Kulturcampus – Ergebnisse der Machbarkeitsstudie
Kulturcampus soll internationale Strahlkraft entfalten
Der seit langem geplante Kulturcampus auf dem Gelände der verbliebenen Universitätseinrichtungen in Bockenheim soll bis Mitte der 20er Jahre verwirklicht werden. Dies bekundeten der hessische Wissenschafts- und Kulturminister Boris Rhein (CDU) und die Frankfurter Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD) auf einer gemeinsamen Pressekonferenz am 22. Oktober in Frankfurt im Juridicum auf dem Campus Bockenheim, in dem derzeit noch die kulturwissenschaftlichen Bereiche der Universität untergebracht sind.
Von Uwe Kammann
Stadt und Land ziehen an einem Strang: Frankfurts Kulturdezernentin Ina Hartwig und Wissenschafts- und Kunstminister Boris Rhein, Foto: Petra Kammann
Grundlage für die positive Einschätzung und die bekräftigte Absichtserklärung ist eine in Kooperation mit der Stadt Frankfurt entstandene Machbarkeitsstudie für das Projekt. Diese gemeinsame Studie sei eine „wichtige Weichenstellung“ (Rhein) und ein „wichtiger Meilenstein“ (Hartwig) für das Vorhaben, auf dem Gelände wissenschaftliche und künstlerische Institutionen mit Wohnen zu verknüpfen. Erstellt hat die Studie der Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen in Abstimmung mit den Fachebenen der Stadt Frankfurt und dem hessischen Wissenschafts- und Finanzministerium.
Größter Bestandteil soll nach den Ergebnissen der jetzigen Absprachen die vom Land mit 100 Millionen Euro finanzierte Hochschule für Musik und Darstellende Künste (HfMDK) werden. Die Stadt plant in direkter Nachbarschaft an der Bockenheimer Landstraße ein Zentrum der Künste, das u.a. die Dresden Frankfurt Dance Company, das Ensemble Modern und die Junge Philharmonie beherbergen soll. Außerdem ist ein sogenanntes Frankfurt LAB vorgesehen, das vielfältige experimentelle Verknüpfungen ermöglichen soll. Eines der beiden städtischen Kulturgebäude soll dabei nördlich der Bockenheimer Landstraße auf dem jetzt brachliegenden „Tortenstück“ (in Landesbesitz) vor dem als Theater dienenden Bockenheimer Depot untergebracht werden.
Hellbau im Plan: die Musik-Hochschule – dunkelblau: das Zentrum für Kunst und das Frankfurt Lab
Insgesamt, so die Kulturdezernentin, solle das „tolle Projekt“ vom „Geist der Vernetzung und Kooperation nach innen und außen“ geprägt sein. Ziel sei eine enge räumliche Zusammenarbeit und wechselseitige Inspiration der Künstler. In Bockenheim solle ein in Deutschland einzigartiges Zentrum der Darstellenden Künste etabliert werden. Vergleichbar sei dies der im 19. und 20. Jahrhundert aufgekommenen Idee und Verwirklichung von Künstlerkolonien. Auch dieses Vorhaben werde dazu beitragen, den ohnehin schon positiv veränderten Ruf der Stadt weiter zu stärken, nicht zuletzt in Richtung eines neuen Weges bei der Verbindung von Naturwissenschaften, Geisteswissenschaft, Ausbildung und Forschung. Sie sei froh, so Hartwig, dass mit der gemeinsamen Machbarkeitsstudie dieses Projekt, das institutionelle Freiräume schaffe und in seiner Bedeutung dem Museumsufer gleichzusetzen sei, jetzt Konturen gewonnen habe, welche eine Realisierung möglich machten.
Kulturminister Boris Rhein hob eingangs hervor, dass es sich um ein langfristiges Stadtentwicklungsprojekt handele, welches durch den Mitte der 90er Jahre beschlossenen Umzug der bislang in Bockenheim angesiedelten Universitätsbereiche zum Campus Westend möglich geworden sei, auch wenn die früher angenommenen Planungsdaten sich nicht hätten halten lassen. Die jetzige Studie zeige, dass ein kulturell geprägtes und gemischt genutztes Stadtquartier im Rahmen der verfügbaren Flächen möglich sei.
Der Kulturcampus, so Rhein, werde auf dieser Grundlage eine große Strahlkraft entwickeln, zumal er auch angrenzend Forschungsinstitute von Weltgeltung umfasse, wie das Senckenberg-Museum mit seinen Einrichtungen oder auch das einzigartige Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik, das voraussichtlich Mitte der 20er Jahre vom Westend in die unmittelbare Nachbarschaft der Universitätsbibliothek in einen Neubau ziehen soll, den das Land mit 45 Millionen Euro finanzieren will.
