home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Museum Wiesbaden zeigt „Hanna Bekker als Malerin“- Das Landesmuseum lockt mit vier Sonderausstellungen

 

Hochkarätige Zeugnisse eines Lebens für und mit Kunst

Von Hans-Bernd Heier

Hanna Bekker vom Rath war eine international anerkannte Kunsthändlerin, eine kenntnisreiche Kunstsammlerin sowie eine großzügige und unerschrockene Mäzenin. Johanna Emy Adele vom Rath, kurz Hanna genannt, gilt als eine Wegbereiterin der Moderne. Das ist allseits bekannt. Weniger bekannt ist, dass Hanna Bekker auch eine talentierte Malerin war und Zeit ihres Lebens künstlerisch tätig war. Am 7. September hätte sie ihren 125. Geburtstag gefeiert. Aus diesem Grunde widmet das Museum Wiesbaden der in Frankfurt geborenen selbstbewussten Frau, die ihr ganzes Leben der Kunst verschrieben hat, die Kabinettausstellung „Hanna Bekker als Malerin“ und präsentiert eine beindruckende Gemälde-Auswahl. Die kleine, aber feine Schau zeigt eine wieder zu entdeckende Facette dieser vielseitig begabten Persönlichkeit.

Hanna Bekker „Blick vom Blauen Haus“, um 1950; Nachlass Archiv Hanna Bekker vom Rath, Ölgemälde

Große Teile der hervorragenden Kunstsammlung von Hanna Bekker vom Rath (1893 – 1983) befinden sich seit 1987 im Wiesbadener Landesmuseum und bilden hier mit hochkarätigen Werken u. a. von Max Beckmann oder Ernst Ludwig Kirchner den expressionistischen Höhepunkt der Abteilung „Klassische Moderne“. Die „Botschafterin der Kunst“ war darüber hinaus eng mit avantgardistischen Künstlern wie Erich Heckel, Alexej von Jawlensky, Ludwig Meidner oder Karl Schmidt-Rottluff befreundet. Ihnen wie auch Willy Baumeister oder ihrer Lehrerin Ida Kerkovius, die vom nationalsozialistischen Regime unterdrückt und als „entartet“ diffamiert wurden, bot die mutige Galeristin zwischen 1940 und 1943 ihre Berliner Atelierwohnung als heimlichen Ausstellungsort an. Sie unterstützte diese avantgardistischen „Freigeister“ in jenen dunkelsten Tagen der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts, wo immer es ihr möglich war. Und sie freute sich mit ihren „Schutzbefohlenen“, wie sie diese nannte, über Verkaufserfolge.

Dieses expressive  „Bildnis Hanna Bekker“ hat Karl Schmidt-Rottluffs 1952 gemalt; Marian Stein-Steinfeld, Hannas Enkelin und Leiterin des Archivs Hanna Bekker vom Rath, hat es 2013 dem Museum Wiesbaden geschenkt; Foto: Hans-Bernd Heier

Mit ihrem unerschrockenen Eintreten für diese verfemten Künstler während des Nationalsozialismus – sei es mit riskanten, verborgenen Ausstellungen in ihrem Berliner Atelier oder der Beherbergung in dem mittlerweile unter Denkmalschutz stehenden Blauen Haus in Hofheim – setzte die couragierte Kunstförderin ihre eigene Sicherheit aufs Spiel. Für sie war es jedoch wichtiger, den als „entartet“ Gebrandmarkten wieder Hoffnung zu geben und das Gefühl zu vermitteln, bei ihr ein Refugium, eine zweite „Heimat“ gefunden zu haben. Für den in Russland geborenen Jawlensky, dem es körperlich und auch finanziell immer schlechter ging, gründete sie 1929 in Wiesbaden sogar einen Förderverein: Der unter chronischer Arthritis leidende Künstler erhielt monatliche Zuschüsse und der Verein dafür Kunstwerke.

Hanna Bekker als Malerin: „Rote Vase, Tuch und eingemachte Früchte“, 1949; Archiv Hanna Bekker vom Rath, Frankfurt am Main, Kabinettausstellung 2018 Museum Wiesbaden/Bernd Fickert

Nach dem Krieg reifte bei Hanna Bekker vom Rath der Wunsch, „ihre“ Künstler jetzt auch öffentlich zu zeigen. Im Jahre 1947 eröffnete sie das „Frankfurter Kunstkabinett“. In ihrer Ansprache zur Einweihung sagte sie: „Mein Ziel: Überbrückung der durch das Dritte Reich entstandenen Kluft, Heranführung der Jugend an die Kunst der letzten vierzig Jahre und Einführung in das Schaffen der Gegenwart auf dem Gebiet der Malerei, Plastik, Graphik und Werkkunst.“ Die erste Schau widmete sie Käthe Kollwitz.

Hanna Bekker als Malerin
Selbstportrait mit Hut“, 1948, Stadtmuseum Hofheim am Taunus, Foto: Bernd Fickert

Die erfolgreiche Galeristin, welche die Werke der Avantgarde an viele bedeutende Museen verkaufte, hat großen Anteil an der heute ungebrochenen Popularität der Klassischen Moderne in Deutschland. Ihr verdankt das Museum Wiesbaden „den wichtigsten Baustein seiner Sammlung“, so Dr. Alexander Klar, Direktor des Landesmuseums. Als „Botschafterin der Kunst“ wurde die kurz vor ihrem 90. Geburtstag verstorbene „Grande Dame des Expressionismus“ mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt.

