home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

25 Jahre – Kronberg Academy. Ein Interview mit dem Gründer Raimund Trenkler

Musik – ein sich ständig erneuerndes Erfrischungsbad

Petra Kammann traf Raimund Trenkler, den Vorstandsvorsitzenden der Kronberg Academy, während der diesjährigen Cellomeisterkurse für FeuilletonFrankfurt zum Gespräch in Kronberg.

Raimund Trenkler, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Kronberg Academy; Alle Fotos: Petra Kammann

Petra Kammann: Gerade (23. bis 30. September 2018) laufen die Cello Meisterkurse & Konzerte. Aus allen Räumen tönt Cellomusik. Cellisten aus allen Teilen der Welt sind eigens nach Kronberg angereist, um auf höchstem Niveau miteinander zu musizieren. Ist das nicht ein wunderbares Erlebnis im 25. Jahr? Oder bedeutet das für Sie gerade vor allem Stress?

Stadthalle Kronberg, der zentrale Veranstaltungsort der Cello Meisterkurse & Konzerte 2018

Raimund Trenkler: Ich fühle mich hier in der Welt-Cello-Familie einfach zu Hause. Da ich selbst Cellist bin, ist das ein schönes Gefühl, die Generationskette wachsen zu sehen und selbst Teil dieser Generationskette zu sein.

Vermisst man denn nichts, wenn man selber Cellist ist und eine solch anspruchsvolle Academy, die mit dem Cello angefangen hat, nun leiten muss? Ich kann mir vorstellen, dass heute Ihre Arbeit viel mehr im Organisieren des Apparats besteht und dabei Vieles auch verlorengeht, an dem das eigene Herz hängt.

Wenn man einmal Musiker ist, dann bleibt man Musiker, das jedenfalls trifft auf mich zu. Alle Entscheidungen, die ich aus organisatorischen Gründen treffe, fälle ich mit dem Herzen des Musikers und nicht mit dem Herzen des Intendanten. In meinem Fall kommt hinzu, dass ich keine Intendantenkarriere angestrebt habe, sondern meine Vision umsetzen wollte. Ich wollte einen Beitrag dazu leisten, die Kunstform Musik, diese wunderbare internationale Sprache, auch für die künftigen Generationen auf höchstem Niveau lebendig zu halten. Die Voraussetzung dafür ist für mich ein geschützter Raum, in dem es ausschließlich um die Musik geht und um nichts anderes. Ich wollte nicht, dass wir uns nur dem Musikmarkt ausliefern und uns von ihm vorgeben lassen, was gute Musik ist und was nicht.

In Ihren Masterclasses geht es also in erster Linie nicht um Drill, darum, der technisch Beste zu werden, sondern auch darum, nachhaltig eine künstlerische Persönlichkeit zu entwickeln?

Sehr ausdrucksvoll: Masterclass des schwedischen Cellisten Frans Helmerson mit Morita Keisuke

Ziel ist es, sich auszutauschen, auf Seinesgleichen zu treffen, als junger Cellist eine Orientierung zu finden, zu erfahren, wo man in der Welt der Cellisten steht, Inspirationen zu sammeln, Freundschaften zu schließen, und nicht zuletzt auch vier verschiedene Lehrer, also Cello-Schulen kennenzulernen.

Können Sie näher erläutern, was das bedeutet?

Das bedeutet, zum Beispiel einen Meistercellisten wie Gary Hoffman kennen zu lernen, dem, genau wie seinem eigenen Lehrer János Starker, ganz bestimmte körperliche Aspekte im Unterricht besonders wichtig sind: sich von allen Anstrengungen zu befreien und dadurch Leichtigkeit „rüberzubringen“. In den anderen Kursen begegnet man dem schwedischen Cellisten Frans Helmerson, der stark von Mstislav Rostropovich beeinflusst ist, andere Schwerpunkte setzt und eine andere Methode hat, oder Jens Peter Maintz, der aus der Tradition seines Lehrers David Geringas heraus unterrichtet. Als vierter Dozent liegt Wolfgang Emanuel Schmidt, ebenfalls ein Geringas-Schüler, vielleicht wieder näher an der Traditionslinie von Mstislav Rostropovich und hat daraus seine eigene Herangehensweise entwickelt.

