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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Damenwahl! 100 Jahre Frauenwahlrecht im Historischen Museum Frankfurt

Eine Ausstellung im Historischen Museum Frankfurt verfolgt die Geschichte der ersten Frauenbewegung in ihrem Einsatz für Gleichberechtigung. Damit würdigt sie u.a. die ersten Politikerinnen der Weimarer Republik. Mit der Novemberrrevolution 1918 wurde in Deutschland nicht nur der Weg frei für die Demokratie, sondern auch für die politische Gleichstellung von Männern und Frauen. Am 19. Januar 1919 konnten Frauen in Deutschland zum ersten Mal wählen und sich wählen lassen. Die in Deutschland einzigartige Schau, die als das Frauenwahlrecht und die ersten Politikerinnen in den Mittelpunkt stellt, zeigt mit einem Blick in die Gegenwart, dass das Thema nichts an Aktualität verloren hat. Sie läuft bis zum 20. Januar 2019.

Von Petra Kammann

Plakat Opel Fahrräder, Die Siegerin, Rüsselsheim, 1898, Farblithographie

Schon Ende des 19. Jahrhunderts treten sie selbstbewusst und siegeswiss auf: Tennis spielende, Rad fahrende Damen, befreit vom einschnürenden Korsett unter großen Roben der wilhelminischen Ära. So nähert man sich der Frankfurter Schau im ersten Abschnitt. Der Lebensalltag der Frauen in den Städten mit der fortschreitenden Industrialisierung half dem biedermeierlichen Idyll von Familie, Heim und Herd nicht mehr weiter, die anstehenden alltäglichen Probleme zu bewältigen. Viele der Frauen und Mädchen mussten da schon ihr eigenes Geld als Arbeiterinnen, Verkäuferinnen, Hausmädchen oder auch als Lehrerinnen verdienen. In den Zwanzigern kamen dann auch streitbare Juristinnen dazu …

Frankfurt stellte ein bedeutendes Zentrum für die erste Frauenbewegung dar. Denn die Frankfurterinnen waren in Parteien, Vereinen und anderen Gruppierungen engagiert. Schon 1876 hatte mit dem Frankfurter Frauentag die organisierte bürgerliche Frauenbewegung ihren Anfang genommen. Hier waren auch die größten Frauenrechtvereine des Kaiserreichs. Es gab hier nicht nur eine Rechtsschutzstelle für Frauen, sondern auch den einflussreichen Israelitischen Frauenverein, den Frankfurter Verein für Frauenstimmrecht sowie den Frankfurter Frauenclub. Und schon um 1900 bot die Stadt mit ihrem liberalem und reformoffenen Klima für Frauen spezifische Entwicklungsvoraussetzungen. So nimmt es nicht wunder, dass deren Wunsch nach Wahlbeteiligung wuchs. In ihren Debatten ging es dabei häufig umso Themen wie Abtreibung, Geburtenkontrolle, Sozialpolitik und Berufsfreiheit.

Eine Zäsur stellte dann allerdings erst einmal der Erste Weltkrieg dar. Dessen Auswirkungen stellte die Frauen vor ganz neue Herausforderungen, weswegen sie auch für die demokratische Republik waren und an den ersten Wahlen am 19. Januar 1919 sogar bis zu 90 % teilnahmen. Tatsächlich wurden dann prompt 37 von ihnen in die neu erstandene Weimarer Nationalversammlung gewählt. Neben dem Wunsch nach einem freien Wahlrecht seien die Frauen auch für eine höhere Bildung und Berufsausbildung eingetreten, so die Kuratorin der Ausstellung Dorothee Linnemann, die sich vier Jahre lang mit dem Thema beschäftigt hat.

Die Frankfurter Schau beleuchtet den Beginn der Frauenbewegung im Kaiserreich bis hin zu ihrer ideologischen Spaltung im Nationalsozialismus und den Entwicklungen der Gegenwart. Schlüsselfiguren wie Bertha Pappenheim, Leiterin des Israelitischen Frauenvereins in Frankfurt, und Toni Sender, Journalistin, Kriegsgegnerin und Generalsekretärin des Frankfurter Arbeiterrates, spielen dabei eine Schlüsselrolle.