Zur Finanzierung der städtischen Häuser und Einrichtungen auf dem Kulturcampus wollte Ina Hartig noch keine Angaben machen: „Die Idee steht an erster Stelle, danach folgen die Fragen der Finanzierung.“ Als „Option“ bezeichnete sie die Möglichkeit, dass Einrichtungen bzw. Räume der Institutionen des Kulturcampus als Interimsstätte genutzt werden könnten, falls bei der Sanierung der Theaterdoppelanlage am Willy-Brandt-Platz eine zeitweilige Verlagerung der dortigen Bühnen notwendig sein sollte.
Die erfahrenen Macher: Frank Junker, Vorsitzender der Geschäftsführung der ABG Frankfurt Holding, Thomas Platte, Direktor des Landesbetriebs Bau und Immobilien Hessen, Foto: Petra Kammann
Hinsichtlich der schrittweisen Realisierung des Kulturcampus zeigte sich der Direktor des Landesbetriebes Bau und Immobilien Hessen, Thomas Platte, optimistisch, dass nach der „Königsleistung“ der mit dem Universitätsumzug verbundenen Lösung der Grundstücksfragen zwischen Bund, Land und Stadt jetzt eine zügige Umsetzung möglich sei. Dabei lobte er den von der Stadt vorgelegten Bebauungsplan, der jetzt wichtige Grundlage der Machbarkeitsstudie gewesen sei, als „klasse“. Die jetzt noch relativ abstrakte Studie mit der Untersuchung der möglichen Massenverteilung der Bauten könne nun als Grundlage für einen zügig auszulobenden Architektenwettbewerb dienen, dessen Ergebnis dann in einen Baubeginn 2021/2022 münden könne. Zu diesem Zeitpunkt seien die Grundstücke von der jetzigen Universität „freigezogen“.
Nach den vorläufigen Berechnungen der Machbarkeitsstudie sind für die Musikhochschule 30.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche eingeplant. Für die beiden Häuser der Stadt sollen es knapp 17.000 Quadratmeter sein. Für die Wohnnutzung – auf der Fläche zwischen den Kultureinrichtungen und dem Senckenbergmuseum – sind ca. 13.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche vorgesehen. Hiervon sollen, wie Frank Junker als Geschäftsführungsvorstand der städtischen Wohnungsbaugesellschaft ABG-Holding sagte, ein Drittel als geförderte Wohnungen errichtet werden, wobei insgesamt ausschließlich Mietwohnungen vorgesehen seien.
Großbaustelle zwischen Messe und Senckenberg-Museum, Foto: Uwe Kammann
Die Höhenentwicklung der vorgesehenen Neubauten von Stadt und Land bezifferte Thomas Platte auf 23 bis 25 Meter. Dies entspricht der klassischen, in Berlin als Regel festgeschriebenen Traufhöhe und wäre damit deutlich niedriger als das jetzige elfstöckige Juridicum. Insgesamt, so Platte, solle es eine lebendige Staffelung im Gesamtgebiet geben, das von den nördlich des Mariott-Hotels derzeit in Bau befindlichen Türmen (einer heißt One Fourty West, in Anspielung auf die Höhe von 140 Metern) über die Senckenberg-Gebäude bis zum Kulturcampus reicht, einschließlich des Sprungs über die Bockenheimer Landstraße mit dem vor dem Depot geplanten Haus für das Zentrum der Künste.
Für eine künftige Nutzung der direkt benachbarten jetzigen Universitätsbibliothek gebe es, so Kulturminister Rhein, noch keine festen Vorgaben oder Planungen. Mit diesem denkmalgeschützten Bibliotheksbau von Ferdinand Kramer habe er sich „inzwischen angefreundet“. Diese Bemerkung zielte auf die anhaltende Diskussion, ob der zur Entstehungszeit hochgelobte, inzwischen aber von vielen als architektonisch überholte Bau nicht zugunsten einer städtebaulich verträglicheren und von der Anmutung her attraktiveren Lösung abgerissen werden sollte, sobald der geplante und von Boris Rhein auch auf der Pressekonferenz bekräftigte Bibliotheksneubau auf dem Westend-Campus errichtet worden ist.
Soll der Musikhochschule weichen: das Juridicum, Foto: Uwe Kammann
Zum Juridicum selbst, das nach dem jetzigen Stand in drei oder vier Jahren der Hochschule für Musik weichen wird, sagte Rhein, es zeichne sich nicht unbedingt durch Schönheit und Eleganz aus. Eine zwischenzeitlich von Bürgerinitiativen debattierte Wohn-Umnutzung dieses Universitätsbaus in Form einer hohen länglichen Scheibe ist nach dem jetzigen Stand der von Land und Stadt vorangetriebenen Planung ausgeschlossen. Auch die von einzelnen Initiativen vorgebrachte Forderung, auf dem Kulturcampus statt der Musikhochschule ein Theater (Oper oder Schauspielhaus) zu errichten, ist nach einer Einlassung von Ina Hartwig keine Option: Der Kulturcampus in seiner jetzigen Konzeption sei „gut“ und solle deshalb in dieser Form verwirklicht werden.