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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Best Highrises 2018/2019 im Deutschen Architekturmuseum

Internationaler Hochhauspreis 2018  in Frankfurt – Festliche Verleihung in der Paulskirche

Von Uwe Kammann

Eine schöne Formel: „Gute Bürger“ sollen die Hochhäuser sein. Mitgebracht hatte diesen Appell die Frankfurter Kulturdezernentin Ina Hartwig in die Paulskirche, welche an diesem Abend des ersten Novembertags ihr Innenkleid leicht verändert hatte, mit bläulichem Lichtspiel in den Fensterlaibungen und Projektionsflächen an den Wänden. Schließlich galt es Bilder zu zeigen: von jenen Hochhäusern, die – nun zum achten Mal seit 2004 – im Wettbewerb standen. Eben für den Internationalen Hochhauspreis den innovativsten Wolkenkratzer, in Kooperation ausgerichtet von der Stadt Frankfurt, dem Deutschen Architekturmuseum (DAM) und der DekaBank, dotiert mit immerhin 50.000 Euro.

Kulturdezernentin Ina Hartwig hatte auch an den Jurysitzungen teilgenommen, Foto: Petra Kammann

Mindestens 100 Meter hoch müssen sie sein, die Türme (englisch geht’s um Anstieg: highrises), fertiggestellt in den letzten zwei Jahren. Zu den Kriterien der Jury gehören: der Beitrag der Hochhäuser zum Stadtgefüge und zum urbanen Leben, des weiteren die skulpturalen Qualitäten, die das statische Konzept, die Nutzungsmischung, die Balance zwischen Wirtschaft und Kultur. Auch die „übergeifende Aussage“ soll von der Jury gewürdigt werden – ein sehr weiter und weicher Begriff, so scheint es.

Peter Cachola Schmal in der Frankfurter Paulskirche, einem unverwechselbaren Ort für die Verleihung des Highrise Awards, Foto: Petra Kammann

Nun, inwieweit können Hochhäuser – über 1000 wurden in den letzten beiden Jahren weltweit gebaut, 36 von ihnen wurden im Rahmen des jetzigen Wettbewerbs nominiert – tatsächlich dem „Gute-Bürger“-Wunsch entsprechen, in welcher Form können sie der Stadt „etwas bieten“ (Hartwig) oder „zurückgeben“ (Juryvorsitzender Kai-Uwe Bergmann)? Welche Bezüge können sie herstellen, mit welchen Qualitäten können sie die Stadtgesellschaft bereichern?

Natürlich ist es schwer, aus den Fotos und Beschreibungen der drei Dutzend nominierten Bauten (die wiederum in der Endrunde auf fünf Finalisten konzentriert wurden, alle in Wort und Bild vorgestellt in der Paulskirche) die einzelnen Qualitäten im Detail und im Verbund abzulesen. Eines allerdings drängt sich als Rückschluss auf: Viele der nach gründlichen Eigenrecherchen ausgewählten Best-Beispiele fallen zunächst durch ihre äußere Sprache auf. Vor allem eben durch die skulpturale Qualität, durch die Extravaganz ihrer Fassaden, durch das Spiel mit Großformen, mit Volumina, mit Verschränkungen und Schichtungen, mit zeichenhaften Formgebungen – seien diese nun früheren Bautraditionen verhaftet, seien sie aus dem Katalog des Witzigen oder des Spannungsreichen entnommen.

Wie alle genannten Preis-Kriterien in der Kombination gewichtet und gewertet werden und wurden: Das kann nur die Jury in ihrem Diskurs genauer erörtert und beschrieben haben, hier wären die Protokolle sicher aufschlussreich.

Erster Preis für L. Benjamín Romano: Torre Reforma, Mexico City, MexicoPhoto: Alfonso Merchand 

Zum ersten Preis – gekürt wurde der Torre Reforma in Mexico City, entworfen vom mexikanischen Architekten Benjamin Romano – ist im Katalog zur begleitenden Ausstellung im DAM zu lesen, dass Ingenieure und Architekten gleichermaßen begeistert gewesen seien. Der 246 Meter hohe Turm sei meisterhafter Ausdruck eines neuen Nachdenkens über den Typus des Hochhauses. Das Gebäude verkörpere in den Augen der gesamten Jury all das, was sich der Architekt selbst zum Ziel gesetzt habe: „nachhaltige Architektur, architektonische Gliederung, High-Tech und deren künstlerische Verbindung“.

