts ist vielerorts der Bezug auf jüdische Kulturen der Gegenwart getreten. An die Stelle einer gesonderten Erzählung jüdischer Geschichte wurde die Betrachtung jüdischer Erfahrungen innerhalb der allgemeinen Geschichte gerückt. Und auch die Beschäftigung mit den Kulturen und der Geschichte anderer gesellschaftlicher Minderheiten hat zunehmend an Bedeutung gewonnen. In seinen beiden neuen permanenten Dauerausstellungen greift das Jüdische Museum Frankfurt diese veränderten Perspektiven auf und schreibt sie weiter fort.

 Per Petersen von Staab Architekten aus Berlin beim Richtfest des Neubaus, „Eine neue Adresse im Rücken des bestehenden Museumsgebäudes zu organisieren, ein Haus zu entwickeln, welches Sicherheit mit Offenheit verbindet und beste Voraussetzungen für einen lebendigen Museumsbetrieb bereitstellt – das war die nicht ganz einfache architektonische Aufgabe“, sagt Volker Staab 

Mit einem fünftägigen Event, vom 10. bis 15. November, werden 30 Jahre Jüdisches Museum gefeiert. Da treffen zeitgenössische Kunst auf Street Food und jüdische Kultur auf Zukunftsmusik.

Ein Open House Programm reflektiert die Übergangssituation, in der sich das Jüdische Museum Frankfurt derzeit befindet, und rückt diese in den Kontext der jüdischen Geschichte und Gegenwart. Im Unterschied zu den temporären Bauten, die das Museum in den vergangenen Jahren in Anlehnung an die nomadische Geschichte der Israeliten errichtete, bezieht es in diesem Jahr das Gebäude mit offenen Türen, das zukünftig sein Zuhause sein soll. Das noch unfertige Haus wird zum Ausgangspunkt einer Auseinandersetzung mit dem Unterwegssein und der Idee des Ankommens in jüdischer Zeitgeschichte und gegenwärtiger Kultur.

In einem ganztägigen Symposium „30 Jahre jüdische Museologie“ widmet sich am Samstag, 11. November, 14 Uhr, Museumsbaustelle am Rothschild-Palais, Untermainkai 15, in 60311 Frankfurt das Museum den vergangenen drei Jahrzehnten jüdischer Museologie und diskutiert über die Zukunft. Dafür wurden illustre Gäste eingeladen: Frankfurter Persönlichkeiten berichten von den Anfangsjahren des Jüdischen Museums, internationale Museumsfachleute sprechen über gegenwärtigen Tendenzen und werfen einen Blick auf die zukünftigen Entwicklungen und Themen Jüdischer Museen in Europa. (Anmeldung erforderlich!)

Der Rothschild-Palais Untermainkai 15. So kennen viele noch das „erste“ Jüdische Museum 

Die Ausstellung zeitgenössischer Kunst im Erdgeschoss des Rothschild-Palais lädt dazu ein, über Erinnerungen, Übergänge und die Zerbrechlichkeit der Gegenwart nachzudenken. Lernen Sie die Künstler*innen Dana Levy, Ilana Salama Ortar und Nir Alon bei unseren Artist Talks persönlich kennenlernen. Drei Videoarbeiten von Dana Levy thematisieren das Spannungsfeld zwischen räumlicher Präsenz und zeitlicher Distanz .

Die Installation „Encapsulation“ (2013, dt. wörtlich: Verkapselung) der in Frankfurt lebenden Künstlerin Ilana Salama Ortar wiederum zeigt den Prozess einer Reifung, der zugleich auch eine Veränderung darstellt. In vasenähnlichen Behältern wurden Objekte oder Schriften – persönliche Zeugnisse der Künstlerin – eingelagert. Mal handelt es sich um den Stoffrest einer Webarbeit ihrer Großmutter, der sie an die verlorene Heimat erinnert, mal um eine ihrer eigenen Zeichnungen, die sie erst zerstört hat, um sie anschließend mit einem Metallfaden wieder zu verbinden.