Sie nehmen Bezug auf Rostropovich, dem in Kronberg ja auch eine Skulptur im öffentlichen „Schulgarten“ gewidmet ist – vielleicht, weil er „Kronberg die Welthauptstadt des Cellos“ genannt hatte. Warum ist Rostropovich eine Art Fixstern für die Academy und nicht zum Beispiel Pablo Casals, wobei Sie ja auch mit dem Bau des neuen Kammermusiksaals, dem Casals Forum, befasst sind?

Pablo Casals stand für uns immer an der Spitze. Kein anderer Künstler zuvor hat eine solch enge Verknüpfung von Kunst und Menschlichkeit gelebt. Er ist meines Wissens auch der einzige Musiker, der für den Friedensnobelpreis nominiert wurde. Casals ist für uns immer Fix- und Orientierungspunkt gewesen. Deswegen haben wir genau an dessen 20. Todestag unsere erste Veranstaltung, das erste Cello Festival eröffnet, und deswegen heißt auch der Konzertsaal, der hier in Kronberg entsteht, „Casals Forum“. Rostropovich und Casals sind nicht als Gegensatz zu sehen. Der große Cellist Rostropovich ist uns zu seinen Lebzeiten sehr verbunden gewesen, hat aktiv die Haltung der Kronberg Academy mitgeprägt und am Aufbau der Akademie mitgewirkt. Rostropovich hat sich lediglich vor einem einzigen anderen Cellisten verneigt, und zwar nicht nur als Cellist, sondern auch als Mensch – und das war Pablo Casals, ihn hat er immer zutiefst verehrt. Was beide verbindet, ist tatsächlich die Menschlichkeit, die Musik nicht als Selbstzweck, sondern im Dienst des Menschen zu sehen.

An allen Ecken stößt man in diesen Tagen in Kronberg auf flanierende Cellokästen

Um auf die universelle Sprache der Musik zurückzukommen. In der Kronberg Academy treffen Meisterschüler aus der ganzen Welt aufeinander. Welche Rolle spielen unabhängig von der universellen Sprache der Musik die vielen verschiedenen Ausgangssprachen für die Studierenden, die sich ja differenziert sprachlich austauschen können müssen? Welche Unterschiede haben sie zu überwinden, zumal sie ja auch aus verschiedenen Kulturkreisen kommen?

Das Besondere ist und bleibt: Es dreht sich doch alles um Musik. Es gibt keinen chinesischen Johann Sebastian Bach, es gibt keinen koreanischen und auch keinen amerikanischen, sondern es gibt nur den einen Johann Sebastian Bach. Es ist ja das Faszinosum, dass die Sprache der Musik solche unterschiedlichen Kulturen hinter sich vereint, dass diese Sprache alle Menschen scheinbar in gleicher Form emotional berührt und sie alle diese Sprache verstehen. Es ist die hier im Herzen Europas entstandene klassische Musik, von der dieses Faszinosum ausgeht. Die klassische Musik ist in der Lage, Grenzen zu überwinden, eben auch sprachliche Grenzen. Und deswegen ist es auch so wichtig, dass unsere Musikinstitution, die vielleicht überall in der Welt sein könnte, doch eben im Herzen Europas ihren Sitz hat. Hier steht die Wiege dieser Kunstform. Um in die letzten Feinheiten und auf das letzte Verständnis des Komponisten vorzudringen, bedarf es auch einer Reflexion über das Umfeld, in dem der Komponist gelebt hat. Jenseits der Musik sprechen die jungen Leute Englisch miteinander.

Ist Kammermusik stärker als Orchestermusik ein besonders geeignetes Mittel zu kommunizieren, weil sie ja auch die intimste Form des musikalischen Austausches ist?

Kammermusik ist – wie Sie sagen – die intimste, vielleicht aber auch die intensivste Form der Kommunikation. Für uns spielt deswegen in unserer gesamten Ausbildung die Kammermusik eine so große Rolle.

Wiederum bilden Sie auch Solisten aus, die mit großen Orchestern klarkommen und sich in der Welt bewähren müssen. Dafür haben Sie eine spezielle Struktur geschaffen. Können Sie sagen, wie das funktioniert? Natürlich haben Sie auch einen anerkannten Bachelor- und Masterstudiengang hier. Das allein ist es aber nicht. Daneben geht es auch um die künstlerische Ausbildung und die Karriereförderung. Bilden Sie Solisten oder Orchestermusiker aus? Und wie lässt sich das vereinen?

