Hommage an Volker Kriegel … Caricatura Museum Frankfurt zeigt hintersinnige Cartoons des Multitalents
Von Hans-Bernd Heier
„Männchen malen und Jazz spielen, und sogar davon leben zu können – wer hätte das gedacht?! – Wow“. Volker Kriegel schien von seinem frühen Erfolg zunächst selbst überrascht. Denn er reüssierte bereits in jungen Jahren als Cartoonist und Musiker. Schon mit 13 Jahren lernte er autodidaktisch Gitarre und wurde noch als Oberschüler zum besten Nachwuchsgitarristen beim deutschen Amateur-Jazz-Festival in Düsseldorf gekürt. Parallel dazu erschienen schon seine ersten Cartoons in der Schülerzeitung „Revue“.
Karneval der Tiere; ©Volker Kriegel
Mit der Mainmetropole war Kriegel aufs Engste verbunden.In Darmstadt 1943 geboren, in Wiesbaden aufgewachsen, zog es ihn bald in die Bankenstadt. Nach dem Abitur begann Kriegel an der Universität Frankfurt Soziologie und Philosophie bei Theodor W. Adorno zu studieren. Nach dem Vordiplom beendete er das Studium, weil es seiner Aussage zufolge mehr einer selbstgewährten Fristverlängerung diente, um die anstehende Berufswahl noch ein bisschen hinauszuschieben. In dieser Zeit machte er im Frankfurter Jazzkeller Bekanntschaft mit der hiesigen Jazz-Szene rund um Posaunist Albert Mangelsdorff und Saxophonist Emil Mangelsdorff. Mit eigenem Trio und Quartett wurde er zu Radioaufnahmen eingeladen.
Volker Kriegel avancierte zu Deutschlands Jazz-Gitarristen Nummer eins und galt als Pionier des Jazz-Rock in Europa. 1968 erschien Kriegels erste Schallplatte unter eigenem Namen („With A Little Help From My Friends“). Er selbst bezeichnete sich rückwirkend als Berufsmusiker seit 1969. Mit seinem ganz eigenen Musik-Stil feierte er über Jahrzehnte hinweg große Erfolge mit zahlreichen Kompositionen, Plattenaufnahmen, Konzerten und weltweiten Tourneen.
Volker Kriegel; © Volker Kriegel
Doch nicht die Karriere des begnadeten Musikers steht im Zentrum der umfangreichen Sonderausstellung „Volker Kriegel“, die das Caricatura Museum Frankfurt – Museum für Komische Kunst dem Multitalent widmet, sondern sein facettenreiches zeichnerisches Œuvre. In der Schau, die bis zum 20. Januar 2019 im Leinwandhaus zu genießen ist, sind rund 420 Exponate zu sehen, darunter etwa 330 Originale. Je die etwa Hälfte der Leihgaben haben Ev Kriegel beigesteuert, die Witwe des bereits mit 59 Jahren verstorbenen Künstlers, und das Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst, Hannover, das seit 2005 den zeichnerischen Nachlass Volker Kriegels verwaltet.
Ausstellungsplakat; © Caricatura Museum Frankfurt
Schon während seiner erfolgreichen Tätigkeit als Musiker veröffentlichte Kriegel seine hintersinnigen Cartoons – meist schwarz-weiß mit Tusche, oft aber auch farbig mit Tusche und Aquarell gemalt – mal wortlos, mal mit kleinen Untertiteln. Ende der 1970er Jahre wandte er sich vermehrt dem Zeichnen und Schreiben zu und besann sich auf eine, wie er es nannte, „leisere, stillere Variante des Erfindens“. Der Künstler mit der Trippelbegabung, der als weltberühmter Musiker, Cartoonist und Schriftsteller gleich in drei Sparten brillierte, war auch als Rundfunkautor, Dokumentarfilmer, Übersetzer, Erzähler und Dichter tätig. Mit dem Cartoon-Buch „Hallo und andere wahren Geschichten“ und mit dem musikalischen Märchen „Der Rock´n´Roll-König“ erschienen 1982 seine beiden ersten Bücher. „Der Rock’n’Roll- König“ ist ein hinreißendes Musik-Märchen mit Illustrationen über einen Gitarre spielenden König, der aus Liebe zum Rock’n‘Roll und einer schönen Müllerstochter die Republik ausruft.
Aus „Kriegels kleine Hunde-Kunde“; ©Volker Kriegel
In jener Zeit begann auch die intensive Zusammenarbeit mit dem Züricher Haffmanns-Verlag: Dort veröffentlichte Kriegel regelmäßig Arbeiten im Literaturmagazin „Der Rabe“ und illustrierte beispielsweise Bücher und Buchcover von Gustave Flaubert, Heinrich Heine, Julian Barnes, David Lodge, Gerhard Polt und Roger Willemsen. Diese Exponate sind ebenfalls in der kurzweiligen Schau zu sehen. Einige der von ihm illustrierten Werke übersetzte der vielseitige Künstler auch selber, so „Ein Weihnachtsmärchen“ von Charles Dickens. Neben seinen Buchprojekten publizierte Volker Kriegel Cartoons und Illustrationen u. a. in der F.A.Z., der Süddeutschen Zeitung und der Neuen Zürcher Zeitung.