Nun, was zweifellos auffällt, wenn man die Fotos betrachtet, ist die hohe skulpturale Qualität, gewonnen auch aus der Verbindung sehr unterschiedlicher Elemente. Auf einem dreieckigen Grundriss tragen zwei massive Außenwände aus Sichtbeton wie geöffnete Schenkel einen Innenkörper, dessen Etagen zur dritten Seite mit einer strukturierten Glasfassade abgeschlossen sind – gleichsamals hohes, in sich abgeknickte Fenster zum repräsentativen Boulevard Paseo de la Reforma, an dem das Haus steht und von dem es sich ein Zitat auf ingeniöse Weise am Fuß einverleibt hat: eine historische Villa, per Verschiebung in den Riesen hineinoperiert wie der historische Hotel-Kaisersaal in das Berliner Sony-Center am Potsdamer Platz.

Laudator und Juryvorsitzender Kai-Uwe Bergmann vom Büro B.I.G, Foto: Petra Kammann 

Der Juryvorsitzende, Kai-Uwe Bergmann vom Büro B.I.G (Preisträger 2016 mit einem pfiffigen Ney Yorker Wohn-Segel), hob in seiner Laudatio die intelligente, auch aus Gründen der Erdbebensicherheit gewählte Verbindung von Massivität und Öffnung hervor. Was in der Gesamtgestalt, so Matthias Danne, Vorstandsmitglied des Preis-Partnerinstituts DekaBank, an ein geöffnetes Buch erinnere. Auch der Begriff Obelisk wurde als Charakteristikum gebraucht, ebenso wie „Mexikanität“, festgemacht auch an uralten Baumethoden der Azteken.

Diese Verankerung auch in der geografischen Tradition machte den bei seiner Dankesrede sichtlich gerührten Benjamin Romano stolz. Nicht zuletzt, weil es das erste Mal ist, dass dieser weltweit beachtete und geschätzte Hochhauspreis an einen Vertreter des mittelamerikanischen Landes gegangen ist. DAM-Direktor Peter Cachola Schmal wiederum wies (nicht ohne Erstaunen?) in einer Skizze der Gesamtsituation darauf hin, dass Europa diesmal nicht im Fokus der herausragenden Beispiel gestanden habe.

Zwar seien europäische Architekten gut zur Hälfte die Urheber der  nominierten Bauten, doch die Standorte seien inzwischen mehrheitlich in den Großregionen Asien (allein neunmal China), Nordamerika, Nahost und Australien zu finden, mit klaren städtischen Schwerpunkten zudem: fünf Bauten in New York, vier in Singapur. Diese Relationen müsse auch vor Augen haben, wer die hiesige Planung beurteile: Während in Frankfurt 15 Projekte geplant seien, habe Toronto allein 250 Türme projektiert. Deutschland übrigens war mit dem Henninger Turm (Büro Meixner, Schlüter, Wendt) diesmal in die Nominierungszone gekommen, zudem waren auch weitere deutsche Architekten prominent vertreten: mit Ingenhoven, Ole Scheeren, gmp – aber eben mit Bauten außerhalb Europas.

Benjamín Romano mit Frau und Tochter, die sich ebenso sehr über den ersten Preis freuten, Foto: Petra Kammann

Was das in diesem Jahr einstimmig als Sieger ausgezeichnete Hochhaus nicht aufweist: die auf der allgemeinen Wunschliste verzeichnete vielfältige Mischnutzung. Hier, auf den jeweils in Vierterblöcken gegliederten weiten Etagen ohne innere Stützen, dominieren Büros (für 4.500 Mitarbeiter), dazu gibt es ein Restaurant und ein Fitness-Center. Was der Torre Reforma damit aber auch nicht ist: eine vertikale Stadt, eine in sich abgeschlossene Einheit (autonom?, autistisch?), wie sie andernorts zu den Tendenzen in den dynamisch wachsenden Agglomerationen gehört.