Wir haben gewissermaßen eine Evaluation. Was unsere Studiengänge angeht, können wir feststellen, dass diejenigen, die bei uns ihren Abschluss gemacht haben, heute erfolgreiche Positionen einnehmen. Gestern zum Beispiel hatten wir hier ein faszinierendes Konzert: Sechs Cellisten waren auf der Bühne, die alle bei uns als 16-jährige angefangen hatten und heute mit um die 40 wichtige Professorenpositionen in Europa besetzen. Unsere Studiengänge sind individuell maßgeschneidert, dazu gehört auch ein Mentoring, das in dieser Form an einer Musikhochschule weder zu leisten wäre, noch Aufgabe der Hochschulen ist. Sie leisten Hervorragendes, müssen sich aber an der hohen Durchschnittsbegabung ihrer Studierenden orientieren und können nicht auf nur einige Wenige eingehen.

Anton Spronks in der Masterclass mit Jens Peter Maintz in der Kronberger Stadthalle. Hier ging es um Bühnenpräsenz

Man kann Sie also als Elite-Kaderschmiede bezeichnen?

Eine Kaderschmiede ja, nicht im Sinne einer Wirtschaftselite oder Gesellschaftselite, sondern im Sinne einer Leistungselite. Zentral sind die künstlerischen Fragen. Wichtig ist hier, dass der Zeitplan in der Ausbildung nicht zu eng ist. Wenn z.B. donnerstags um 10 Uhr Gehörbildung stattfindet, man aber gerade auf Konzerttournee ist, deshalb keine Credits sammeln könnte und damit auch keinen Abschluss erhielte, so können wir das hier individuell organisieren. Bei unseren Bachelor- und Master-Studiengängen arbeiten wir eng mit der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main zusammen. Dabei ist unsere Ausbildung auf jeden Einzelnen maßgeschneidert, vom Einzelunterricht bis zu den musiktheoretischen Fächern. Die Studierenden können ihr jeweils individuelles Leistungsniveau erreichen, die Entwicklung am eigentlichen Instrument weiter steigern und noch zusätzliche Skills wie Bühnenpräsenz erwerben. Dazu gehört z.B. die Beratung beim Karrieremanagement oder bei einem Thema wie Tourneeplanung, bei dem wir Fachleute haben, die sich in der Visa-Problematik auskennen. Wir können auf etliche verschiedene, noch ausbaufähige Aspekte individuell eingehen – so etwas ist aber nur mit einer begrenzten Anzahl von Studenten möglich.

Wo ist die Obergrenze?

Wir nehmen in unsere Studiengänge rund 25 Studierende auf. Bei unseren Projekten ist das anders, wie etwa bei den gerade stattfindenden Cello Meisterkursen, bei denen in diesem Jahr fast 170 Studenten aus 41 verschiedenen Nationen angereist sind, z.B. aus den USA, Australien, Norwegen, China, Japan, Israel oder aus europäischen Ländern.

Führt nicht der Leistungsstress auch zu Burnouts oder Breakdowns, die nicht jedermann verständlich sind?

Man kann sich hinter der Musik einfach nicht verstecken. Es zählt immer nur das, was der Künstler auf der Bühne leistet. Es zählt nur dieser eine Moment und nicht, ob man gerade Bauchschmerzen hat, die Mutter krank ist oder man einen Jetlag hat. Wenn ein Konzert für 8 Uhr angekündigt ist, muss man als Musiker auf der Bühne stehen. Da fragt keiner danach, ob es einem schlechtgeht oder nicht. Das ist nicht jedem klar.

Wie bereiten Sie denn die Studenten auf solche Situationen vor? Haben Sie eigene Psychologen?

Was unsere eigenen Studierenden angeht, so haben wir sie durchaus näher im Blick. Manchmal geht es auch bis zur psychologischen Betreuung, um die jungen Menschen wieder aufzurichten. Viel häufiger kommt es aber vor, dass sie mit ihrer Physis an ihre Grenzen stoßen.

Wie viel üben die meisten täglich, fünf oder sechs Stunden?