„Erna der Baum nadelt“; ©Volker Kriegel
In seinen ungezählten Karikaturen, Cartoons, Bildgeschichten thematisierte er mit feinem Humor Alltagssituationen sowie besonders die Sujets Kunst und natürlich Musik. Ein Thema hatte es dem Genussmenschen Kriegel besonders angetan: Essen und Trinken. Beeindruckt von Stanilaw Jerzy Lecs Bonmot: „ Die Fetten leben kürzer, aber sie essen länger“ griff er diesen Aspekt immer wieder auf: In diversen Gemeinschaftsprojekten mit Kriegels Freunden, dem Sternekoch Vincent Klink und dem Literaturwissenschaftler Stephan Opitz, entstand eine Reihe von kulinarischen Karikaturen (u.a. für die Kolumne „Geschmackssache“). An einer Auswahl dieser Blätter kann der Besucher sich in der Ausstellung ebenso erfreuen wie an den lustigen Bierbildern.
In der übersichtlichen thematisch gehängten Schau, die Lea Willimann kuratiert hat, werden auch alle Originale aus dem ersten Cartoon-Buch „Hallo und andere wahre Geschichten“ präsentiert sowie die herzerfrischenden Hunde-Cartoons, die als „Kriegels Kleine Hunde-Kunde“ 1986 erschienen sind (übrigens mit einem Vorwort von Robert Gernhardt). Daneben versammelt die Frankfurter Schau seine großartige Serie zum Thema „Körpersprache und Fußball“ mit verblüffenden Kommentaren, die in der Neuen Zürcher Zeitung veröffentlicht wurden.
„Olaf hebt ab“; ©Volker Kriegel
Hohe Bekanntheit erlangte Kriegel, der am 24. Dezember diesen Jahres 75 geworden wäre, mit seinen illustrierten Kindererzählungen, wie die weltweit verlegte und in mehrere Sprachen übersetzte weihnachtliche Kindergeschichte „Olaf, der Elch“. Olaf wird mit einem gigantischen Geweih geboren und eckt als Außenseiter-Elch ständig irgendwo an. Eines Tages geschieht jedoch Folgenschweres: Olaf bricht sich seine rechte Geweihschaufel ab. Davon lässt er sich allerdings nicht unterkriegen und macht das Beste daraus. Bei seiner Lieblingsbeschäftigung, Autofahrer durch plötzliches Auftauchen am Straßenrand zu erschrecken, trifft er auf einen einäugigen Weihnachtsmann. Sie werden beste Freunde und erleben einiges an Abenteuern, so den Traum vom Fliegen. Auch die Geschichte von „Erwin mit der Tröte“, in der Kriegel seine eigenen Erfahrungen mit dem Musikbusiness liebevoll und mit hintergründigem Witz verarbeitete, wurde ein großer Erfolg. Das letzte Projekt war die heitere Illustration von Roger Willemsens „Karneval der Tiere“ im Jahr 2003.
Das gängige Format völlig gesprengt hat Kriegel mit der „Cartoon-Rolle“, woran er 1993 bis 1998 arbeitete und dessen Ergebnis ebenfalls ausgestellt ist: eine Papierrolle, an der er als eine Art Entspannungsübung während des Komponierens fortlaufend zeichnete, und die zum Schluss eine Länge von über 6 Metern erreichte.
Plakat der Galafeier „Im Zeichen des Elchs“; © Caricatura – Museum für Komische Kunst
Das Caricatura ist das jüngste Mitglied der Frankfurter Museumsfamilie, aber hat es faustdick hinter den Mauern: mit mehr als 7.000 Originalen der Zeichner der „Neuen Frankfurter Schule“ sowie rund 3.500 Zeichnungen weiterer Karikaturisten weist es den wohl „höchsten Humorgehalt der Weltmuseumslandschaft“ auf. Seit 2008 besitzt das Museum für Komische Kunst mit dem historischen Leinwandhaus neben dem Dom sein eigenes, prominentes Domizil. Dieses zehn-jährige Jubiläum feiert das nach Überzeugung des Leiters Achim Frenz „schönste der Welt“ am 30. September 2018 im Mousonturm mit der großen Gala „Im Zeichen des Elchs“. Um eine angemessen würdevolle Geburtstagsgala zu zelebrieren, werden Ralf König, Hauck & Bauer, Martin Sonneborn, Oliver Maria Schmitt, Thomas Gsella, Mark-Stefan Tietze, Katharina Greve und Sarah Schmidt auftreten. Für die passende musikalische Begleitung sorgt Christof Stein-Schneider („Fury in the Slaughterhouse“) und durch den Abend führt Bernd Gieseking.
Die höchst unterhaltsame Schau „Volker Kriegel“ ist bis zum 20. Januar 2019 im Caricatura Museum Frankfurt – Museum für Komische Kunst zu sehen; weitere Informationen unter: www.caricatura-museum.de
Abbildungen: Caricatura Museum Frankfurt