Porträts der aus der Schweiz kommenden Frauenrechtlerin Ottilie W. Roederstein: Ottilie W. Roederstein (1859-1937) und Elisabeth Winterhalter (1856-1952) gehörten zweifelsohne zu den Protagonistinnen dieser neuen Zeit: studiert, selbstständig, kämpferisch und in Frankfurt bestens in die führenden Kreise der Bürgergesellschaft integriert. Als 13. Kind einer Münchner Arztfamilie hatte sich Elisabeth Winterhalter gegen den Widerstand ihrer Mutter an der Zürcher Universität  immatrikuliert, in Frankfurt setzte sie sich als erste Ärztin mit einer niedergelassenen Praxis und Pionierin in der Kaiserschnittentbindung durch. Foto: Petra Kammann

Vielfältige Objekte aus internationalen Archiven und Museen zeigen neue Perspektiven auf die Revolutionszeit. 450 Exponate auf 900 Quadratmetern in 5 Themengalerien werden derzeit, gut kommentiert, im Frankfurter Historischen Museum ausgebreitet. Etliche von ihnen stammen aus dem Kasseler Archiv der deutschen Frauenbewegung, andere wiederum aus London oder anderen renommierten Archiven wie dem ATRIA,  dem Institute of gender oder equality  and women’s history, Amsterdam. Objekte wie Fahnen der Suffragetten befinden sich in der Ausstellung ebenso wie die Tracht der Frankfurter Rot-Kreuz-Schwestern von 1914, daneben aufrührerische Plakate, Postkarten, Medaillen, Illustrationen von Käthe Kollwitz, Büsten von Rosa Luxemburg, Clara Zetkin oder Bertha Pappenheim, eine Porträtplakette von Toni Sender oder Gemäldeporträts von E.H. Winterhalter und anderer herausragender Protagonistinnen.

Ein Zeitstrahl dient zur Einordnung der feministischen Aktivitäten in Sachen Frauenwahlrecht in den verschiedenen Staaten, Foto: Petra Kammann 

Die Selbstverständlichkeit, mit der Frauen heute zur Wahl gehen oder gewählt werden können, gab es lange Zeit nicht und muss auch heute immer noch, mehr noch als das Wahlrecht generell, in vielen Teilen der Welt durchgesetzt werden. Auf einer übersichtlichen und einordnenden Zeittafel entnehmen wir, dass schon 1893 Neuseeland als erstes Land das Frauenwahlrecht einführte und Finnland dem 1906 folgte. Die Aufzählung endet im Jahre 1932, bevor der Nationalsozialismus dieser Entwicklung ein Ende setzte. Man sollte nicht vergessen, dass in der Schweiz die Frauen erst 1971 ein Stimmrecht bekamen.

In einem Quiz erfahren Besucher interessante Details, so zum Beispiel, dass deutsche Frauen ohne die Erlaubnis ihres Ehemannes den Führerschein bis 1958 nicht machen durften, dass die „Damenmannschaften“ im Fußball erst ab 1970 genehmigt wurden oder dass die Vergewaltigung in der Ehe erst seit 1977 für strafbar erklärt wurde…

FRAUEN. MACHT. POLITIK ODER FRANKFURTER FRAUENPOWER

Am Ende der vielfältigen Ausstellung sind auch die auf einem Bildschirm ausgestrahlten Interviews mit lebenden Politikerinnen, die in Frankfurt eine herausragende Rolle spielen oder spielten, äußerst aufschlussreich, so mit der früheren langjährigen Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) und Jutta Ebeling (Die Grünen), mit der Stadträtin Nargess EskandariGrünberg von den Grünen und der Abgeordneten im Hessischen Landtag und eine der stellvertretenden Parteivorsitzenden der Linken auf Bundesebene und Fraktionsvorsitzenden ihrer Partei, Janine Wissler, oder mit der Dezernentin für Umwelt und Frauen und Stadträtin Rosemarie Heilig (Bündnis 90/Die Grünen), die alle ihre Rolle kritisch betrachten und sich nicht im Glanze ihrer Macht sonnen. Jenseits von politischen Programmen verbindet sie der Wahlspruch Hedwig Dohms: „Frauenrechte sind Menschenrechte“,  das Ideal des Rechts auf eigene Bildung und Erwerbstätigkeit sowie körperliche Selbstbestimmung.

Bildschirm-Interviews mit führenden Frankfurter Politikerinnen, Foto: Petra Kammann

Die Schau fragt auch nach der Gleichstellung heute: Wie weit sind wir mit Frauenrechten heute? Was ist seit 1918 passiert? Und was in den letzten Jahren? Wie sieht es mit der Teilhabe aus? Im Bundestag sank 2017 der Frauenanteil mit 30,9 Prozent auf das Niveau von 1998. Ebenso die Überrepräsentation von Frauen in schlecht bezahlten sozialen Berufen verdeutlichen, dass die Emanzipationsbewegung weiterhin nötig ist oder  gleiche Bezahlung in gleicher Position noch immer ein Desiderat bleibt, auch bei Frauen in Führungspositionen.

Bereits der Internationale Frauentag im März diesen Jahres machte durch ein außergewöhnliches Event im Römer auf die Frauenfrage bzw. Damenwahl aufmerksam. Da wurden die Gemälde der Kaiser und Könige von 49 lebensgroßen Porträts von Protagonistinnen der ersten Frauenbewegung verdeckt. Noch immer „machen Männer Geschichte“. Offiziell auf jeden Fall. Da ist noch lange kein Ende der Fahnenstange in Sicht!

 

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