Das ist ganz unterschiedlich, kann aber bis zu acht Stunden gehen, was nicht heißt, dass das immer sinnvoll ist. Manchmal ist auch weniger mehr, ein Zuviel führt häufig zur Unkonzentriertheit. Gelegentlich entstehen für die jungen Menschen zu große Belastungen dadurch, dass sie viel mehr Konzerte annehmen, als sie spielen können, weil sie das Gefühl haben, sie könnten es sich nicht erlauben abzusagen. Sie müssen dann zu oft verschiedene Programme in zu kurzer Zeit erarbeiten. Hier schaffen wir für die jungen Musiker ein Umfeld, in dem sie auf Menschen treffen, die ihnen Vertrauen schenken und ihnen auch die Kraft geben, eben nicht jedes Konzert annehmen zu müssen.

Ich stelle es mir auch nicht leicht vor, wie sie Freundschaften und vielleicht auch intime Beziehungen entwickeln können. Einerseits sollen sie ständig leistungsbereit, andererseits emotional sein. Das verlangt die Musik von ihnen. Genau das aber bringt sie auch in Konflikte, wenn sie persönlich beteiligt sind und es sie emotional „erwischt“ hat. 

Das hat aber nichts mit der Musik zu tun.

Mit der Musik sicher nicht. In anderen Berufen kann man jedoch eher abschalten, und da lässt sich dann sicher auch ein Beziehungskonflikt leichter handhaben.

Es gibt wohl keinen anderen Beruf, der mir spontan einfällt, der eine so enge Verknüpfung zwischen großer geistiger Wachheit und hoher Konzentration fordert und zugleich eine Physis, die schlicht funktionieren muss. Darüber hinaus muss man mit dem Herzen, das einem ja erst den Ausdruck verleiht, gut ausbalanciert sein. Schließlich ist die Musik Trägerin einer im Herzen des Komponisten verankerten Botschaft, die vom Musiker bei jedem Auftritt immer wieder neu erschaffen werden muss. Und das geht nur mit einem hohen Anteil persönlicher Beteiligung. Als Schauspieler bin ich entweder König Lear oder ich spiele ihn, das macht eben den Unterschied aus. Das Zusammenspiel von Körper, Geist und Seele, die oft nicht zur gleichen Zeit aktiviert sind, sondern erst in einer Art von Balance zueinander finden müssen, ist für Musiker besonders bedeutsam. Das gibt es in dieser Form in anderen Berufen nicht unbedingt. In der Musik ist nicht nur die geistige Konzentration gefragt, sondern auch die körperliche und die seelische.

Gleichzeitig stehen diese jungen Menschen in einem internationalen Wettbewerb, auch ökonomisch. Wie können Sie so etwas wie einen Showeffekt vermeiden? In der Architektur spricht man vom Bilbao-Effekt. Den haben Sie bei der Wahl Ihres Neubaus ja offensichtlich auch nicht angestrebt. Welche Voraussetzungen sind dafür strukturell nötig? Welche Netzwerke bauen Sie, um sich vor dem Showeffekt zu schützen? Gibt es beispielsweise eine Zusammenarbeit mit bestimmten Orchestern o. ä., in der Sie Ihre Position verständlich machen können?

Symbolischer erster Spatenstich am künftigen „Casals Forum“ in Kronberg

Wir bilden eine Wertegemeinschaft. Als solche versuchen wir, uns mit Menschen zu umgeben, die diese Werte auch leben und in sich tragen. Und wenn Sie sehen, welche Künstlergemeinschaft sich hier um die jungen Menschen versammelt hat, dann entsteht so etwas wie ein gemeinsames Profil, das sie miteinander verbindet. Es gilt, Musik nicht als Selbstzweck zu sehen, sondern Musik im Dienst des Menschen.

Und das sehen Sie generationsübergreifend?

In der Musik ist es besonders wichtig, dass die Generationenkette nicht abbricht. Um nur ein Beispiel zu nennen: Der Komponist Johannes Brahms hat dem Geiger Josef Joachim sicher viel vermitteln können, auch bei der Arbeit an verschiedenen Werken, bei denen er Joachim um Rat gefragt hat. Joachim wiederum hat dieses Wissen an seine Schüler weitergegeben. So kann die Kette der Weitergabe des Wissens fortgesetzt werden, von dem, was der Komponist wirklich gemeint hat und was ihm wichtig war, jenseits des Notentexts. Dazu, dass die Generationenkette nicht abreißt, trägt auch die Kronberg Academy einen Teil bei.