Am Montag, den 12. November um 19 Uhr wird es ein Gespräch mit Volker Reiche, Werner d’Inka und Anne-Hélène Hoog über Manu und Saul. Sie stellen sich die Frage: Der Comic als Kommentar zum Zeitgeschehen? .

Der Dienstag, der 13. November 19 Uhr ist dem Film „Auf Gepackten Koffern“ gewidmet. Der Dokumentarfilm – im Original „On Packed Suitcases“  – von Itai Lev erzählt die Entstehungsgeschichte der jüdischen Gemeinschaft in Frankfurt nach der Schoa. Mit bislang unbekanntem filmischem Archivmaterial und in einfühlsamen Interviews zeichnet der Film die psychischen Dilemmata jüdischen Lebens im Land der Täter nach. Er heftet sich dabei an die Geschichte von Jossi Reich und folgt dem Sänger der Jewish Monkeys auf seinen Touren im Auto durch die Stadt sowie und auf die Bühnen von Frankfurt, Tel Aviv und Europa. Im Anschluss an die Filmvorführung berichtet der Filmemacher Itai Lev über die Entstehungsgeschichte. Außerdem wird Jossi Reich an diesem Abend auch vor Ort sein. Danach gibt es noch eine musikalische Überraschung. Veranstaltungsort: Jüdisches Museum Frankfurt, Untermainkai 14, 60311 Frankfurt.

Am Mittwoch, 14. November, 19 Uhr, wird es eine Lesung und ein Streitgesprächin der Museumsbaustelle am Rothschild-Palais mit dem Lyriker, Autor, Kurator und Politikwissenschaftler Max Czollek, Dr. Meron Mendel, Leiter der Bildungsstätte Anne Frank, und Sabena Donath, Leiterin der Bildungsabteilung des Zentralrats der Juden in Deutschland, geben, und zwar über Czolleks Buch „Desintegriert euch!“ Im Anschluss überrascht Czollek dann als DJ.

Am Donnerstag, 15. November, 19 Uhr, wird es  in der Museumsbaustelle am Rothschild-Palais die Performance „nicht von hier irgendwo“ von Futur II Konjunktiv mit anschließendem Artist Talk geben.

Der Erweiterungsbau noch im Rohbau zum Richtfest. Etwa 3500 Quadratmeter zusätzlichen Platz wird das Museum haben, wenn es im Sommer 2019 neu eröffnet werden soll

Die Erweiterung der beiden am Frankfurter Mainufer gelegenen historischen Palais öffnet das Jüdische Museum nun einem größeren Publikum. Wechselausstellungen, ein Bereich für Vorträge und Symposien, eine Fachbibliothek und ein offener entliches Café bilden neben Werkstätten und Verwaltungsräumen die Bestandteile des ambitionierten Raumprogramms, das die Dauerausstellung in den historischen Gebäuden ergänzt. Neubau und Bestandsbauten werden in Zukunft als Ensemble in Erscheinung treten, das die vielfältige Arbeit des Museums im Stadtraum deutlicher repräsentieren wird. Masel tow!

Kunst und Knisches: Quick Lunch im Museum

Bei den täglichen Kunst-und-Knisches-Intermezzi bringen Ihnen von Sonntag bis Donnerstag, ab 13 Uhr, die Kurator*innen nicht nur die zeitgenössische Kunstausstellung, sondern auch traditionelles jüdisches Essen als Streetfood näher. Und  für die ganze Familie mit Kindern ab 5 Jahren gibt es rund um die künstlerischen Installationen im Rothschild-Palais ein Angebot zum Thema: Was macht ein Zuhause aus?

Es werden außerdem täglich Führungen über die Museumsbaustelle angeboten:
Samstag, 10. November, 24 Uhr;
Sonntag, 11. November, 12 und 15.30 Uhr;
Montag bis Donnerstag, 12.-15. November, 17 Uhr.
Der Eintritt ist frei, die Zahl der Teilnehmer*innen jedoch begrenzt.  Anmeldung unter: info@juedischesmuseum.de

Weitere Infos unter: http://www.juedischesmuseum.de

 

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