„Gladiolen vorm Fenster“, um 1955; Archiv Hanna Bekker vom Rath, Frankfurt am Main, Kabinettausstellung Hanna Bekker als Malerin 2018 Museum Wiesbaden/Bernd Fickert

Dieses herausragende gesellschaftliche Engagement verdeckt bis heute, dass Hanna Bekker vom Rath als talentierte Malerin auch selbst stets künstlerisch tätig war. Die aus großbürgerlichen Verhältnissen stammende Hanna erhielt zunächst Malunterricht bei Ottilie W. Roederstein in Hofheim. Ihre entscheidende Prägung erhielt sie allerdings zwischen 1915 und 1917 in Stuttgart bei der Malerin Ida Kerkovius, eine Meisterschülerin von Adolf Hölzel, deren prismatisch gebrochene Bildwelten sie nachhaltig beeinflussten. Sie schuf Stillleben, Porträts und Landschaften, die sie zeitlebens nur mit „Hanna Bekker“ signierte. Ihre „zwischen expressivem Ausdruck und neusachlicher Klarheit mäandierenden Werke“, so Kurator Dr. Roman Zieglgänsberger, gilt es in der sehenswerten Präsentation im Wiesbadener Landesmuseum zu entdecken. Rund 20 Gemälde aus den frühen 1920er bis 1960er-Jahren bilden alle Phasen ihres künstlerischen Schaffens ab, das ihre Vorliebe für expressive, immer aber dem Gegenstand verpflichteten Kunst widerspiegelt.

Ergänzend zu der erlesenen Kabinettausstellung werden in dem angrenzenden Saal künstlerische Positionen gezeigt, die heute den Kern der Abteilung Klassische Moderne im Museum Wiesbaden bilden und die Hanna Bekker gefördert hat. Damit wird Hanna Bekkers Rolle als Sammlerin und Mäzenin gewürdigt. Neben Karl Schmidt-Rottluff oder Wilhelm Lehmbruck sei hier besonders Max Beckmann erwähnt, der mit dem Gemälde „Weiblicher Akt mit Hund“ (1927) und dem hochpolitischen Werk „Ochsenstall“ (1933) vertreten ist. Höhepunkt in diesem Saal ist die Neuerwerbung des Bildes „Viktoria-Luise-Platz“, das Hanna Bekker 1929 von ihrem Berliner Atelier aus gemalt hat und welches sich stilistisch ideal zwischen die beiden von ihr später gesammelten Beckmann-Gemälde einfügt.

Dominik Halmer „TERRITORY“

Parallel dazu ist im Projektraum die Ausstellung „TERRITORY“ von Dominik Halmer zu sehen. Die dreidimensionalen Bildobjekte des 1978 geborenen Künstlers verschieben die Grenze zwischen Realraum und Malerei. In seinen vielschichtigen Werken werden dreidimensionale Gegenstände wie Holzringe oder Bälle mit gemalten Elementen verbunden und suggerieren so eine regelhafte Beziehung zwischen Leinwandbild, Objekt und Raum. Die Installationen des Meisterschülers von Albert Oehlen werden bis zum 6. Januar 2019 gezeigt.

Ludwig Knaus „Carl Remigius Fresenius“, Öl auf Leinwand, 1849; Foto: Foto: Hans-Bernd Heier

Auch die Naturhistorischen Sammlungen des Landesmuseums warten derzeit mit zwei respektablen Präsentationen auf. Die Schau Carl Remigius Fresenius würdigt den berühmten Wiesbadener Ehrenbürger anlässlich dessen 200. Geburtstags. Im Zentrum steht das Wirken des Mitbegründers der modernen Chemie – einer Chemie des Alltags. In Zusammenarbeit mit der Hochschule Fresenius werden bis zum 20. Januar 2019 anhand von rund 200 Objekten spannende Aspekte der Wasseranalytik, Kriminaltechnik und Materialforschung vorgestellt.

Nur wenigen Chemikern ist es vergönnt, über so lange Zeit hinweg im allgemeinen Bewusstsein zu bleiben. Carl Remigius Fresenius (1818–1897) widmete sein ganzes Leben und Wirken der Analytik. Seine chemischen Analyseverfahren dienten der Untersuchung von Mineralwassern, aber auch anderen alltäglichen Dingen wie der Nahrungsmittel- oder Weinanalytik. Um die entscheidenden Fragen „Was ist drin? – Wieviel ist drin?“ zu beantworten, entwickelte und prüfte er Methoden und wendete sie auf alltägliche und industrielle Fragestellungen an. Noch heute sind Fresenius Arbeiten für die Analytik relevant.

Höhlenlöwe, Ausstellungsansicht; Eiszeit Safari 2018 Museum Wiesbaden/Foto: Bernd Fickert

Frisch eröffnet ist die große Herbst- und Winterausstellung  Eiszeit – Safari, die durch die Tier- und Pflanzenwelt der letzten Kaltzeit Europas führt. Über 100 lebensechte Tierrekonstruktionen und Präparate, Skelette, Fossilien und Artefakte aus der Region Hessen stellen auf rund 1.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche das Leben der damaligen Jäger und Sammler vor. Mit spielerischen und interaktiven Stationen für Klein und Groß können sich die Besucherinnen und Besucher bis zum 21. April 2019 auf eine höchst kurzweilige Reise durch die Zeit vor 30.000 bis 20.000 Jahren begeben. Dort begegnen sie nicht nur unseren menschlichen Vorfahren, sondern auch einer gewaltigen Tierwelt, wie Wollnashörnern, dem gefährlichen Höhlenlöwen, mächtigen Mammuts und Riesenhirschen mit ausladenden Geweihen.

Weitere Informationen unter: www.museum-wiesbaden.deund www.museum-wiesbaden.de/carl-remigius-fresenius

Bildnachweis (soweit nicht anders bezeichnet): Museum Wiesbaden

 

Comments are closed.