Sie als Person und als Erfinder dieses Konzepts aber auch. Sie halten es immerhin seit 25 Jahren so. Ist das nicht bisweilen auch ein ermüdendes Geschäft?

Nein. Die Musik ist wie ein Erfrischungsbad, das sich und mich und uns ständig erneuert.

In Kronberg haben Sie zunächst mit dem Cello angefangen und haben die Aktivitäten dann auch auf die Instrumente Violine und Bratsche erweitert. War das eine Notwendigkeit, weil es nicht so viele Plätze für Meistercellisten gibt?

Ziel war es, dass die Streicherfamilie hier zusammenkommt. Wir haben das nur schrittweise aufgebaut, aber von Anfang an größer geplant, weswegen die Akademie auch nie Celloakademie geheißen hat.

Die Bratscherin Tabea Zimmermann und der Pianist Sir András Schiff beim Spatenstich 

Familie bedeutet auch, dass man auf die verschiedenen Familienmitglieder hören muss, andere Stimmen wahrnehmen. Ist das auch Teil Ihrer Hörschulung?

Es geht um die innere Notwendigkeit und die Fähigkeit, auf andere zu hören und einzugehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine blonde Dame oder einen schwarzhaarigen Herren handelt. Es geht um dieselben Skills. Bei den Musikinstrumenten ist es nicht anders, es spielt keine Rolle, ob der Kammermusikpartner die Geige ist oder die Oboe. Auch das eigentlich artfremdere Klavier, das eher eine Art Kontrapart darstellt, macht da keine Ausnahme.

Es ersetzt auch ein wenig das Orchester, nicht wahr?

Klavier und Streicher ist eine häufig anzutreffende Kombination in der Kammermusik. Deswegen hat bei uns ab Oktober auch das Klavier seine besondere Rolle mit dem „Sir András Schiff Performance Programm for Young Pianists“. Junge Pianisten mit dem Schwerpunkt Kammermusik können dann hier studieren und zwar unter der Leitung von Sir András Schiff, der gemeinsam mit anderen Kollegen die Ausbildung betreut und verantwortet.

Sie setzen wohl bewusst auf prominente Musiker wie Sir András Schiff, Tabea Zimmermann oder Frans Helmerson, aber auch auf Dirigenten wie Christoph Eschenbach, Sir Simon Rattle oder Daniel Barenboim.

Gidon Kremer beim Auftaktkonzert zum Jubiläumsjahr der Kronberg Academy in der Johanniskirche Kronberg am 14. Januar 2018

Das sind eben außergewöhnliche Persönlichkeiten, die regelmäßig hier zu Gast sind.

Hat sich auf diese Weise ein Schneeballsystem entwickelt nach dem Schema: weil Rostropovich da war, hat es diesen oder jenen nach sich gezogen?

In der Welt der Musik ist Kronberg einfach ein Begriff geworden. Ich würde Ihnen eine Flasche Champagner spendieren, wenn Sie mir sagen, dass ein Cellist von Rang noch nichts von Kronberg gehört hätte. Herr Prof. Eichhorn würde das mit Sicherheit ebenso im Falle eines Geigers tun.

Meine Frage bleibt: Wie haben Sie das hinbekommen? Sie selbst waren zwar auch kein Unbekannter, sonst wären Sie seinerzeit nicht zum Konzert mit Ihren Kollegen nach Seoul geflogen. Was aber hat den Reiz ausgemacht?

Auch Christoph Eschenbach engagiert sich für die jungen Kronberger Nachwuchskünstler, hier bei Proben mit dem hr-Sinfonieorchester im September 2017

Erstmal, indem man an das glaubt, was man tut, und die Sache in den Vordergrund stellt. Und das ist der Dienst an der Musik und der Dienst am Menschen. In dieser Ausprägung zieht das wiederum andere Menschen an, die vielleicht auch die Notwendigkeit sehen und die Sehnsucht haben, ihr Wissen weiter zu vermitteln und die hier auf Menschen stoßen, von denen sie sich in einem geschützten Raum verstanden fühlen, weil es um die Musik selbst geht. Deswegen werden Sie auch nichts darüber lesen, dass Daniel Barenboim hier ist. Es geht nicht darum, die Popularität eines Daniel Barenboim zu vermarkten, das hat er nicht nötig. Er möchte hier sein Wissen an Menschen und seine Einsichten an Künstler weitergeben können, die das nicht nur zu schätzen wissen, sondern darüber hinaus das Potenzial und die Fähigkeit haben, das auch aufzunehmen und umzusetzen.