Natürlich ist auch zu fragen: Wie steht es mit der sozialen Einbindung dieser hervorgehobenen Bauten? Augenscheinlich ist: Sie alle gehören zu den luxuriösen Vertretern des Highrise-Bauens, sind nicht bezogen auf das Ziel, Lösungen für die drängende Frage anzubieten, wie stark zunehmende normalverdienende Bevölkerungsgruppen menschenwürdig untergebracht werden können.

Im Allgemeinen Statement der Jury, das den Auftakt zum Katalog bildet, heißt es zu den fünf Finalisten: „Das mexikanische, das nahöstliche und die drei asiatischen Projekte finden eine je einzigartige Interpretation ihrer Typologie – sei es ein agiler Büroturm (Torre Reforma), ein gestapelter Wohnturm (Beirut Teraces), ein mischgenutzter Hochhausgarten (Oasia Hotel Downtown), ein lokal verwurzeltes Ensemble (Chaoyang Park Plaza) oder ein Hotel in Gestalt einer verpixelten Skulptur (MahaNakhon).“

Elegant und leicht: Herzog & de Meurons Beirut Terraces, Beirut, LebanonPhoto: Iwan Baan 

Wer die nominierten Bauten im Katalog Revue passieren lässt, der wird leicht zum Schluss kommen: Hier wird einer Bauform geschmeichelt, die im Kern das birgt, was schon die Geschlechtertürme im toskanischen Städtchen San Gimignano auszeichnet: das Streben nach Dominanz, nach stolz ausgestellter Macht, nach dem Glänzen mit Reichtum, Perfekte Beispiele dafür sind die zwei Hochhaus-Nadeln von Kohn Pedersen Fox Associates, 555 Meter hoch jene in Seoul, 600 Meter hoch jene im chinesischen Shenzhen.

Manche Häuser wirken aufdringlich modisch (wie das Mahanakhondes Finalisten Ole Scheeren in Bangkok) oder merkwürdig plump-kolossal, wie die Amorepacific Headquarters des sonst so sensiblen David Chipperfield. Auch UNStudio hat mit Raffles City im chinesischen Hangzhou zwei modisch geschwungene Doppeltürme entworfen. Es ist wohl diese Tendenz, die den früheren Berliner Bausenator angesichts der bisherigen Modelle des Frankfurter Four-Quartiers mit vier Türmen vom gleichen Büro befürchten lässt, hier entstehe reine Design-Architektur.

MAD Architects: Chaoyang Park Plaza, Beijing, China,Photo: Hufton + Crow 

Natürlich, im Rahmen eines Hochhaus-Preises, noch dazu eines internationalen, werden die städtebaulichen Bezüge nicht im Vordergrund stehen, auch wenn die Grundfrage „Was bringen die Türme der Stadt zurück?“ bei der Preisverleihung in der Paulskirche ja gestellt wurde und die Formel von den Häusern als „Bürgern der Stadt“ einen schönen Fingerzeig gab. Auffällig ist aber allemal, jedenfalls vordergründig, dass bei vielen der gezeigten und hervorgehobenen Vertretern andere Motive das Bauen bestimmen und auch eindeutig sichtbar sind: als in schicke Formen gegossener Kapitalismus, als repräsentatives Vorzeigen von Macht und Luxus in globaler Verflechtung. Das alles sichtbar hemmungsloser in den nicht-europäischen Wachstumsregionen.

Das alles, so ein am Schluss dominierender Gedanke, kann uns das Modell der klassischen europäischen Stadt noch sympathischer machen. Es erscheint offener, freier, einladender, in jeder Hinsicht – auch jener der sozialen und funktionalen Mischung. Eines freilich bietet es nicht: das Fanal ungezügelter Modernität. Dies zu erkennen, ist nicht zuletzt ein Gewinn des Internationalen Hochhauspreises. Gut, dass er in Frankfurt zuhause ist. Jener Stadt, die sich als Labor auch eine nagelneue Altstadt leistet.

Die Ausstellung zum Hochhauspreis ist bis zum 3. März 2019 im Deutschen Architekturmuseum zu sehen. Der im Prestel-Verlag erschienene Katalog zur Ausstellung (Best Highrises 2018/2019) kostet im Museum 22 Euro, im Buchhandel 30 Euro.

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