War für Sie in dieser Hinsicht nicht auch Yehudi Menuhin ein Vorbild?

Yehudi Menuhin war nicht nur ein Vorbild. Ich war auch in sehr engem Kontakt mit ihm. Er gehört unbedingt mit zu dieser „Familie“. Und es ist ein bisschen tragisch, dass wir 1999 schon einen Termin in Kronberg vereinbart hatten, er aber vor dem Treffen gestorben ist.

Sie sprachen von der Bedeutung der klassischen Musik im Herzen Europas. Ist die zeitgenössische Musik für Sie von ebenso großer Bedeutung?

Natürlich. Zeitgenössische Musik ist ein ganz wesentlicher Bestandteil, denn sie weist den Weg in die Zukunft. Wir können uns nicht nur auf Meisterwerke der vorangegangenen Jahrhunderte stützen. So wie von damals vielleicht nur ein Werk von hunderten bis heute noch wirklich überlebt hat, so ist es auch heute. Trotzdem kommen glücklicherweise etliche Kompositionen zur Uraufführung. Aber es werden wieder nur wenige sein, die die Jahrhunderte überdauern. Also muss man hunderte von Werken in Auftrag geben, um diese zwei oder drei überdauernden Werke zu finden. Daran beteiligen wir uns mit Kompositionsaufträgen und ermutigen die Künstler, sich mit zeitgenössischer Musik auseinanderzusetzen. Das ist sogar Teil der Ausbildung.

Ermuntern Sie die jungen Künstler auch dazu, eigene kleine Festivals zu gründen? Ich denke da zum Beispiel an Ihre frühere erfolgreiche Studentin Harriet Krijgh, die leider aus gesundheitlichen Gründen nicht kommen kann.

Ermuntern vielleicht nicht, aber wir unterstützen sie gerne dabei, denn sie ziehen ihre Kollegen auch mit hinein. So entsteht etwas, das außerhalb der üblichen Konzertagenturen läuft und bei dem sich die Musiker gegenseitig unterstützen und einladen. Musikalische Freundschaften sind etwas sehr Wertvolles. Sie garantieren weitere Auftrittschancen und die Musiker können eigene Akzente setzen, um die Kunstform spannend und lebendig zu halten.

Die Künstlerischen Leiter: Raimund Trenkler und Prof. Dr. Friedemann Eichhorn

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der nächsten 25 Jahre?

Ich wünsche mir, dass uns die großen Künstler treu bleiben und die entstandene Generationenkette weiter wächst – nicht allein in Zahlen, auch im Sinne eines produktiven Netzwerks. Je mehr junge Künstler hier einen Abschluss erlangen, desto größer wird auch die Familie, die alles verbindet. Dieses Gefühl ist wichtig, es bedeutet nicht nur, in Kronberg ein physisches Zuhause zu haben, sondern einer Musikfamilie anzugehören, also ein künstlerisches Zuhause zu haben. Die Kronberg Academy soll als ein Ort wachsen, an dem man Freunde und Bekannte trifft und von dem alle wissen, dass es nur um die Musik geht.

Das wünsche ich Ihnen von Herzen.

Vielen Dank!

Das Jubiläumskonzert findet am 22. Oktober 2018 , 19.30 Uhr in Wiesbaden im Kurhaus Wiesbaden, Friedrich-von-Thiersch-Saal, statt. Eine Veranstaltung der Kronberg Academy Stiftung und der Hessischen Landesregierung unter der Schirmherrschaft von Ministerpräsident Volker Bouffier und Marta Casals Istomin mit Gidon Kremer, Violine, Yuri Bashmet, Viola, István Várdai, Violoncello und dem Chamber Orchestra of Europe

Weitere Infos:

www.kronbergacademy.de

Kronberg Academy„>Neubau für die Kronberg Academy

Kronberg Academy mit Christoph Eschenbach im Hessischen Rundfunk“>Solisten der Kronberg Academy mit Christoph Eschenbach im Hessischen Rundfunk

Die junge niederländische Cellistin Harriet Krijgh zu Gast beim HR-Sinfonieorchester unter Leitung des Gastdirigenten Dominik Beykirch

 

Comments are closed.